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Baumeister: das Architektur-Magazin — 2.1904

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Heft 10 (1904, Juli)
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Rapsilber, Maximilian: Berliner Schulbauten
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https://doi.org/10.11588/diglit.49990#0122

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DER BAUMEISTER * 1904, JULI.

eine herrliche Mission zu erfüllen. Wenn das die Leute im
äussersten Norden und Osten auch nicht in Worte kleiden
können, eine Empfindung, und sei sie noch so dunkel und ver-
worren, haben sie doch für die Eigenart und Kraft und Schön-
heit der neuen Stadtbauten. Hier sollte im Grunde am wenigsten
gespart werden, hier sollte man sich sogar zu einem gewissen
Aufwand erkühnen, man dürfte die Schulen im Norden und
Osten sogar weitaus pompöser und festlicher ausgestalten als
diejenigen im Westen, denn in den Arbeitervierteln sind die
Schulen fast der ein-

Schulbauten vermöge der ihnen innewohnenden Schönheit und
Stattlichkeit eine Aufgabe idealster Art, derart nämlich, dass sie
Belege für die neue und grosse Bewegung sind, die Kunst dem
Volke nahezuführen. Es ist schon gesagt worden, weshalb die
Formensprache in den einzelnen Architekturen je nach dem Ort
wechselt, ohne dass der Zusammenhang aller Schöpfungen sich
in Stillosigkeit zersplittert, in jene Stillosigkeit, die wir in so
vielen Strassen Berlins finden, wo der eine ohne Rücksicht auf

den anderen frisch und frech darauflosbaut. Ist, was die Be-

handlung und Wahl
des Materials, der
Silhouette, der Grup-
pierung anlangt,
möglichste Mannig-
faltigkeit erzielt, so
haben alle Bauten
doch etwas Gemein-
sames und stilge-
mäss Charaktervol-
les in den Re-
naissanceformen,
welche der Architekt
des Reichsgerichts-
gebäudes seinen Ent-
würfen mit Vorliebe
zu Grunde legt. Wenn
es die Umstände und
Umgebungen for-
dern, werden roma-
nische Formen, so
namentlich bei
Brücken, die Gothik
im märkischen Back-
steinstil und das
Barock in Palast-
architektur zur Aus-
führung gelangen.
Schweigen aber alle
Rücksichten, so ist
die Renaissance so-
zusagen der natür-
liche Stil und zumal
der Stil, der von
allen in der Welt
dergestaltenreichste
und gestaltungs-
fähigste ist, der Stil
der Menschheit, der
sich aus den Ur-
formen der Kultur
entwickelt und jeden
nur denkbaren Bau-
gedanken einzu-
kleiden fähig ist.
Mit den tausend


Berlin. Zweite Handwerkerschule am Stralauer Platz.

zige Prunk. Hier
legt man Volks-
bibliotheken und
Lesehallen an, hier
werden die Turn-
hallen bereitwillig
geöffnet und zwar
das alles zu Nutz
und Frommen der
Volksbildung, die
nunmehr in den
Fortbildungsschulen
eine höhere Staffel
erklimmen soll. Die-
ser Gesichtspunkt
mochte es auch ge-
wesen sein, der den
Stadtbaurat be-
stimmte, in seinen
ersten Entwürfen die
Aula möglichst dem
Festsaal im Sinn der
Palastarchitektur an-
zunähern. Es wäre
sehr zu bedauern,
wenn hier Sparsam-
keitsrücksichten
geltend gemacht
und der festliche
Glanz herabgenüch-
tert würde, wie das
mehrfach verlangt
ist, denn die Aula
sollte nicht bloss
der einen Schule,
sondern dem ganzen
Stadtviertel dienen
für Vorträge, Auf-
führungen, Volks-
konzerte, welche
das Bildungsniveau
der Bevölkerung
heben und die Leute
aus den Schnaps-
kneipen an einen

Möglichkeiten der Renaissance rechnet Hoffmann in einer vir-
tuosen Weise und gerade je weniger Mittel zur Verfügung
stehen, um so mehr reizt es ihn, die stolze Renaissance-Schön-
heit in echt künstlerischer Weise zu meistern. Die glänzendsten
Leistungen des Stadtbaurats sind mit Fleiss in die trostlosen
Bezirke an den Grenzen des Weichbildes hineingesetzt. Die
Kirchen, die da hingebaut werden in einer billigen Lieblosigkeit,
sincUzum Teil noch trostloser als die Mietskasernen und Baracken,
die von den Ärmsten der Armen bewohnt werden. Hier an den
Wüsteneien der Kultur hat vornehmlich der städtische Schulbau

würdigen Ort der Erholung und Anregung hinlenken sollen. Die
eben einsetzende Bewegung wird mehr und mehr um sich greifen,
und mehr und mehr wird der städtische Volksschulbau dem idealen
Wohle der Allgemeinheit seine Pforten öffnen müssen und des-
halb mag die Forderung gerechtfertigt erscheinen, dass die Ge-
meinde den Schulbauten das höchstmögliche Mass von Kunst-
vollendung angedeihen lasse. In diesem Sinne ist bereits der
richtige Weg beschritten und hoffentlich lassen sich die Stadt-
väter durch keine Nörgeleien irre machen, das Begonnene auch
eben so schön zu vollenden. M. Rapsilber.
 
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