Baumeister: das Architektur-Magazin — 2.1904
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https://doi.org/10.11588/diglit.49990#0141
DOI Heft:
Heft 12 (1904, September)
DOI Artikel:Ebe, Gustav: Berliner Barockbauten
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DS BAUMEISTER
TECHNISCHE LEITUNG:jej8j*
HERMANN JANSEN UND
WILLIAM MÜLLER.
SCHRIFTLEITUNG:
F. v. BIEDERMANN.
ALLE ZUSENDUNGEN AN DIE SCHRIFTLEITUNG
BER1JN, ANHALTSTR. 16117.
S MONATSHEFTE M
FÜR ARCHITEKTUR £ä
?! UND BAUPRAXIS. ?!
VERLAG UND EXPEDITION:
BRUNO HESSLING G. m. b. H.
BERLIN SW., ANHALTSTR. 16/17.
NEW YORK: BRUNO HESSLING
64 EAST 12 TH STREET.
II. JAHRGANG 1904, SEPTEMBER «««•«<«««*c- <*«««-«««<«- HEFT 12
Berliner Barockbauten.
Von Gustav Ebe.
Im Berliner Barockbau* sehen wir zwei Hauptrichtungen des
Stils sich bekämpfen, die französisch-holländische und die
italienisch-süddeutsche, die jedoch beide mehr oder weniger
von lokalen Einflüssen durchsetzt werden. Die vom Grossen
in gerader oder gebogener Linie, die Flächen sind durch ver-
tiefte Tafeln unterbrochen, wie dies allerdings auch im italie-
nischen Barock üblich war, ausserdem kommt bei Gerlachs
Bauten das gebrochene französische, sogenannte Mansart-
Kurfürsten berufenen hollän-
dischen Architekten Memhard
und Smids, zu denen auch wohl
Nering zu rechnen ist, be-
währten sich alstüchtigeMeister,
wenn sie auch keine hervor-
ragende Erfindungskraft besas-
sen und einer trockenen For-
mensprache huldigten. Das
Zeughaus in Berlin, mag es
nun von Blondei oder Nering
entworfen sein, bildet hier den
Höhepunkt dieser hugenottisch-
klassizistischen auf Palladios
Vorgang fussenden Richtung,
musste aber doch erst durch de
Bodts und Schlüters künstleri-
sche Mitarbeit höheres Leben
erhalten.
Mit der glänzend - genialen
Schlüterschen Schöpfung des
königlichen Residenzschlosses
in Berlin siegte für den Augen-
blick das malerisch-plastisch
bewegte römische Barock der
Berninischen Schule, aber es
verschwindet mit demWeggange
Schlüters, da weder v. Eosander
noch Böhme als vollgültiger
Ersatz des grossen Meisters
gelten können, obgleich Eosan-
der in manchen seiner Innen-
dekorationen die kecksten Aus-
schreitungen des Jesuitenstils
nicht verschmäht. Gleichzeitig
blieb neben der italienischen
Richtung unterKönig Friedrich I.
die holländische in Übung, na-
mentlich tritt Martin Grünberg,
der Nachfolger Nerings, ganz
in dessen und Smids Fuss-
tapfen und entfaltet bis zu sei-
nem im Jahre 1707 erfolgten
Tode eine immerhin beachtens-
Mittelbau des Kammergerichtsgebäudes in Berlin. Erbaut 1734 — 1735. Architekt Ph. Gerlach.
dach durchweg zur Verwen-
dung.
Das Kölnische Rathaus
am Kölnischen Fischmarkt, zwi-
schenGertraudten-undScharren-
strasse gelegen, erfuhr 1710
einen wesentlichen Umbau und
erhielt die Gestalt, wie sie bis vor
wenigen Jahren noch vorhanden
war, und wie sie die hier mitge-
teilten Aufnahmen (Tafel 17/18
und 19/20) darstellen. Im Jahre
1710 begann der Bau, doch
soll der Entwurf von dem
damals bereits verstorbenen
M. Grünberg herrühren. Das
Hauptgeschoss war 1716 noch
nicht ausgebaut und der über
dem Mittelrisalit der Fassade
am Kölnischen Fischmarkt be-
absichtigte Turmbau, wie be-
richtetwird, zur Aufnahme eines
Glockenspiels bestimmt, kam
überhaupt nicht zur Ausführung.
Das Gebäude erhielt bald nach
seiner Vollendung, nachdem das
Berlinische Rathaus zum allei-
nigen Sitz der vereinigten Stadt-
behörden ausersehen war, ver-
schiedenartige Verwendung, als
Gymnasium, als Stadtschule,
seit 1822 als Sitz der Stadt-
verordneten-Versammlung, und
nahm endlich im Jahre 1880 das
Märkische Provinzial-Museum
in das erste Stockwerk auf.
Das Kölnische Rathaus be-
stand aus dem Hauptflügel am
Kölnischen Fischmarkt, einem
Seitenflügel an der Gertraudten-
strasse und einem zweiten Flügel
an der Scharrenstrasse, welcher
letztere aber, als 1830—31 ent-
standen, hier nicht in betracht
werte Bauthätigkeit, wenn auch in trockener, poesieloser Form-
gebung und unbedeutender Ausgestaltung der Innenräume.
Als nun später unter König Friedrich Wilhelm 1. das ge-
mässigte holländische Barock wieder zur Alleinherrschaft ge-
langte, war Philipp Gerlach, der Nachfolger Grünbergs, der
befähigtste Vertreter dieser Richtung. Seine Detailbildung ist
gut, wenn auch ohne plastischen Schwung, die Gesimse sind
trocken profiliert und ohne starke Ausladungen, die meist ge-
rade geschlossenen Fenster zeigen nur selten Giebelverdachungen
* Vergl. hierzu die Supplementtafeln No. 15—24. Zwei weitere zugehörige Doppeltafeln
werden im nächsten Jahrgange erscheinen. Red.
kommt. Ein hochliegendes Erdgeschoss und zweiObergeschosse
ruhen auf einem schlichten Sockel; ein Gurtgesims und ein
Brüstungsgesims trennen die beiden oberen zusammengehaltenen
Geschosse von dem Erdgeschosse ab; die Ecken sind durch
gequaderte Streifen eingefasst. Das breite Mittelrisalit der
Hauptfront enthält das rundbogig geschlossene, von Pilastern
eingeschlossene Portal, das mit einem Balkon überbaut ist;
neben dem Portal sind zwei Rundnischen angebracht, welche
später in Fenster umgewandelt wurden; Pilastereinfassung und
Gebälk des Portals sind gleichfalls modernen Ursprungs. Die
Fenster des Hauptgeschosses im Mittelrisalit haben Giebel-
TECHNISCHE LEITUNG:jej8j*
HERMANN JANSEN UND
WILLIAM MÜLLER.
SCHRIFTLEITUNG:
F. v. BIEDERMANN.
ALLE ZUSENDUNGEN AN DIE SCHRIFTLEITUNG
BER1JN, ANHALTSTR. 16117.
S MONATSHEFTE M
FÜR ARCHITEKTUR £ä
?! UND BAUPRAXIS. ?!
VERLAG UND EXPEDITION:
BRUNO HESSLING G. m. b. H.
BERLIN SW., ANHALTSTR. 16/17.
NEW YORK: BRUNO HESSLING
64 EAST 12 TH STREET.
II. JAHRGANG 1904, SEPTEMBER «««•«<«««*c- <*«««-«««<«- HEFT 12
Berliner Barockbauten.
Von Gustav Ebe.
Im Berliner Barockbau* sehen wir zwei Hauptrichtungen des
Stils sich bekämpfen, die französisch-holländische und die
italienisch-süddeutsche, die jedoch beide mehr oder weniger
von lokalen Einflüssen durchsetzt werden. Die vom Grossen
in gerader oder gebogener Linie, die Flächen sind durch ver-
tiefte Tafeln unterbrochen, wie dies allerdings auch im italie-
nischen Barock üblich war, ausserdem kommt bei Gerlachs
Bauten das gebrochene französische, sogenannte Mansart-
Kurfürsten berufenen hollän-
dischen Architekten Memhard
und Smids, zu denen auch wohl
Nering zu rechnen ist, be-
währten sich alstüchtigeMeister,
wenn sie auch keine hervor-
ragende Erfindungskraft besas-
sen und einer trockenen For-
mensprache huldigten. Das
Zeughaus in Berlin, mag es
nun von Blondei oder Nering
entworfen sein, bildet hier den
Höhepunkt dieser hugenottisch-
klassizistischen auf Palladios
Vorgang fussenden Richtung,
musste aber doch erst durch de
Bodts und Schlüters künstleri-
sche Mitarbeit höheres Leben
erhalten.
Mit der glänzend - genialen
Schlüterschen Schöpfung des
königlichen Residenzschlosses
in Berlin siegte für den Augen-
blick das malerisch-plastisch
bewegte römische Barock der
Berninischen Schule, aber es
verschwindet mit demWeggange
Schlüters, da weder v. Eosander
noch Böhme als vollgültiger
Ersatz des grossen Meisters
gelten können, obgleich Eosan-
der in manchen seiner Innen-
dekorationen die kecksten Aus-
schreitungen des Jesuitenstils
nicht verschmäht. Gleichzeitig
blieb neben der italienischen
Richtung unterKönig Friedrich I.
die holländische in Übung, na-
mentlich tritt Martin Grünberg,
der Nachfolger Nerings, ganz
in dessen und Smids Fuss-
tapfen und entfaltet bis zu sei-
nem im Jahre 1707 erfolgten
Tode eine immerhin beachtens-
Mittelbau des Kammergerichtsgebäudes in Berlin. Erbaut 1734 — 1735. Architekt Ph. Gerlach.
dach durchweg zur Verwen-
dung.
Das Kölnische Rathaus
am Kölnischen Fischmarkt, zwi-
schenGertraudten-undScharren-
strasse gelegen, erfuhr 1710
einen wesentlichen Umbau und
erhielt die Gestalt, wie sie bis vor
wenigen Jahren noch vorhanden
war, und wie sie die hier mitge-
teilten Aufnahmen (Tafel 17/18
und 19/20) darstellen. Im Jahre
1710 begann der Bau, doch
soll der Entwurf von dem
damals bereits verstorbenen
M. Grünberg herrühren. Das
Hauptgeschoss war 1716 noch
nicht ausgebaut und der über
dem Mittelrisalit der Fassade
am Kölnischen Fischmarkt be-
absichtigte Turmbau, wie be-
richtetwird, zur Aufnahme eines
Glockenspiels bestimmt, kam
überhaupt nicht zur Ausführung.
Das Gebäude erhielt bald nach
seiner Vollendung, nachdem das
Berlinische Rathaus zum allei-
nigen Sitz der vereinigten Stadt-
behörden ausersehen war, ver-
schiedenartige Verwendung, als
Gymnasium, als Stadtschule,
seit 1822 als Sitz der Stadt-
verordneten-Versammlung, und
nahm endlich im Jahre 1880 das
Märkische Provinzial-Museum
in das erste Stockwerk auf.
Das Kölnische Rathaus be-
stand aus dem Hauptflügel am
Kölnischen Fischmarkt, einem
Seitenflügel an der Gertraudten-
strasse und einem zweiten Flügel
an der Scharrenstrasse, welcher
letztere aber, als 1830—31 ent-
standen, hier nicht in betracht
werte Bauthätigkeit, wenn auch in trockener, poesieloser Form-
gebung und unbedeutender Ausgestaltung der Innenräume.
Als nun später unter König Friedrich Wilhelm 1. das ge-
mässigte holländische Barock wieder zur Alleinherrschaft ge-
langte, war Philipp Gerlach, der Nachfolger Grünbergs, der
befähigtste Vertreter dieser Richtung. Seine Detailbildung ist
gut, wenn auch ohne plastischen Schwung, die Gesimse sind
trocken profiliert und ohne starke Ausladungen, die meist ge-
rade geschlossenen Fenster zeigen nur selten Giebelverdachungen
* Vergl. hierzu die Supplementtafeln No. 15—24. Zwei weitere zugehörige Doppeltafeln
werden im nächsten Jahrgange erscheinen. Red.
kommt. Ein hochliegendes Erdgeschoss und zweiObergeschosse
ruhen auf einem schlichten Sockel; ein Gurtgesims und ein
Brüstungsgesims trennen die beiden oberen zusammengehaltenen
Geschosse von dem Erdgeschosse ab; die Ecken sind durch
gequaderte Streifen eingefasst. Das breite Mittelrisalit der
Hauptfront enthält das rundbogig geschlossene, von Pilastern
eingeschlossene Portal, das mit einem Balkon überbaut ist;
neben dem Portal sind zwei Rundnischen angebracht, welche
später in Fenster umgewandelt wurden; Pilastereinfassung und
Gebälk des Portals sind gleichfalls modernen Ursprungs. Die
Fenster des Hauptgeschosses im Mittelrisalit haben Giebel-