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Bernoulli, Johann Jacob
Griechische Ikonographie mit Ausschluss Alexanders und der Diadochen (Band 1): Die Bildnisse berühmter Griechen von der Vorzeit bis an das Ende des V. Jahrh. v. Chr. — München, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.1043#0167
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148 SOPHOKLES. EURIPIDES

allein eine Anomalie und würde mit den acht lebensgrossen noch
erhaltenen Exemplaren die Bedeutung des Mannes bei der Nach-
welt auffallend schwach repräsentieren.

Der Vollständigkeit wegen erwähnen wir schliesslich, dass der
Name des Sophokles auch einem der Skelette auf den Silberbechern
von Boscoreale im Louvre beigeschrieben ist. Seine Figur ist mit
der des Moschion zusammengestellt, die Rechte auf einen langen,
scepterartigen Stab gestützt. «Den Schädel dieses Sophokles", be-
merkt Michaelis1, «mit demjenigen zu vergleichen, der kürzlich für
den Dichter in Anspruch genommen ward, wird man Anthropologen
überlassen dürfen." Ich denke, auch die Anthropologen könnten sich
der Mühe entheben, da der eine Vergleichungspunkt vollkommen
apokryph und bei dem andern gewiss keine individuelle Bildung er-
strebt oder auch nur möglich war.

Euripides2

[Taf. XVII]

Euripides (480—406) soll auf Salamis geboren sein und nicht
aus vornehmem Geschlecht wie seine älteren Zeitgenossen Sophokles
und Aeschylos; die Komiker nennen seine Mutter ein Hökerweib. In
seiner Jugend zur Athletik neigend, wurde er bald durch Prodikos
und Anaxagoras zu philosophischer Spekulation angeregt. Mit fünf-
undzwanzig Jahren betrat er die Laufbahn des Bühnendichters. Er
lebte zurückgezogen von der Öffentlichkeit, nur durch seine Dich-
tungen, aber in diesen mit freimütiger Kühnheit, auf seine Zeit wir-
kend, eine skeptisch und rationalistisch angelegte Natur und ein Ver-
ächter des alten Götterglaubens wieSokrates. Durch die Schmähungen
seiner Gegner und Neider und durch häusliches Missgeschick ver-
bittert, brachte er seine letzten Jahre am Hofe zu Pella in Makedonien
zu und starb in Arethusa bei Amphipolis, vierundsiebzigjährig.

1 Michaelis Der Silberschatz von Boscoreale p. 41.

8 Litteratur: Visconti Icon. gr. I. p. 98ff.; O. Krüger Arch. Ztg. 1870. p. 2 und

1881. p. 6; Welcker A. D. I. 1849. p. 485.
 
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