Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Baumeister: das Architektur-Magazin — 2.1904

DOI Heft:
Heft 8 (1904, Mai)
DOI Artikel:
Zu den Tafeln (XXVI-XXVII) / Alte Bauformen
DOI Artikel:
Grisebach, Hans [Gefeierte Pers.]: Hans Grisebach
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49990#0104

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
96

DER BAUMEISTER * 1904, MAL

voll entbehrlich und thut das ihre zum Schutz gegen Erkältung. Der Ankleide-
raum ist mit Zuhilfenahme abschliessbarer Thüren dem vor dem Baderaume
liegenden Teile des Flures abgewonnen.
Die Heizung des ganzen Gebäudes einschliesslich Fluren, Treppen und
Aborten erfolgt durch Niederdruckdampfheizung. Die Frischluftzufuhr nach
den Klassen erfolgt durch ein umfangreiches Rohrsystem. Die zugeführte
Luft ist auf Zimmertemperatur vorgewärmt; da sich Frischluftkammern nicht
unterbringen liessen, erfolgt die Zuführung der an der Nord- und Südseite
entnommenen und durch Filter gereinigten Luft in einem unter dem Flur des
Kellergeschosses angeordneten Längskanal und die Erwärmung durch Rippen-
rohre, welche vor den aufsteigenden Verteilungsrohren angebracht sind.
Die gleichzeitig mit der Schule erbauten Turnhallen gaben infolge des stark
gegen die Strassen fallenden Geländes Gelegenheit zu einer interessanten
Lösung. Man konnte nämlich in Ausnützung dieses Umstandes einen oberen,
flach vom Schulhofe aus zugänglichen Hallenraum schaffen, unter dem man
eine weitere, von der tiefliegenden Strasse aus zu betretende Halle anordnen
konnte. Diese letztere dient dem Turnunterricht der umliegenden älteren
Schulen und der Vereinsturntätigkeit. Die obere Halle, aus der die Geräte
entfernt werden können, soll auch den anliegenden Volksschulen für ihre Schul-
feierlichkeiten zur Verfügung stehen. Der Turnhallenbau ist in dem Formen-

Hans Grisebach

In Hans Grisebach haben sie in Berlin soeben einen Mann
begraben, dessen Andenken an dieser Stelle wachgehalten
zu werden verdient; denn obwohl nicht zu denen rechnend,
die auf breiter Basis ihre Schaffenskraft ins Ungemessene stei-
gern, so ist er doch durch die Reife und Stetigkeit seiner
künstlerischen Überzeugung zu einem Führer besonders der
Berliner Architektur geworden. Zu einer eigentlichen Würdigung
seiner Verdienste soll an dieser Stelle nicht im Vorübergehen
die Gelegenheit genommen werden, davon wird sich später
noch eingehend sprechen lassen, hier soll nur kurz daran
erinnert werden, dass das Beste, was in unserer Reichshauptstadt
heute entsteht, mit auf seine anregende Wirksamkeit gegründet ist:
Hans Grisebach, im Jahre 1848 als Sohn eines Professors

empfinden des Hauptbaues ge-
halten, ohne Wiederholungen
aufzuweisen: Der Dachraum
wurde der Ausbildung der oberen
Halle vorteilhaft dienstbar ge-
macht, die mit ihrer dreigeteilt
steigenden Bogendecke aus Holz
in ihn hineinragt. Diese ist aus
gewachstem Pitchepine in Längs-
riemung hergestellt, die durch
rotgestrichene Zwischenriemen
gegliedert wird. Die Kämpfer-
balken, Stützhölzer und Bogen-
rippen sind mit Ochsenblut ge-
strichen, das Rot ist mit etwas
Schwarz und Weiss abgesetzt.
Der Sockelanstrich ist stumpf-
rot, leicht mit Grün überspritzt,
und die tiefgoldfarbigen Vor-
hänge vor den roten Laibungen
und der lichtgrünen Wand
machen die Stimmung im Raum
zu einer schier festlichen. Der
Boden ist über der Könenschen
Voutendecke auf Gipsstrich mit
8 mm starken Linoleumbelag
hergestellt. Die untere Halle
hat einen Fischgrätboden aus
amerikanischem Ahorn erhalten
und ist gleichfalls mit einer inter-
essanten, harmonischen Farben-
gebung bedacht.
Die Kosten des Hauptschul-
gebäudes samt Kanalisation,
Geländeregulierung und Einfrie-
digung nebst der gesamten
Inneneinrichtung und den Bau-
leitungsausgaben beliefen sich
auf rund 351 000 Mark gegen
371 000 Mark des Voranschlages.
Das beziffert mit Einbeziehung
der genannten Nebenkosten den
Betrag von rund 370 Mark für
das qm bebauter Grundfläche
und 16 Mark für das cbm um-
bauten Raumes. DerTurnhallen-
bau stellte sich auf 45 000 Mark
das ist rund 134 Mark pro


in Göttingen geboren,
widmete sich nach Ab-
solvierung des dortigen
Gymnasiums demBaufach
in Hannover unter Leitung
Hase’s, zu dessen Schü-
lern er fünf Jahre lang
rechnete, arbeitete dann
drei weitere Jahre unter
dem Dombaumeister
Friedrich v. Schmidt in
Wien. — Für Johannes
Otzen führte er darauf
1876—1879 die Berg-
kirche in Wiesbaden und
nach eigenen Plänen ver-
schiedene Villen daselbst
aus, bis er 1880 als
Ötzens Assistent an die
technische Hochschule
nach Berlin übersiedelte,
um hier bis ans Ende
seiner nur zu kurz be-
messenenTage zu bleiben.
Berlin verdankt ihm den
ersten Anstoss, aus dem
Protzenstil herauszu-
kommen. In dem von ihm
erbauten Hause der Nürn-
bergerBleistiftfabrik Faber
in der Friedrichstrasse in
Berlin, wandte er die
Formen der Renaissance
in einer edlen Einfachheit
an, die leider damals noch
wenig Verständnis fand.

qm und 12 Mark pro cbm. Die Bauzeit betrug nicht ganz zwei Jahre.
Die Arbeit mag dem Fachmann ein reiches Feld des Studiums bieten. An
die örtlich vertretenen Ausdrucksmittel einer künstlerisch reichen Vergangen-
heit anknüpfend, zeigt sie in gewissem Sinne ein ehrliches Stück Heimatkunst,
auf dessen grundsätzliche Vorzüge ich schon hingewiesen habe. Manch einer
wird auch mit Befriedigung sehen, wie mittelalterliche Art hier und dort durch-
klingt; wie gut verträgt sie sich, weise gehandhabt, mit den Zwecken unserer
modernsten technischen Thätigkeit! Die prächtige Lage der Schule in der
Landschaft mag auch ein tiefes Heimatsgefühl in der lernenden Schar wecken,
die dort ein- und ausgeht. Und ob ein Kind nicht des Lebens und Lernens
froher wird, wenn es ihm, sehr im Gegensatz zu seinen Ahnen, vergönnt ist,
in luftigem, freundlichem, farbenfrohem Hause der Pflichten seines Lebenslenzes
zu walten? B. Hanftmann.

Dem Faberhause folgten ähnliche Geschäftshäuser, Villen und
Wohnhäuser. Seine wesentliche Thätigkeit blieb Berlin ge-
widmet, wo er der Vorbote eines feinen Geschmacks wurde,
der sich von dem aufdringlichen Parvenutum, das lange Jahre
in der reichsstädtischen Bauweise überwucherte, mit vollem
Bewusstsein abwandte. Ausserhalb Berlins ist das Gewerbe-
museum in Reichenberg in Böhmen wohl die bedeutendste
Leistung Grisebachs, in der er ein vornehmes Werk, mit
liebevoller Rücksicht auf die örtlichen Verhältnisse, ge-
schaffen hat.

Alte Bauformen.
Supplementtafel 15 und 16.
Fassadenteil und Details des Kammergerichtsgebäudes in Berlin,
erbaut von Philipp Gerlach.
Abbildungen und erläuternder Text folgen.

Grisebach, obwohl noch rüstig an Jahren, hatte sich doch
schon von der aktiven Bauthätigkeit zurückgezogen, um seinen
Liebhabereien, besonders der bibliophilen zu leben, so war er
schon ein halb Vergessener. Denn unsere Zeit mit ihrem
kurzen Gedächtnis hat nur Raum für den Lebenden, der sich
ihr fortwährend in Erinnerung bringt. Wenn aber einmal Zeit
zum Stillhalten und Rückschauen ist, wird man nicht übersehen,
was wir Hans Grisebach schuldig geworden sind.

Verlag Bruno Hessling G. m. b. H. in Berlin. Verantwortlicher Redakteur F. v. Biedermann in Steglitz. Druck von C. G. Röder in Leipzig. 20590. 04.
 
Annotationen