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DER BAUMEISTER * 1904, JUNI.
Badeanstalt und Lesezimmer in Kolonie Friedrichshof.
Weitgehenderen Ansprüchen an Raum und Ausstattung ent-
sprechen natürlich die Wohnhäuser, die für Beamte bestimmt
sind. Wir brachten auf Tafel 2 und 4 mehrere in Grundriss und
Aufbau reizvolle Typen, schon aus dem Grunde, weil sie manchen
Fachleuten als gutes Beispiel dienen können für die Lösung
kleinerer, freistehender Landhäuser ohne übertriebenen architek-
tonischen Aufputz, wie wir überhaupt bei der grossen Auswahl
aus dem reich und vornehm ausgestatteten Sammelwerke*),
das die Firma Krupp in ihrer gediegenen Weise, was Disposition
Statistik und Zeichnung angeht, im Selbstverlag herausgegeben
hat, vor allem Rücksicht auf solche Typen nahmen, die sich
leicht auf ähnliche Fälle der Praxis anwenden lassen, ohne dass
die eigentliche Arbeiterwohnhausfrage jedesmal zur Lösung steht.
Das Beamten-FIaus der Zeche Hannover, für eine Familie
bestimmt (siehe Tafel 2), weist im Erdgeschosse äusser Küche
und Nebenraum 3 zusammengehörige Zimmer und geschlossene
Veranda auf, während das erste Obergeschoss 3 Schlafzimmer
nebst richtig gelegenem Bad und das Dachgeschoss 2 Fremden-
zimmer, Mädchenkammer und Boden erhält, eine ebenso prak-
tische, wie wohnliche Anlage aus dem Jahre 1902. Aus dem-
selben Jahre stammt das Doppelwohnhaus (siehe Tafel 3)
für Familien kleinerer Beamten. Es enthält 2 Zimmer und Küche
im Erdgeschoss, 3 Zimmer und Bad im ersten Geschoss und
3 Zimmer im Dachgeschoss, also in Summa 8 Zimmer von
durchschnittlich 16—24 qm nebst Zubehör. Flur und Treppen-
haus haben direkte Beleuchtung und Lüftung.
Als drittes Beispiel endlich dieser Art ist das Doppel-
wohnhaus für 2 Familien von der Kolonie „Rheinhausen“, wohl
nebst den Pfründnerhäusern eines der reizvollsten Bauten der
letzten Jahre, in denen der hier gewählte Stil zum Teil ganz prächtige
Lösungen brachte. Die schlichte, überzeugende Art der ruhigen
grossen Putzflächen, im glücklichen Gegensatz dazu kleinere,
fein abgewogene architektonische Details, das einheitliche,
malerische und nicht ohne Mässigung gruppierte Dach, die
bunten belebenden Zuthaten an Fensterladen und Holzteile lassen
diese Bauart hervorragend geeignet erscheinen, kleineren und
mittelgrossen Bauten als architektonische, echt deutsche Sprache
zu dienen. Möge die Bauverwaltung vorläufig bei dieser aus-
drucksfähigen Bauweise beharren. Ungekünstelt und doch
raffiniert ist hier auf kleinstem Raume mit Fleiss und Geschick,
dem die Erfahrung sichtbar zur Seite steht, den Bedürfnissen
einer bürgerlichen Wohnung Rechnung getragen; prüfen wir darauf-
hin nur die eigentlichen Wohnräume mit Veranda und Erker und
die Schlafzimmer auf ihre gut heiz- und lüftbare Anordnung
oder die Küche mit ihrem gesonderten Zugänge von aussen,
ihrem Zusammenhang mit Keller, Hausthüre etc. — überall das
gewissenhafte Streben nach möglichster Vervollkommnung. An
der architektonischen Gestaltung, zumal der Vorderfront, darf
man seine ungetrübte Freude haben.
Gleichwertig mit diesem Bau sind die beiden Pfründnerhäuser
für 6 Witwen und 12 Witwer auf der Kolonie „Altenhof“, ein
treffliches Beispiel, wie die Firma Krupp die Gestaltung von
*) Wohlfahrtseinrichtungen der Gussstahlfabrik von Friedrich Krupp zu Essen a. d. Ruhr
3 Bände 3. Auflage 1902. Eigener Druck und Verlag.
Nutzbauten heute auffasst. Sie liegen am Waldessaum am Nordost-
ausgang der bereits genannten Invalidenkolonie „Altenhof“, die
bekanntlich ihre Entstehung einer Stiftung des Herrn F. A. Krupp
verdankt, welche dieser anlässlich der Enthüllung des von den
Werksangehörigen seinem Vater gesetzten Denkmals im Jahre
1892 errichtet hat und den invaliden Arbeitern lebenslänglich
freie Wohnung in Einzel- und Doppelhäusern inmitten von Gärtchen
mit 2 oder 3 Wohnungen (186 in Summa) zu 3 Räumen ge-
währt, ähnlich wie die Anlage in Alfredshof, jedoch mit weit mehr
malerischem Bebauungspläne wie jene, sodass die einzelnen
Häuser weit besser und interessanter zur Geltung kommen, ja
zum Teil sich zu entzückenden Gruppen ergänzen, wie sie
natürlich in grösserem Massstabe z. B. im Grünewald leider
vergeblich zu suchen sind. Wieder ein eklatanter Beweis für
die unendliche Wichtigkeit eines einheitlich künstlerisch aufge-
stellten Bebauungsplanes, ohne den selbst die prächtigen Archi-
tekturen einer Grunewaldkolonie nie und nimmer zur richtigen
Geltung gelangen können; mögen sich die Terraingesellschaften,
Baugenossenschaften und Verwaltungen doch dies gründlich
klar machen, aber sehr gründlich.
Schon der Besuch dieser niedlichen Kolonie lohnt einen Be-
such der Stadt Essen für Fachmann und Laien in gleicher Weise.
In den Pfründnerhäusern (Tafel 5 u. 6) finden Männer und Frauen
Aufnahme, welche bisher im Altenhof eine Familienwohnung inne-
Verkaufsstelle für Manufakturwaren in Kolonie Löwenberg.
hatten, aber einer solchen infolge Todes von Mann oder Frau nicht
mehr bedürfen. Das grössere für die Männer bestimmte Haus
bietet in zwei Stockwerken Platz für 12 Personen, von denen
jede ein Zimmer von ca. 18 qm für sich allein innehat; für
den gemeinschaftlichen Aufenthalt dient in jedem Stockwerk eine
geräumige, heizbare und äusserst behaglich eingerichtete Diele.
In dem kleineren für 6 Witwen bestimmten, ebenfalls zwei-
stöckigen Hause hat jede Insassin einZimmer nebst anschliessender
kleiner Küche, zwei Dielen, gleichfalls in Holzarchitektur, dienen
auch hier dem gemeinsamen Aufenthalte, während zwei geschützte
Veranden den jederzeitigen Aufenthalt in frischer Luft ermög-
lichen. (Schluss folgt.)
XXXI. Landhaus von Rob. E. Irwin in
Glenridge N. J., Nordamerika.
Architekt: H. van Buren Magonigle.
Hierzu Tafel 70—73.
Abbildung und Text siehe Seite 104 u. 105.
Alte Bauformen.
Supplementtafel 17 und 18.
Fassade und Details vom ehemaligen Kölnischen Rathaus in
Berlin, erbaut von Martin Grünberg 1710.
Abbildungen und erläuternder Text folgen.
Verlag Bruno Hessling G. m. b. H. in Berlin. Verantwortlicher Redakteur F. v. Biedermann in Steglitz. Druck von C. G. Röder in Leipzig. 20593. 04.
DER BAUMEISTER * 1904, JUNI.
Badeanstalt und Lesezimmer in Kolonie Friedrichshof.
Weitgehenderen Ansprüchen an Raum und Ausstattung ent-
sprechen natürlich die Wohnhäuser, die für Beamte bestimmt
sind. Wir brachten auf Tafel 2 und 4 mehrere in Grundriss und
Aufbau reizvolle Typen, schon aus dem Grunde, weil sie manchen
Fachleuten als gutes Beispiel dienen können für die Lösung
kleinerer, freistehender Landhäuser ohne übertriebenen architek-
tonischen Aufputz, wie wir überhaupt bei der grossen Auswahl
aus dem reich und vornehm ausgestatteten Sammelwerke*),
das die Firma Krupp in ihrer gediegenen Weise, was Disposition
Statistik und Zeichnung angeht, im Selbstverlag herausgegeben
hat, vor allem Rücksicht auf solche Typen nahmen, die sich
leicht auf ähnliche Fälle der Praxis anwenden lassen, ohne dass
die eigentliche Arbeiterwohnhausfrage jedesmal zur Lösung steht.
Das Beamten-FIaus der Zeche Hannover, für eine Familie
bestimmt (siehe Tafel 2), weist im Erdgeschosse äusser Küche
und Nebenraum 3 zusammengehörige Zimmer und geschlossene
Veranda auf, während das erste Obergeschoss 3 Schlafzimmer
nebst richtig gelegenem Bad und das Dachgeschoss 2 Fremden-
zimmer, Mädchenkammer und Boden erhält, eine ebenso prak-
tische, wie wohnliche Anlage aus dem Jahre 1902. Aus dem-
selben Jahre stammt das Doppelwohnhaus (siehe Tafel 3)
für Familien kleinerer Beamten. Es enthält 2 Zimmer und Küche
im Erdgeschoss, 3 Zimmer und Bad im ersten Geschoss und
3 Zimmer im Dachgeschoss, also in Summa 8 Zimmer von
durchschnittlich 16—24 qm nebst Zubehör. Flur und Treppen-
haus haben direkte Beleuchtung und Lüftung.
Als drittes Beispiel endlich dieser Art ist das Doppel-
wohnhaus für 2 Familien von der Kolonie „Rheinhausen“, wohl
nebst den Pfründnerhäusern eines der reizvollsten Bauten der
letzten Jahre, in denen der hier gewählte Stil zum Teil ganz prächtige
Lösungen brachte. Die schlichte, überzeugende Art der ruhigen
grossen Putzflächen, im glücklichen Gegensatz dazu kleinere,
fein abgewogene architektonische Details, das einheitliche,
malerische und nicht ohne Mässigung gruppierte Dach, die
bunten belebenden Zuthaten an Fensterladen und Holzteile lassen
diese Bauart hervorragend geeignet erscheinen, kleineren und
mittelgrossen Bauten als architektonische, echt deutsche Sprache
zu dienen. Möge die Bauverwaltung vorläufig bei dieser aus-
drucksfähigen Bauweise beharren. Ungekünstelt und doch
raffiniert ist hier auf kleinstem Raume mit Fleiss und Geschick,
dem die Erfahrung sichtbar zur Seite steht, den Bedürfnissen
einer bürgerlichen Wohnung Rechnung getragen; prüfen wir darauf-
hin nur die eigentlichen Wohnräume mit Veranda und Erker und
die Schlafzimmer auf ihre gut heiz- und lüftbare Anordnung
oder die Küche mit ihrem gesonderten Zugänge von aussen,
ihrem Zusammenhang mit Keller, Hausthüre etc. — überall das
gewissenhafte Streben nach möglichster Vervollkommnung. An
der architektonischen Gestaltung, zumal der Vorderfront, darf
man seine ungetrübte Freude haben.
Gleichwertig mit diesem Bau sind die beiden Pfründnerhäuser
für 6 Witwen und 12 Witwer auf der Kolonie „Altenhof“, ein
treffliches Beispiel, wie die Firma Krupp die Gestaltung von
*) Wohlfahrtseinrichtungen der Gussstahlfabrik von Friedrich Krupp zu Essen a. d. Ruhr
3 Bände 3. Auflage 1902. Eigener Druck und Verlag.
Nutzbauten heute auffasst. Sie liegen am Waldessaum am Nordost-
ausgang der bereits genannten Invalidenkolonie „Altenhof“, die
bekanntlich ihre Entstehung einer Stiftung des Herrn F. A. Krupp
verdankt, welche dieser anlässlich der Enthüllung des von den
Werksangehörigen seinem Vater gesetzten Denkmals im Jahre
1892 errichtet hat und den invaliden Arbeitern lebenslänglich
freie Wohnung in Einzel- und Doppelhäusern inmitten von Gärtchen
mit 2 oder 3 Wohnungen (186 in Summa) zu 3 Räumen ge-
währt, ähnlich wie die Anlage in Alfredshof, jedoch mit weit mehr
malerischem Bebauungspläne wie jene, sodass die einzelnen
Häuser weit besser und interessanter zur Geltung kommen, ja
zum Teil sich zu entzückenden Gruppen ergänzen, wie sie
natürlich in grösserem Massstabe z. B. im Grünewald leider
vergeblich zu suchen sind. Wieder ein eklatanter Beweis für
die unendliche Wichtigkeit eines einheitlich künstlerisch aufge-
stellten Bebauungsplanes, ohne den selbst die prächtigen Archi-
tekturen einer Grunewaldkolonie nie und nimmer zur richtigen
Geltung gelangen können; mögen sich die Terraingesellschaften,
Baugenossenschaften und Verwaltungen doch dies gründlich
klar machen, aber sehr gründlich.
Schon der Besuch dieser niedlichen Kolonie lohnt einen Be-
such der Stadt Essen für Fachmann und Laien in gleicher Weise.
In den Pfründnerhäusern (Tafel 5 u. 6) finden Männer und Frauen
Aufnahme, welche bisher im Altenhof eine Familienwohnung inne-
Verkaufsstelle für Manufakturwaren in Kolonie Löwenberg.
hatten, aber einer solchen infolge Todes von Mann oder Frau nicht
mehr bedürfen. Das grössere für die Männer bestimmte Haus
bietet in zwei Stockwerken Platz für 12 Personen, von denen
jede ein Zimmer von ca. 18 qm für sich allein innehat; für
den gemeinschaftlichen Aufenthalt dient in jedem Stockwerk eine
geräumige, heizbare und äusserst behaglich eingerichtete Diele.
In dem kleineren für 6 Witwen bestimmten, ebenfalls zwei-
stöckigen Hause hat jede Insassin einZimmer nebst anschliessender
kleiner Küche, zwei Dielen, gleichfalls in Holzarchitektur, dienen
auch hier dem gemeinsamen Aufenthalte, während zwei geschützte
Veranden den jederzeitigen Aufenthalt in frischer Luft ermög-
lichen. (Schluss folgt.)
XXXI. Landhaus von Rob. E. Irwin in
Glenridge N. J., Nordamerika.
Architekt: H. van Buren Magonigle.
Hierzu Tafel 70—73.
Abbildung und Text siehe Seite 104 u. 105.
Alte Bauformen.
Supplementtafel 17 und 18.
Fassade und Details vom ehemaligen Kölnischen Rathaus in
Berlin, erbaut von Martin Grünberg 1710.
Abbildungen und erläuternder Text folgen.
Verlag Bruno Hessling G. m. b. H. in Berlin. Verantwortlicher Redakteur F. v. Biedermann in Steglitz. Druck von C. G. Röder in Leipzig. 20593. 04.