Baumeister: das Architektur-Magazin — 2.1904
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https://doi.org/10.11588/diglit.49990#0120
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Heft 10 (1904, Juli)
DOI article:Rapsilber, Maximilian: Berliner Schulbauten
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DER. BAUMEISTER * 1904, JULI.
Berlin. Doppel-Gemeindeschule in der Wilmsstrasse.
wenn eine Architektur einen norddeutsch scharfen Denker und
einen zielsicheren Künstler zum Urheber haben. Eben das
Norddeutsche möchte ich doch betonen und die Münchener
Kommunalbauten zum Vergleich danebenstellen. Etwas grund-
sätzlich Verschiedeneres lässt sich kaum denken, so viele Be-
rührungspunkte und Beeinflussungen zwischen Nord und Süd
auch vorliegen, aber gerade diese Fülle scharf gesonderter und
reich abgestufter Charakter ist der Ruhm und die Stärke der
deutschen Kunst. Geht man in München auf das Runde,
Wohlige, auf die gemütliche Breite des Barock, so dominiert in
Berlin das stolz und herrisch Ragende, das scharf Geprägte
und Pointierte und selbstbewusst Repräsentierende. Über den
Geist und das Ideal des Berliner Bauwesens, soweit es in
Händen der Stadt liegt, ist im ersten Heft dieser Zeitschrift von
dem berufenen Kenner und am schärfsten denkenden Kritiker
Berlins bereits das Entscheidende gesagt und dem damals
reichlich gespendeten Lob kann ich mich ohne Vorbehalt nur
anschliessen. Aber vielleicht mag es an dieser Stelle interessieren
und zur Verdeutlichung unserer Abbildungen beitragen, was der
Stadtbaurat selber als den Wesenszug seines Schaffens aus-
spricht. In den einleitenden Bemerkungen zum ersten Bande
der „Neubauten der Stadt Berlin“ sagt Hoffmann, dass in einer
Stadt wie Berlin, die aus verschiedenen Kunstperioden früherer
Jahrhunderte vortreffliche Bauwerke besitzt, in welcher auch die
in den letzten Jahrzehnten errichteten Gebäude verschiedene
Ausdrucksweisen zeigen, schon die Rücksicht auf die jeweilige
Umgebung gebiete, sich bei der Lösung neuer Aufgaben ver-
schiedener Formensprachen zu bedienen. Des Architekten
Thätigkeit wird erst dann eine künstlerische, wenn es ihm gelingt,
in gefälligen Formen Gedanken auszudrücken und hierbei be-
absichtigte Wirkungen zu erzielen. Durch planloses Aneinander-
fügen bekannter oder unbekannter Motive, seien diese auch noch
so prunkvoll, wird niemals ein Kunstwerk entstehen. Die
beste Grundlage für die künstlerische Gestaltung eines Gebäudes
ist eine klare, ungezwungene und den Bedürfnissen in einfacher
Weise Rechnung tragende Grundrissdisposition. Sie bringt
eine natürliche und deshalb gute Verteilung der Massen, sowie
der Öffnungen in den Flächen mit sich. Ist diese Grundlage
gut, so bedarf es nur weniger Kunstmittel, um das Gebäude
zu einer angenehmen künstlerischen Wirkung zu bringen.
Andernfalls vermögen auch die reichsten Motive in grosser
Anzahl nicht, die ungünstige Wirkung einer ungenügenden Grund-
lage zu unterdrücken. Bei den städtischen Bauaufgaben handelt
es sich zumeist um Nützlichkeitsbauten. Gerade hierbei ist auf
die Grundrissbildung, welche den praktischen Bedürfnissen in
einfacher Weise entspricht, besondere Rücksicht zu nehmen.
In diesem Sinne hat Hoffmann in den in Rede stehenden Ver-
öffentlichung zu den einzelnen Gebäuden in knappen Worten
bemerkt, in welcher Weise und mit welchen künstlerischen Mitteln
bestimmte Wirkungen erreicht werden sollten und darin haben
wir eine ausgezeichnete Anweisung zum Verständnis der
städtischen Bauten und insonderheit der Schulen, welche vorerst
den Löwenanteil in den drei Bänden der Veröffentlichung haben.
Der absolute Massstab, die Behandlung des Materials und die
Linienführung der Profile sind für die künstlerische Wirkung
von bestimmendem Einfluss. Deshalb werden auch in den vor-
liegenden Zeichnungen und photographischen Darstellungen
einzelne Teile der Gebäude in grösserem Massstabe zur Ansicht
gebracht. Im allgemeinen dürfte, so schliesst Hoffmann seine
einleitenden Bemerkungen, aus den Blättern das Bestreben er-
kenntlich sein, die verschiedenen Bauaufgaben in klarer und
verständlicher Weise architektonisch zu gestalten und hierbei
jedes Glied und jedes Motiv zu vermeiden, welches der Er-
reichung der beabsichtigten Wirkung nicht nachweisbar dienlich ist.
Was die überaus wichtige Grundrissbildung in den Schulbauten
anlangt, so sollte man meinen, dass in allen diesen Gebäuden
mit gleichartigen und gleichgrossen Räumen und mit überall
denselben Zwecken und Bedürfnissen sich eine Normalschablone
der Disposition ergeben hätte. Das ist keineswegs der Fall.
Nirgends wechselt und variiert der Grundriss mehr als gerade
in den Schulen, denn all die Rücksichten auf die Lage, auf den
Ort und den Verkehr sind auf das sorgfältigste in jedem Fall
erwogen und daraus ergeben sich grundsätzlich verschieden-
artige Lösungen der Aufgaben. Allein die Vielgestaltigkeit in
DER. BAUMEISTER * 1904, JULI.
Berlin. Doppel-Gemeindeschule in der Wilmsstrasse.
wenn eine Architektur einen norddeutsch scharfen Denker und
einen zielsicheren Künstler zum Urheber haben. Eben das
Norddeutsche möchte ich doch betonen und die Münchener
Kommunalbauten zum Vergleich danebenstellen. Etwas grund-
sätzlich Verschiedeneres lässt sich kaum denken, so viele Be-
rührungspunkte und Beeinflussungen zwischen Nord und Süd
auch vorliegen, aber gerade diese Fülle scharf gesonderter und
reich abgestufter Charakter ist der Ruhm und die Stärke der
deutschen Kunst. Geht man in München auf das Runde,
Wohlige, auf die gemütliche Breite des Barock, so dominiert in
Berlin das stolz und herrisch Ragende, das scharf Geprägte
und Pointierte und selbstbewusst Repräsentierende. Über den
Geist und das Ideal des Berliner Bauwesens, soweit es in
Händen der Stadt liegt, ist im ersten Heft dieser Zeitschrift von
dem berufenen Kenner und am schärfsten denkenden Kritiker
Berlins bereits das Entscheidende gesagt und dem damals
reichlich gespendeten Lob kann ich mich ohne Vorbehalt nur
anschliessen. Aber vielleicht mag es an dieser Stelle interessieren
und zur Verdeutlichung unserer Abbildungen beitragen, was der
Stadtbaurat selber als den Wesenszug seines Schaffens aus-
spricht. In den einleitenden Bemerkungen zum ersten Bande
der „Neubauten der Stadt Berlin“ sagt Hoffmann, dass in einer
Stadt wie Berlin, die aus verschiedenen Kunstperioden früherer
Jahrhunderte vortreffliche Bauwerke besitzt, in welcher auch die
in den letzten Jahrzehnten errichteten Gebäude verschiedene
Ausdrucksweisen zeigen, schon die Rücksicht auf die jeweilige
Umgebung gebiete, sich bei der Lösung neuer Aufgaben ver-
schiedener Formensprachen zu bedienen. Des Architekten
Thätigkeit wird erst dann eine künstlerische, wenn es ihm gelingt,
in gefälligen Formen Gedanken auszudrücken und hierbei be-
absichtigte Wirkungen zu erzielen. Durch planloses Aneinander-
fügen bekannter oder unbekannter Motive, seien diese auch noch
so prunkvoll, wird niemals ein Kunstwerk entstehen. Die
beste Grundlage für die künstlerische Gestaltung eines Gebäudes
ist eine klare, ungezwungene und den Bedürfnissen in einfacher
Weise Rechnung tragende Grundrissdisposition. Sie bringt
eine natürliche und deshalb gute Verteilung der Massen, sowie
der Öffnungen in den Flächen mit sich. Ist diese Grundlage
gut, so bedarf es nur weniger Kunstmittel, um das Gebäude
zu einer angenehmen künstlerischen Wirkung zu bringen.
Andernfalls vermögen auch die reichsten Motive in grosser
Anzahl nicht, die ungünstige Wirkung einer ungenügenden Grund-
lage zu unterdrücken. Bei den städtischen Bauaufgaben handelt
es sich zumeist um Nützlichkeitsbauten. Gerade hierbei ist auf
die Grundrissbildung, welche den praktischen Bedürfnissen in
einfacher Weise entspricht, besondere Rücksicht zu nehmen.
In diesem Sinne hat Hoffmann in den in Rede stehenden Ver-
öffentlichung zu den einzelnen Gebäuden in knappen Worten
bemerkt, in welcher Weise und mit welchen künstlerischen Mitteln
bestimmte Wirkungen erreicht werden sollten und darin haben
wir eine ausgezeichnete Anweisung zum Verständnis der
städtischen Bauten und insonderheit der Schulen, welche vorerst
den Löwenanteil in den drei Bänden der Veröffentlichung haben.
Der absolute Massstab, die Behandlung des Materials und die
Linienführung der Profile sind für die künstlerische Wirkung
von bestimmendem Einfluss. Deshalb werden auch in den vor-
liegenden Zeichnungen und photographischen Darstellungen
einzelne Teile der Gebäude in grösserem Massstabe zur Ansicht
gebracht. Im allgemeinen dürfte, so schliesst Hoffmann seine
einleitenden Bemerkungen, aus den Blättern das Bestreben er-
kenntlich sein, die verschiedenen Bauaufgaben in klarer und
verständlicher Weise architektonisch zu gestalten und hierbei
jedes Glied und jedes Motiv zu vermeiden, welches der Er-
reichung der beabsichtigten Wirkung nicht nachweisbar dienlich ist.
Was die überaus wichtige Grundrissbildung in den Schulbauten
anlangt, so sollte man meinen, dass in allen diesen Gebäuden
mit gleichartigen und gleichgrossen Räumen und mit überall
denselben Zwecken und Bedürfnissen sich eine Normalschablone
der Disposition ergeben hätte. Das ist keineswegs der Fall.
Nirgends wechselt und variiert der Grundriss mehr als gerade
in den Schulen, denn all die Rücksichten auf die Lage, auf den
Ort und den Verkehr sind auf das sorgfältigste in jedem Fall
erwogen und daraus ergeben sich grundsätzlich verschieden-
artige Lösungen der Aufgaben. Allein die Vielgestaltigkeit in