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Bernoulli, Johann Jacob
Griechische Ikonographie mit Ausschluss Alexanders und der Diadochen (Band 1): Die Bildnisse berühmter Griechen von der Vorzeit bis an das Ende des V. Jahrh. v. Chr. — München, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.1043#0135
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116 PHIDIAS

Phidias

Abgesehen von einer kopflosen Herme im Vatican, mit der
Aufschrift O0IAIAC (sie), welche 1774 unterhalb Tivoli gefunden
wurde, jetzt im Musensaal des Vaticans No. 5261, hat der grosse
athenische Künstler einstweilen seinen Platz in der Ikonographie bloss
wegen seines angeblichen Selbstbildnisses auf dem Schild der Par-
thenos. Nach einer dem späteren Altertum geläufigen Überlieferung2
hatte er sich und seinen Freund Perikles im Amazonenkampf darauf
dargestellt, sich selbst in der Gestalt eines kahlköpfigen Greises, der
mit beiden Händen einen Stein in die Höhe hebt, um ihn auf die Gegner
zu schleudern.3 Gerade eine solche Gestalt, nackt, mit flatternder
Chlämys, findet sich sowohl auf dem Schild der Lenormant'schen
Statuette in Athen, als auf dem Strangford'schen Fragment im
brit. Museum [Abb. 22]4, welche beide mit zweifelloser Sicherheit
auf die Parthenos bezogen werden. Nur ist auf dem Strang-
ford'schen Schilde an die Stelle des Steines das beliebtere Motiv
der Streitaxt getreten.5 Auf diesem letzteren Denkmal, wo allein
von einer porträtartigen Bildung gesprochen werden kann, hat die
betreffende Figur nun wirklich einen entschiedenen Greisenkopf
mit kahlem Scheitel; die Stirn ist niedrig und gewölbt, Mund und
Kinn sind von einem kurzen Bart umgeben. Allein die Über-
lieferung von diesen Porträts, und von allem, was damit zusammen-
hängt, ist weit entfernt, auf unbedingte Glaubwürdigkeit Anspruch
machen zu dürfen. Sie ist im Gegenteil mit so vielen Wider-
sprüchen und offenbaren Fabeleien versetzt und hat an sich so wenig
innere Wahrscheinlichkeit, dass man sich fragen muss, ob überhaupt
etwas Wahres daran sei. Furtwängler leugnet es.6 Er nimmt schon an
dem Alter des angeblichen Phidias Anstoss, indem der Künstler zur.
Zeit, da er die Parthenos schuf, noch kein kahlköpfiger Greis gewesen
sein konnte. Und was für ein Licht werfe auf das Ganze derWider-

1 Kaibel No. 1220; Löwy No. 548.

2 S. die Stellen bei Michaelis Parthenon p. 268. 26. 3 Plut. Pericl. 31.

4 Arch.Ztg. 1865. Tf. 196; Michaelis Parthenon Tf. 15; Collignon Hist. de la sculpt.
gr. I. p. 540 und 545.

5 Die Figur auf dem Fragment des Conservatorenpalastes (abgeb. Schreiber
Die Athena Parth. in d. Abh. der sächsischen Akademie 1883. Tf. III. E 1—3) geht
nach Furtwängler auf eine andere Gestalt des Originals zurück.

6 Meisterw. p. 75.
 
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