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Die Hand der Nemesis.
R o m a n
von
Ewald Angnst König.
lFortsctzung.)
(Nachdruck verboten.)
Die Lossows Waren ein altes Geschlecht, sie hausten
schon seit undenklicher Zeit auf dem benachbarten Ritter-
gute und hatten stets mit den Stnckmanns gute Nach-
barschaft gehalten.
Ella's Vater, der Freiherr Kurt v. Lossow, war der
Letzte seines Stammes, mit ihm drohte der Name ans-
zusterben. Ella war sein einziges
Kind, und nach dem Tode feiner
Gattin hatte er sich zu einer zweiten
Ehe nicht entschließen können. Wie
der Oberst v. Stuckmann, mit dein
er eng befreundet war, hielt auch
er an allen Vorurtheilen seines
Standes mit zähem Eigensinn fest,
auch für ihn fing der Mensch erst
beim Baron an, und mit verachten-
der Geringschätzung sah er auf Alle
hinunter, in deren Ädern kein „blaues
Blut" floß.
Als der General v. Stuckmann
die Tochter des Advokaten in fein
Stammschloß heimführtc, zog Herr
von Lossow sich mehr und mehr
von dein Freunde zurück, ohne indeß
den Umgang mit ihm ganz abzu-
brechen. Ein völliger Bruch hätte
zu sehr seine eigenen Interessen ge-
schädigt, Kurt v. Lossow, der eifrige
Nimrod, wollte nicht gerne auf das
ihm eingeräumte Recht verzichten,
sein Jagdgebiet auf die Güter des
Nachbars ausdehnen zu dürfen.
Nach dem Tode des Freundes hatte
er der Wittwe einen ceremvniellen
Beileidsbesuch abgestattet, und Willi-
bald Rabe war bei dieser Gelegen-
heit so klug gewesen, den Rath des
Freiherrn in Bezug auf die öko-
nomische und finanzielle Verwaltung
der Güter in Anspruch zu nehmen.
Nun war es eine schwache Seite
des Freiherrn, daß es seiner Eigen-
liebe schmeichelte, wenn man seinen
Rath forderte und befolgte, und
Rabe hatte es auf diesem Wege
fertig gebracht, sich seine Achtung,
ja in gewissem Grade seine Gunst
zu erwerben. Und später, als Ara-
bella heranwuchs, fand sie in der
uni sieben Jahre älteren Ella v. Los-
sow eine Gespielin, und trotz des
Unterschieds im Alter, in den Ge-
sinnungen und Anschauungen blieben
die Beiden gute Freundinnen, wenn

auch mitunter eine etwas allzu schroffe Meinungsver-
schiedenheit eine längere Verstimmung zur Folge hatte,
oder gar den Bruch herbeizuführen drohte.
Ella v. Lossow beneidete Arabella um ihre Jugend
und ihre Schönheit; hatte der Kammerdiener Joseph sie
in arroganter Unverschämtheit „Hopfenstange" genannt,
so lag,' man konnte das nicht leugnen, dieser Vergleich
nahe, die hochaufgeschossene hagere Figur mit den scharfen,
eckigen Formen forderte ihn heraus. In ihren scharf
geschnittenen Zügen, ihrem Blick und ihrem ganzen Wesen
lag eine Unzufriedenheit und Verbissenheit des Gemüths,
die nur ans herben Erfahrungen entsprungen sein konnte.
Weshalb auch war Ella v. Lossow im Frühling ihres

Lebens so wühlerisch gewesen, weshalb hatte sie alle
Werber zurückgewiesen und selbst an dem Besten etwas
auszusetzen gefunden? Sie war von ihrem erfahrenen
Vater oft genug gewarnt worden, nnd wenn ihr jetzt
das trostlose Loos blühte, allein durch das Leben wan-
dern zu müssen, so konnte sie das eben nur als eine
unausbleibliche Folge ihres Uebermuths betrachten, und
die Erkenntnis;, daß sie selbst das verschuldet habe, trug
nur dazu bei, die innere Unzufriedenheit zu vermehren.
Fräulein v. Lossow begegnete auf der letzten Treppen-
stufe dem Bruder der Generalin, mit einer leichten, fast
vertraulichen Verbeugung nahm sie den Arm, den Rabe
ihr bot, an, nnd es schien sie keineswegs zu befremden,
daß der Gutsbesitzer sie nicht in das
Boudoir Arabella's, sondern in sein
eigenes Kabinct führte.
„Ich bitte nm Verzeihung, daß
ich es wage, Ihre so außerordentlich
liebenswürdige Gesellschaft für mich
'allein in Anspruch zu nehmen,"
sagte er, nachdem er seine Dame
zum Divan geführt hatte, „ich thne
es selbst auf die Gefahr hin, daß
Sie mir zürnen."
Eine leichte Rothe überzog das
Antlitz Ellclls, nnd in dem lebhaften
Blick ihrer blitzenden Augen spiegelte
sich ahnungsvolle Erwartung.
„Ihr Herr Papa ist mit dem
Oberst v. Stuckmann befreundet,"
fuhr Rabe fort, „und auch Sie,
Fräulein Ella, werden wissen, daß
zwischen uns üud dem Oberst alle
Beziehungen seit dem Hochzeitstage
meiner Schwester abgebrochen sind.
Sie werden ferner wissen, daß der
Oberst ein eigensinniger Trotzkopf ist,
der niemals in die Verbindung seines
Sohnes mit der Tochter meiner
Schwester einwilligen wird."
Der „Gutsbesitzer", wie er mm
einmal genannt wurde, konnte nut
der Wirkung seiner Worte zufrieden
seins in den dunklen Augen Ella's
blitzte eS aus wie Wetterleuchten,
und der harte, scharfe Zug nm die
Mundwinkel ließ nur zu deutlich
den gewaltsam verhaltenen Groll
erkennen.
„Nimmermehr, Herr Rabe!" er-
widerte sic mit scharfer schneidender
Stimme. „Ich kenne die Ansichten
des Obersten über diesen Punkt zu
genau und kann deshalb auch nicht
glauben, daß der Herr Assessor
v. Stuckmann es wagen würde, diesen
Ansichten zu trotzen. Ich muß also
annehmen, daß Sie nur eiue Ver-
muthung ausgesprochen haben, diese
Vermnthung aber ist, wie die Dinge ge-
genwärtig liegen, völlig unbegründet."

Kapitän M. Wkbb. (S. 7S.)
 
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