36 EPIMENIDES
lassen desselben sein Aussehen geändert.1 Indes nahm er das Bild-
nis nicht in seine griechische Ikonographie auf, womit wohl gesagt
ist, dass er später selber die Deutung für problematisch ansah.
Das Ungenügende seiner Erklärung hat dann Andere veranlasst,
die geschlossenen Augen statt für den Ausdruck des Schlafes für den
der Blindheit zu nehmen, und in der Herme einen besonderen Typus
des Homer zu erkennen, wie schon früher Winckelmann2 an den
blinden Seher Tiresias gedacht hatte. Aber das scheint der einfachen
und natürlichen Symbolik der griechischen Kunst noch mehr zu
widersprechen und dürfte trotz der kategorischen Vertretung durch
Winter8 sich nicht als Dogma behaupten (s. oben p. 19 f.).
So lange man daher nichts Plausibleres vorschlagen kann, geht
der interessante Typus am besten unter dem Namen Epimenides
weiter. Arndt steht sogar neuerdings mit voller Überzeugung wieder
dafür ein, und verweist, wie schon Brunn,4 auf die poesievolle Schil-
derung des Schlafes und seiner klärenden Wirkung bei E. Braun,5
wonach derselbe nicht bloss historisch, sondern auch ethisch den
Seher charakterisiere.
Was die einzelnen Repliken betrifft, so steht die vaticanische,
obgleich sie nicht mehr ihre ursprüngliche Schärfe hat (Winter), nach
Form und Ausführung jedenfalls obenan, und wird als die dem Ori-
ginal treueste angesehen werden müssen. Sie hat eckig ansetzende,
gebrochene Brauen, eine niedrige Stirn und einen spitzzulaufenden
Bart. Der Münchener Kopf mit den rundgewölbten Brauen, den
eiförmigen, gar nicht ausgearbeiteten Augen und dem rund ab-
schliessenden Bart, und mehr oder weniger auch das ihm nahe-
stehende torionische Exemplar scheinen nur wie aus der Erinnerung
nach jenem gemacht. Zeitlich wird der Kopf ans Ende des 5. oder in
die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts gesetzt werden müssen. Winter
denkt wegen der stilistischen Verwandtschaft mit dem Platobildnis.
an Silanion.0
1 Ka&c'oEt xJjc /.cifirjc to I180; rcapa^Xatjaiov. Diog. a. a. O.
- Winde. Mon. ined. p. 211. 3 Jahrb. des Inst. V. (1890) p. 164.
1 Münchener Sitzungsber. 1892, p. 670. 5 Ruinen it. Mus. Roms p. 397f.
0 „Der Homer des Silanion (eben unser Epimenides) sieht nicht sehr viel anders
aus als ein Piaton mit zugedrückten Augen." Jahrb. des Inst. a. a. O. p. 166. vgl.
p. 163.
lassen desselben sein Aussehen geändert.1 Indes nahm er das Bild-
nis nicht in seine griechische Ikonographie auf, womit wohl gesagt
ist, dass er später selber die Deutung für problematisch ansah.
Das Ungenügende seiner Erklärung hat dann Andere veranlasst,
die geschlossenen Augen statt für den Ausdruck des Schlafes für den
der Blindheit zu nehmen, und in der Herme einen besonderen Typus
des Homer zu erkennen, wie schon früher Winckelmann2 an den
blinden Seher Tiresias gedacht hatte. Aber das scheint der einfachen
und natürlichen Symbolik der griechischen Kunst noch mehr zu
widersprechen und dürfte trotz der kategorischen Vertretung durch
Winter8 sich nicht als Dogma behaupten (s. oben p. 19 f.).
So lange man daher nichts Plausibleres vorschlagen kann, geht
der interessante Typus am besten unter dem Namen Epimenides
weiter. Arndt steht sogar neuerdings mit voller Überzeugung wieder
dafür ein, und verweist, wie schon Brunn,4 auf die poesievolle Schil-
derung des Schlafes und seiner klärenden Wirkung bei E. Braun,5
wonach derselbe nicht bloss historisch, sondern auch ethisch den
Seher charakterisiere.
Was die einzelnen Repliken betrifft, so steht die vaticanische,
obgleich sie nicht mehr ihre ursprüngliche Schärfe hat (Winter), nach
Form und Ausführung jedenfalls obenan, und wird als die dem Ori-
ginal treueste angesehen werden müssen. Sie hat eckig ansetzende,
gebrochene Brauen, eine niedrige Stirn und einen spitzzulaufenden
Bart. Der Münchener Kopf mit den rundgewölbten Brauen, den
eiförmigen, gar nicht ausgearbeiteten Augen und dem rund ab-
schliessenden Bart, und mehr oder weniger auch das ihm nahe-
stehende torionische Exemplar scheinen nur wie aus der Erinnerung
nach jenem gemacht. Zeitlich wird der Kopf ans Ende des 5. oder in
die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts gesetzt werden müssen. Winter
denkt wegen der stilistischen Verwandtschaft mit dem Platobildnis.
an Silanion.0
1 Ka&c'oEt xJjc /.cifirjc to I180; rcapa^Xatjaiov. Diog. a. a. O.
- Winde. Mon. ined. p. 211. 3 Jahrb. des Inst. V. (1890) p. 164.
1 Münchener Sitzungsber. 1892, p. 670. 5 Ruinen it. Mus. Roms p. 397f.
0 „Der Homer des Silanion (eben unser Epimenides) sieht nicht sehr viel anders
aus als ein Piaton mit zugedrückten Augen." Jahrb. des Inst. a. a. O. p. 166. vgl.
p. 163.