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Baumeister: das Architektur-Magazin — 2.1904

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Heft 8 (1904, Mai)
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Ebe, Gustav: [Rezension von: Schlesisches Museum der Bildenden Künste (Hrsg.), Bilderwerk schlesischer Kunstdenkmäler]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49990#0098

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DER BAUMEISTER * 1904, MAI.



Vom Hauptgesims des

Rathauses in Breslau.

Bilderwerk schlesischer Kunstdenkmäler.

Bearbeitet von Hans Lutsch, Geh. Regierungs-Rat und Konservator der Kunstdenkmäler des Preussischen Staats. 232 Tafeln mit Text, Breslau 1903,
80 Mark. (In Kommission bei Bruno Richter in Breslau.)

I ) er Verfasser des vorliegenden grossen Tafel Werks, Herr Lutsch, hat seine,
als früherer langjähriger Konservator in Schlesien, erworbene Kenntnis

an schönen in Sandstein ausgeführten Einzelformen, wie sie den Dom in Breslau
die Klosterkirchen von Leubus und Heinrichau u. a. auszeichnen.

der Provinz in der vorliegenden Arbeit vollauf zur Geltung gebracht, wie er
dies schon in dem beschreibenden Verzeichnisse der Kunstd^nkmäler (6 Bände,
Breslau 1886- 1902) gethan hat. Ausserdem giebt er in dem das Bilderwerk
begleitenden Texte eine Übersicht der die schlesische Kunstthätigkeit bedingenden
Kulturzustände und der in Verknüpfung mit denselben von auswärts eindringenden
Einflüsse, welche als Abriss einer Kunstgeschichte Schlesiens gelten dürfte.
Die Charaktereigenheit der schlesischen Bevölkerung beruht wesentlich
auf einer Verschmelzung der deutschen Einwanderer mit den polnischen Ele-
menten, obgleich die

Die der Spätgotik eigenen reicheren Schmuckformen, wie die gewundenen
Reihungen der Gewölbe, die flammenden Masswerke, die krappenbesetzten
Wimpergen in Eselsrückenform u. a. kommen in Schlesien mehrfach zur An-
wendung.
In der bürgerlichen Baukunst des späten Mittelalters nimmt das Rathaus
in Breslau unter den Gebäuden dieser Gattung in Deutschland den ersten Platz
ein; dagegen besitzt Schlesien keinen hervorragenden Schlossbau aus derselben
Periode. Kynast und Bolkoburg sind nur als Reste von Wehranlagen bemerkens-
wert. Unter den Stadt-



die Kirchen

Ver-

der Barock-
unangetastet

und dem
Kunstleben

Oberschle-
eine Anzahl
der Ober-

zurückrei-
doch als
älterer

be-
ge-
ihr
auf-

wir als
an den
Pfeilern
dann in
vor-

befestigungen finden sich
einige guterhalteneThor-
türme.
Der figürlichen Plas-
tik der gotischen Peri-
ode begegnen
Einzelfiguren
Wänden und
der Kirchen,
den Grabfiguren,
zugsweise aber in den
holzgeschnitzten Dar-
stellungen der Altar-
schreine. Zu berühmten
Leistungen, welche denen
der oberdeutschen Schu-
len die Wage halten
könnten, hat es Schle-
sien auf diesem Felde
nicht gebracht, da den
meisten Figuren und
Gruppen die seelische
Vertiefung abgeht.
Die Schrotholzkirchen
Oberschlesiens mit ihren
meist gesondert stehen-
den, geböschten Glocken-
türmen deuten vielleicht
auf eine Überlieferung
aus der vor der deutschen
Kolonisation liegenden
Zeit zurück, wenn auch
die vorhandenen Bau-
werke in ihrem Ursprünge
nicht so weit zurück-
reichen. Die mitge-
teilten Holzhäuser aus
der Oberlausitz entstam-
men ebenfalls jüngerer
Zeit und erinnern nur in
der Planbildung an ältere,
fränkische Vorbilder.
Die Denkmäler der
Renaissance und des
Barocks sind in Mappe II,
Tafel 73 bis 152, zu-
sammengestellt und las-
sen erkennen, wie sich
die Renaissance unmittel-
bar aus den gegebenen
Kulturbedingungen der
Landschaft entwickelte.
Wie das übrige Deutsch-
land stand Schlesien
in vielfachen Handels-
verbindungen mit Italien.

ersteren eine entschie-
dene Vorherrschaft
wahren
samten
eigenes Gepräge
drücken.
Mappe I, Tafel 1 bis
73, führt in die kirchliche
und profane Baukunst so-
wie in die Plastik des
Mittelalters und giebt im
Anhang einige Schrot-
holzkirchen
siens sowie
Holzhäuser
lausitz wieder, die zwar
sämtlich nicht in das
Mittelalter
chen, aber
Fortsetzung
Überlieferungen gelten
müssen.
Das Emporwachsen
der ersten im Steinbau
errichteten Kirchen im
Kolonistenlande nach
deutschen Vorbildern fällt
in die Periode des ro-
manischen Übergangs-
stils. Das rundbogige
Prachtportal der abge-
brochenen Vincenzkirche
in Breslau, jetzt an der
Magdalenenkirche da-
selbst, zeigt in den Skulp-
turen der Gliederungen
noch altgermanische,
phantastische Motive ne-
ben solchen biblischer
Herkunft; das Portal der
spätgotisch umgebauten
Peterskirche in Görlitz
ist bereits spitzbogig
und von einem steilen
Wimperg bekrönt; das
Tympanon Relief der
Sandkirche in Breslau,
von dem alten Bau er-
halten, trägt ganz roma-
nischen Charakter, wäh-
rend sich dasTympanon-
Relief in Trebnitz wieder
etwas fortgeschrittener
zeigt. Als das bedeu-
tendste Denkmal des
Übergangsstils in Schle-
sien lernen wir die Klosterkirche in Trebnitz kennen; sie hat in
zeit einen Umbau erfahren, indes sind die mächtigen Gewölbe
geblieben.
Schlesien ist reich an natürlichem Gestein, dennoch werden
der gotischen Periode mit wenigen Ausnahmen, wie beispielsweise der Corpus-
Christi- und der Adalbertkirche in Breslau, welche sogar reine Backsteinbauten
sind, im wesentlichen im gemischten Materialbau, Backsteine für die Mauer-
massen und Pfeiler, Haustein für die Gliederungen, ausgeführt. In der Plan-
bildung finden wir die im mittleren Deutschland ausgebildeten Typen wieder,
ohne dass wesentlich Neues hinzuträte; und der Aufbau erscheint vereinfacht,
da den Basiliken die feinere Ausbildung des Hochschiffs durch Triforien oder
mindestens Blendarkaturen abgeht, ebenso fehlt die reichere französische Chor-

Fig. 16. Haus des Herrn Stanford White. Architekten Mc. Kim, Mead & White.
Schlesier studierten in Bologna und brachten humanistisches Wesen nach
der Heimat zurück; ausserdem gelangten Arbeiten oberdeutscher Meister
im neuen Stile nach Schlesien. Die Fassaden der Bürgerhäuser aus der Zeit
der Frührenaissance zeigen zwar das übliche Pilasterschema mit den zwischen-
gespannten vereinfachten Gebälken, wie es in Breslau häufig nur für das Erd-
geschoss, in Görlitz für die ganze Fassade zur Erscheinung kommt, aber den-
noch bilden sich hier und da eigenartige Strassenbilder von hohem poetischen
Reiz, wie beispielsweise die berühmte Ecke mit der Freitreppe am Rathause
zu Görlitz. Am Schlosse zu Brieg sind italienische Meister thätig, die indes
ihre lombardischen Baumotive dem deutschen Empfinden anpassen, wohl nicht
ohne Einfluss des fürstlichen Bauherrn. Die satte Färbung und teilweise
goldung am Äusseren des Schlossbaues kann noch als Erbschaft aus dem



bildung. Störend für die Innenwirkung vieler schlesischer Kirchen sind die
rechteckig langgezogenen Backsteinpfeiler der Schiffe. Sonst fehlt es nicht

Mittelalter gelten.
Bereits in der Frührenaissance-Periode kreuzt sich niederländischer, von
 
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