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Bernoulli, Johann Jacob
Griechische Ikonographie mit Ausschluss Alexanders und der Diadochen (Band 1): Die Bildnisse berühmter Griechen von der Vorzeit bis an das Ende des V. Jahrh. v. Chr. — München, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.1043#0154
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DER ARUNDEL'SCHE BRONZEKOPF 135

Homer gegolten, von Ch. Lenormant1 auf den greisen Sophokles ge-
deutet worden, was auch Welcker billigte.2 Aber beide wurden hier-
bei ausschliesslich durch die vermeintliche Ähnlichkeit mit dem vis-
contischen, resp. dem demnächst zu besprechenden lateranischen
Sophokles geleitet; denn der Typus der Oartenherme war damals
noch unbekannt. Man begreift schwer, wie man auf dieser Basis zu
der Deutung Sophokles gelangte, da doch kein einziger charakte-
ristischer Zug genannt werden kann, der beiden gemeinsam wäre.8
Ich kann mir die Sache nur dadurch erklären, dass Lenormant sowohl
als Welcker einerseits dem hohen Greisenalter, andererseits der Tänie,
mit der auch der Arundel'sche Kopf geschmückt ist, eine allzu spe-
zifisch sophokleische Bedeutung zuschrieben, und dass Welcker sich
durch Zwischenglieder wie die unbeschriebene Herme des Musen-
saals (3), die er ebenfalls zu den Repliken des lateranischen Typus
rechnete, täuschen Hess. Jetzt, nachdem noch eine andere Serie von
Sophoklesbildnissen in den Gesichtskreis getreten, scheint freilich der
Lenormant'schen Deutung nicht alle Berechtigung abgesprochen
werden zu dürfen. Der Arundel'sche Kopf kann in der That für eine
ins hohe Greisenalter umgesetzte Darstellung'des Neapler (1) oder des
Londoner (9) Sophokles oder des in der Galle'schen Abbildung ge-
gebenen Medaillonbildes (a) genommen werden. Die Proportionen
und Formen stimmen im Allgemeinen überein. Nur ist eben die Stirn
tiefer durchfurcht, die Brauen sind zerrissener, die Wangenhaut
schlaffer, überall die Merkzeichen des Alters schärfer hervorgehoben.
Nicht durch den Altersunterschied motiviert erscheint bloss der
schlichtere, kürzere Bart und das in gekrümmte Büschel aufgelöste
Nackenhaar, Abweichungen, die vielleicht mit der Bronzetechnik zu-
sammenhängen. Der Stil ist allerdings ganz verschieden und weist
auf eine spätere Entstehung. Es ist ein Meisterwerk jener im helle-
nistischen Zeitalter aufkommenden realistischen Richtung, zu deren
bekanntesten Beispielen der sog. Senecakopf gehört. Wenn daher
die Verwandtschaft mit unserem Typus wirklich auf Personen-
gleichheit gedeutet werden darf, was ich nicht für unmöglich halte,
so hätten wir es mit einem im Geschmack des Hellenismus um-

1 In den Annal. 1841. p. 309ff.

2 A. D. I. p. 480f., ohne später wieder schwankend zu werden, wie ich (im Jahrb.
XI. p. 172) irrtümlich aus einer nachträglichen Bemerkung Welckers (A. D. V.
97) schloss.

3 Vgl. Jahrb. XI. p. 172.
 
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