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Bernoulli, Johann Jacob
Griechische Ikonographie mit Ausschluss Alexanders und der Diadochen (Band 1): Die Bildnisse berühmter Griechen von der Vorzeit bis an das Ende des V. Jahrh. v. Chr. — München, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.1043#0054
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EPIMENIDES 35

Epimenides

[Taf. VI]

Epimenides von Kreta, der Zeitgenosse des Solon, berühmt als
Seher und bester Kenner des priesterlichen Rituals für Reinigungen,
und ebendeshalb nach Athen berufen, um die Blutschuld gegen die
Kyloneerzu sühnen (c. 596). Die Athener ehrten sein Andenken durch
eine Statue in sitzender Stellung vor dem Tempel des Triptolemos1;
falls nicht, wie Einige glauben, hier eher der eleusinische Heros
Buzyges gemeint ist, dessen ursprünglicher Name Epimenides ge-
wesen sein soll.2

Mit Bezug auf die Sage, dass er 40 oder 57 Jahre in einer Höhle
geschlafen habe5, vermutete Visconti ein Bildnis des Epimenides in
einer mit geschlossenen Augen dargestellten Herme des Vaticans,
Musensaal No. 512 [abgeb. Taf. VI] *, von der seitdem noch folgende
in den Formen etwas abweichende Wiederholungen zum Vorschein
gekommen sind:

Herme im Mus. Torlonia No. 163 (als Homer abgeb. Mon.
Tori. Taf. 41), ziemlich stark ergänzt, aber das Hermenstück antik.

Herme in München, 1892 von Arndt in Rom erworben und
der Glyptothek geschenkt, jetzt No. 150 (abgeb. nach einem Gips-
abguss Arndt-Bruckm. Portr. 423, 424).

Ob auch die Herme im Capitol, Phil. Zimmer No. 47 (abgeb.
Bottari I, 7), dazu gerechnet werden darf, ist zweifelhaft. Neuere Ge-
lehrte nehmen sie wohl mit Recht als ein durch Ergänzung entstelltes
Exemplar des jetzt auf den alten Sophokles bezogenen Typus (s. d.)

Das Bildnis stellt einen ehrwürdigen Greis dar von priester-
lichem Charakter mit langem, gescheiteltem Stirnhaar, das an den
Seiten über die schmale Tänie gesteckt ist, und mit schlichtem in
einer einzigen Masse herabfallendem Bart. Ausser den zum Schlaf
geschlossenen Augen, meint Visconti, sei auch das lange Haar für
Epimenides bezeichnend, da berichtet werde, er habe durch Wachsen-

1 Paus. I. 14. 4.

2 Vgl. Bötticher Suppl. des Philol. III. 320; Löschke Dorpater Progr. 1883.
p.26.

3 Paus. a. a. O.; Diog. Laert. I. X. 109.

4 Pio Clem. VI. 21; Pistolesi V. 92.1; Jahrb. d. Inst. V (1890). p. 163 u. XI. (1896)
P-169; Arndt Portr. 421, 422.
 
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