Baumeister: das Architektur-Magazin — 2.1904
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https://doi.org/10.11588/diglit.49990#0118
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Heft 10 (1904, Juli)
DOI article:Rapsilber, Maximilian: Berliner Schulbauten
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DER BAUMEISTER * 1904, JULI.
das Bedürfnis geltend, von der vielbesprochenen, vielgerühmten
und natürlich auch benörgelten Bauthätigkeit der Stadt Berlin
ein übersichtliches Bild schwarz auf weiss zu beschaffen.
Auf der Berliner Kunstausstellung des Jahres 1901 wurde
in einer Sonderausstellung von 22 Räumen eine Übersicht über
zu definieren, aber die Fundamentalsätze besagten Berliner Stils
lassen sich doch schon objektiv darlegen, und zwar an der
grossen Gruppe der neuen Schulbauten, die wir deshalb heute
des Näheren ins Auge fassen wollen, soweit die Belege in den
drei Bänden der „Neubauten der Stadt Berlin“ vorliegen. Es
die ersteBauperiode
Hoffmanns gegeben
und dieses grandiose
und wunderschön
vorgetragene Mate-
rial regte den Verlag
Bruno Hessling an,
1902 mit derHeraus-
gabe der„Neubauten
der Stadt Berlin“ zu
beginnen. Bis jetzt
liegen drei Folio-
bände vor, die jedes-
mal fünfzig Bilder-
tafeln in Lichtdruck
samt den dazu er-
forderlichen rein
sachlichen Erläute-
rungen enthalten.
Dieses Werk, das
natürlich fortgesetzt
wird, ist von einer
wahrhaft monumen-
talen Haltung, es
will zugleich dem
Kunstfreund wie dem
Fachmann dienen, es
will belehren und
repräsentieren,
Rechenschaft able-
gen und das Auge
erfreuen. Gerade an
der Hand dieserVer-
öffentlichung wird
sich mancher Ge-
sichtspunkt von we-
sentlicher Bedeu-
tung, wird sich eine
ungeahnte Fülle von
Anschauung gewin-
nen lassen, von Ver-
gleichungspunkten,
von neuartigen We-
senszügen und über-
haupt von all den
Grundbedingungen
eines Berliner Bau-
stils. Denn das wird
auf den ersten Blick
klar, dass diese
städtischen Bauten,
die in der äusseren
Ausdrucksform so
regsam und fröhlich
und fleissig variieren,
alle etwas Gemein-
sames, Durchgehen-
des, Wesensver-
wandtes in sich tra-
ist wirklich eine
Freude, die in Licht-
druck ausgeführten
Bildertafeln zu stu-
dieren, die Gesamt-
ansichten wie die
Einzelheiten, die in
den Naturaufnahmen
gegeben sind, und
zur Ergänzung und
Verdeutlichung der
malerisch-monu-
mentalen Bilder die
Aufrisse, Durch-
schnitte, Profile und
Details nach den
mit Massen versehe-
nen Originalzeich-
nungen der Fassaden
und Innenräume. Wer
die charaktervolle
Haltung, die Strenge
und die Anmut und
die konstruktiven
Feinheiten der neuen
städtischen Archi-
tekturen bis ins Ein-
zelne würdigen und
begreifen will, kann
nicht umhin, die auf
Millimeter-Genauig-
keit festgelegten
Profile eindringlich
zu betrachten und
da ist es gewiss mit
Dank zu begrüssen,
dass in derVeröffent-
lichung nach dieser
Richtung hin reich-
liches Material dar-
geboten wird.
Hoffmann hat mit
dem Fanatismus des
deutschen Gelehrten
die Meisterwerke der
italienischen Re-
naissance unermüd-
lich mit dem Zoll-
stock studiert, denn
schliesslich kann
man ernsthaft nur so
dem Geheimnis des
Genies auf die Spur
kommen und einen
ästhetischen Ein-
druck wissenschaft-
lich nachweisen. Ob
die alten Meister, wie
so vielfach behauptet
gen, das nicht nur
in der Persönlichkeit
Berlin. Gemeindeschule in der Grenzstrasse.
wird, rein nach dem
Augenmass gebaut
des Architekten begründet, sondern auch aus dem echt Berlinischen
Geist ausgestrahlt ist. Noch ist zwar die ganze Bauthätigkeit im
Werden undFliessen, noch sind wichtige Monumentalbauten wie das
zweite Rathaus, das Märkische Museum, das riesenhafte Kranken-
haus an der Jungfernhaide nicht zur Vollendung gediehen, noch
ist es also nicht an der Zeit, das weitgedehnte Schaffensbereich
nach allen Richtungen hin und als Ganzes zu prüfen und zu
kennzeichnen, sozusagen als geschichtlich bleibende Erscheinung
haben, ist doch sehr fraglich. Soweit Dokumente aus dem 16. und
selbst auch aus dem 17. Jahrhundert vorliegen, haben sich die
grossen Architekten mit den langwierigsten und peinlichsten Ent-
würfen, Proben und Modellen beschäftigt und ihrerseits an den
Resten der antiken Bauwerke Messungen ohne Ende vorge-
nommen, die Architekten nicht bloss, sondern auch die Maler,
sobald sie irgend ein dekoratives Gebälk auf ihren klassischen
Madonnenbildern anzubringen hatten. Ich will damit die Wich-
DER BAUMEISTER * 1904, JULI.
das Bedürfnis geltend, von der vielbesprochenen, vielgerühmten
und natürlich auch benörgelten Bauthätigkeit der Stadt Berlin
ein übersichtliches Bild schwarz auf weiss zu beschaffen.
Auf der Berliner Kunstausstellung des Jahres 1901 wurde
in einer Sonderausstellung von 22 Räumen eine Übersicht über
zu definieren, aber die Fundamentalsätze besagten Berliner Stils
lassen sich doch schon objektiv darlegen, und zwar an der
grossen Gruppe der neuen Schulbauten, die wir deshalb heute
des Näheren ins Auge fassen wollen, soweit die Belege in den
drei Bänden der „Neubauten der Stadt Berlin“ vorliegen. Es
die ersteBauperiode
Hoffmanns gegeben
und dieses grandiose
und wunderschön
vorgetragene Mate-
rial regte den Verlag
Bruno Hessling an,
1902 mit derHeraus-
gabe der„Neubauten
der Stadt Berlin“ zu
beginnen. Bis jetzt
liegen drei Folio-
bände vor, die jedes-
mal fünfzig Bilder-
tafeln in Lichtdruck
samt den dazu er-
forderlichen rein
sachlichen Erläute-
rungen enthalten.
Dieses Werk, das
natürlich fortgesetzt
wird, ist von einer
wahrhaft monumen-
talen Haltung, es
will zugleich dem
Kunstfreund wie dem
Fachmann dienen, es
will belehren und
repräsentieren,
Rechenschaft able-
gen und das Auge
erfreuen. Gerade an
der Hand dieserVer-
öffentlichung wird
sich mancher Ge-
sichtspunkt von we-
sentlicher Bedeu-
tung, wird sich eine
ungeahnte Fülle von
Anschauung gewin-
nen lassen, von Ver-
gleichungspunkten,
von neuartigen We-
senszügen und über-
haupt von all den
Grundbedingungen
eines Berliner Bau-
stils. Denn das wird
auf den ersten Blick
klar, dass diese
städtischen Bauten,
die in der äusseren
Ausdrucksform so
regsam und fröhlich
und fleissig variieren,
alle etwas Gemein-
sames, Durchgehen-
des, Wesensver-
wandtes in sich tra-
ist wirklich eine
Freude, die in Licht-
druck ausgeführten
Bildertafeln zu stu-
dieren, die Gesamt-
ansichten wie die
Einzelheiten, die in
den Naturaufnahmen
gegeben sind, und
zur Ergänzung und
Verdeutlichung der
malerisch-monu-
mentalen Bilder die
Aufrisse, Durch-
schnitte, Profile und
Details nach den
mit Massen versehe-
nen Originalzeich-
nungen der Fassaden
und Innenräume. Wer
die charaktervolle
Haltung, die Strenge
und die Anmut und
die konstruktiven
Feinheiten der neuen
städtischen Archi-
tekturen bis ins Ein-
zelne würdigen und
begreifen will, kann
nicht umhin, die auf
Millimeter-Genauig-
keit festgelegten
Profile eindringlich
zu betrachten und
da ist es gewiss mit
Dank zu begrüssen,
dass in derVeröffent-
lichung nach dieser
Richtung hin reich-
liches Material dar-
geboten wird.
Hoffmann hat mit
dem Fanatismus des
deutschen Gelehrten
die Meisterwerke der
italienischen Re-
naissance unermüd-
lich mit dem Zoll-
stock studiert, denn
schliesslich kann
man ernsthaft nur so
dem Geheimnis des
Genies auf die Spur
kommen und einen
ästhetischen Ein-
druck wissenschaft-
lich nachweisen. Ob
die alten Meister, wie
so vielfach behauptet
gen, das nicht nur
in der Persönlichkeit
Berlin. Gemeindeschule in der Grenzstrasse.
wird, rein nach dem
Augenmass gebaut
des Architekten begründet, sondern auch aus dem echt Berlinischen
Geist ausgestrahlt ist. Noch ist zwar die ganze Bauthätigkeit im
Werden undFliessen, noch sind wichtige Monumentalbauten wie das
zweite Rathaus, das Märkische Museum, das riesenhafte Kranken-
haus an der Jungfernhaide nicht zur Vollendung gediehen, noch
ist es also nicht an der Zeit, das weitgedehnte Schaffensbereich
nach allen Richtungen hin und als Ganzes zu prüfen und zu
kennzeichnen, sozusagen als geschichtlich bleibende Erscheinung
haben, ist doch sehr fraglich. Soweit Dokumente aus dem 16. und
selbst auch aus dem 17. Jahrhundert vorliegen, haben sich die
grossen Architekten mit den langwierigsten und peinlichsten Ent-
würfen, Proben und Modellen beschäftigt und ihrerseits an den
Resten der antiken Bauwerke Messungen ohne Ende vorge-
nommen, die Architekten nicht bloss, sondern auch die Maler,
sobald sie irgend ein dekoratives Gebälk auf ihren klassischen
Madonnenbildern anzubringen hatten. Ich will damit die Wich-