Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


Die Hand der Remesis.
Roman
von
ßwald August König.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
„Er gilt speziell einem Gaste, der gestern Abend hier
eingekehrt ist," lautete die Antwort. „Beruhigen Sie
sich, wir werden die Angelegenheit so geräuschlos wie
möglich ordnen, und wenn Sie für alle Fälle einen
Wagen bereit halten wollen, so wird vielleicht von Ihren
übrigen Gasten nicht Einer erfahren, daß eine Verhaftung
stattgefunden hat."
„Und welchen Gast betrifft es?"
„Einen Herrn Ferdinand Halm."
„Den Amerikaner!" sagte der Oberkellner, als Ant-
wort auf den fragenden Blick seines Herrn. „Zimmer
Nummer neununddreißig."
„Befindet sich der Herr in seinem
Zimmer?" fragte der Staatsanwalt.
„Er ist vor einer halben Stunde hin-
aufgegangen."
„Haben Sie vielleicht etwas Ver-
dächtiges an ihm bemerkt? Hat er
Besuch empfangen oder Briefe abge-
schickt ?"
„Er ist heute Morgen ausgegangen
und bald nach zwölf Uhr zurückge-
kehrt," erwiederte der Oberkellner. ,;Bei
seiner Rückkehr kam er in's Bureau, um
verschiedene Fragen an mich zu richten,
und ich glaubte zu bemerken, daß er sehr
aufgeregt war."
„Worauf bezogen sich die Fragen?"
„Auf die Generalin v. Stuckmann und
doren Familie."
"Der Staatsanwalt warf seinem Kolle-
gen einen bedeutsamen Blick zu.
Er wandte sich um, der Sekretär-
staud mit einem mächtigen Aktenbündel
unter dem Arm hinter ihm.
- „Wo ist die Büchse?" fragte er leise.
„Ich habe sie einstweilen in das Zim-
mer des Portiers gebracht —"
„Und wissen Sie mit Sicherheit, daß
sie dort gut aufgehoben ist?"
„Ein Polizeisergeant bewacht sie, er
hat strengen Befehl, sie nicht aus den
Händen zu geben."
„Dann ist es gut; folgen Sie uns."
Der Oberkellner ging vorauf, um den
Herren das Zimmer des Amerikaners zu z
zeigen, und als er jetzt die Thüre öff-
nete, stutzte Siegfried unwillkürlich, sein
Blick fiel auf denselben Mann, dessen
Anblick dein Gutsbesitzer Rabe so großes
Entsetzen eingeflößt hatte.
So kurz auch der Moment dieses Ent-
setzens gewesen war, Siegfried hatte es
bemerkt und er erinnerte sich jetzt daran, WUhrlm ui.

und diese .Erinnerung machte ihn geneigt, den Be-
hauptungen des Staatsanwalts beizupflichten und. an die
Schuld dieses Mannes zu glauben.
Ferdinand Halm ging den Eintretenden mit scheinbar
unbefangener Ruhe entgegen, nur als er den Aktenstoß
bemerkte, wurde sein Blick unsicher.
„Herr Ferdinand Halm?" fragte der Staatsanwalt,
der jetzt den kurzen, scharf abgemessenen Ton eines In-
quirenten anschlug.
„So ist mein Name," erwiederte der Amerikaner,
„mit wem habe ich die Ehre?"
„Untersuchungsrichter und Staatsanwalt!"
Der hagere Mann mit dem wetterharten Gesicht sah
die beiden Herren betroffen au, dann schweifte sein Blick
hinüber zu dem Aktuar, der den Aktenstoß auf den Tisch
gelegt und vor demselben Platz genommen hatte.
„Ich kenne zwar den Zweck dieses unerwarteten Be-
suches noch nicht," sagte er, „aber ich glaube die Herren

> .ft
König drr Niederlande. Nach einer Photographie gezeichnet von C.

darauf aufmerksam machen zu müssen, baß nq ameri-
kanischer Bürger bin."
„Wollen Sie damit einen Protest aussprcchen?"
fragte Siegfried.
„Ich kann diese Frage erst dann beantworten, wenn
ich den Zweck Ihres Besuches erfahren habe."
„Es handelt sich um eine Zeugenaussage," erwiederte
Siegfried, „die vor vielen Jähren schon von Ihnen ge-
fordert worden wäre, Wenn Sie nicht kurz vorher die
Heimath verlassen hätten. Sie heißen Ferdinand Halm,
nicht wahr?"
„Jawohl."
„Ihr Alter?"
„Neunundvierzig Jahre."
„Sie wohnten vor zwanzig Jahren hier in der Nähe
des Schlosses der Generalin v. Stuckmann. Damals
waren Sie Tagelöhner und heute?"
„Heute besitze ich so viel, daß ich von den Zinsen
meines Vermögens anständig leben kann,"
erwiederte der Amerikaner mit ehrlichem
Stolz. „Ich habe mir das Alles durch
meiner Hände Arbeit erworben, und eS
ist kein Dollar dabei, der nicht redlich ver-
dient wäre."
„Sie waren damals nicht in diesen
Verhältnissen, und Sie konnten auch nicht
mit Sicherheit voraussehen, daß Sie drü-
ben auf einen grünen Zweig kommen
würden, die Fälle, in denen dies dein
völlig unbemittelten Auswanderer gelingt,
sind sehr selten. Was veranlaßte Sie
zur Auswanderung?"
Der Amerikaner schlug vor den: for-
schenden Blicke Siegfrieds die Augen
nieder.
„Meine Armuth," erwiederte er.
„Sie hatten genügende Beschäftigung,
der Verwalter des Gutes sorgte dafür,
und Sie konnten nicht wissen, ob Sie
drüben etwas Besseres finden würden."
Ferdinand Halm zuckte geringschätzend
die Achseln.
„So lange man jung ist, glaubt
man gerne, was man hofft," sagte er,
„und meine Frau war in dieser Be-
ziehung noch muthiger als ich. Wir
haben's gewagt, mein armes Weib ist
leider den Strapazen erlegen, und dies
ist der einzige Vorwurf, den ich mir
mache, so oft ich darüber nachdenke, wie
es Wohl sein könnte, wenn ich nicht aus-
gewandert wäre."
„Und wer gab Ihnen derzeit die
Mittel, die Sie zur Bestreitung der
Reisekosten bedurften?" fragte Siegfried.
„Wir hatten uns etwas erspart."
„Wie groß waren diese Ersparnisse?"
„So genau weiß ich das jetzt nicht
mehr, es mögen Wohl fünfzig Thäler
gewesen sein."
(<-. 3i.) „Und damit Wollen Sie die Kosten
 
Annotationen