seinen Kenntnissen durfte er mit Zuversicht
kleine
leisem
wegen
Ferdinand Hiller. Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 103.)
In fieberhafter Aufregung betrat sie ihr Wohnzimmer,
und als ihr Blick auf das Brautpaar fiel, welches Hand
in Hand auf dem Sopha hinter dem runden Tische saß,
athmetc sie tief auf, als ob sie eine schwere Last von der
Seele Walzen wolle.
Es war gerade kein schönes Paar, aber es lag in den
Zügen Beider eine natürliche Jugendfrische und Offen-
heit, die einen angenehmen und gewinnenden Eindruck
machte.
Werner Kaltenborn und Apollonia Siebel wanru
schon in ihrer Kindheit Gespielen gewesen, und das da-
mals geschlungene Band hatte mit jedem Jahre sich fester
geschürzt, bis endlich das entscheidende Wort gesprochen
und dieses Band zu einem Knoten für Zeit und Ewig-
keit geschlungen wurde.
Werner war Sekretär in: Bureau des Polizei-Prä-
sidenten. Hatte er auch jetzt noch keine bedeutende Ein-
nahme, so reichte sie doch bei bescheidenen Ansprüchen
hin, eine kleine Familie zu ernähren, und bei seinem
Fleiß und
auf eine Erhöhung seines "Gehalts binnen kurzer Zeit
rechnen.
Die Erregung der Mutter konnte den Beiden nicht
entgehen; voll Besorgnis; blickte Apollonia die
Frau an.
„Du warst wieder unten?" fragte sie mit
Vorwurf.
„Ich mußte ihm einmal die Wahrheit sagen
seiner Rattenwirthschaft," erwiederte Frau Siebel ent-
rüstet; „außer mir hat ja im ganzen Hanse Niemand
den Muth dazu. Er ist ein Grobian, wie er im
Buche steht, sogar über die Polizei spottet er."
„Dazu hat er keine Ursache," versetzte Werner ver-
weisend. „So lange er die Gesetze nicht übertritt, kann
die Polizei ihm natürlich nichts anhabcn, aber kommt er
einmal mit ihr in Konflikt, dann soll er sie kennen
lernen!"
„Und können wir denn gar nichts gegen die Ratten-
wirthschaft machen?"
„Schaffen Sie einen Kater an!"
„Das ist im Micthkontrakt ausdrück-
lich verboten."
„Dann bleibt Ihnen nichts übrig,
als auszuziehen. Er ist Herr in seinem
Hause, und wenn Sie den Kontrakt
unterzeichnet haben, Mutter, müssen
Sie sich auch den Bedingungen fügen."
„Und weshalb sollen wir uns dies
Alles gefallen lassen, Mutter?" fragte
Apollonia ärgerlich. „Der Mann hat
über Alles und Jedes eine Bemerkung
zu machen; mag er leben, wie er Will,
er soll andere Leute auch nach ihrem
Belieben leben lassen. Vor einigen
Tagen warst Du ausgegangen, ich
hatte einen köstlichen Schweinebraten
auf dem Feuer; plötzlich, wie ich mich
umsehe, steht der Grobian hinter mir
und schnüffelt Ivie ein Hund, der eine
Spur verfolgt. Und weißt Du, was
er mir sagte? Wir müßten Wohl reiche
Leute fein, daß wir ein so großes Stück
Fleisch braten könnten! Er könne cs
nicht, und er sei doch der Hausherr;
übrigens sei cs Unsinn, Schweinebraten
mit Lorbeerblättern zu Würzen, er liebe
das gar nicht."
„Was geht's ihn denn an?" eiferte
die kleine Fran. „Wir haben ihn ja
nicht zu Gast geladen! Er gnckt Je-
dem in den Topf und hat an Allem
etwas auszusetzen."
„Er sollte zuerst sich selbst be-
trachten," erwiederte Apollonia, „so
unsauber, wie er ist, habe ich selten
einen Menschen gesehen, mir wird schon
übel, wenn ich an das, was er kocht,
denke."
„Ausziehen, das ist das Einzige,
wozu ich rathen kann," sagte Werner,
Die Hand -er Nemesis.
Roman
von
tzivalb August König.
(Forisetzung.)
(Nachdruck verboten.)
Fran Siebel schüttelte gedankenvoll das Haupt, die
grobe Antwort schien gar keinen Eindruck auf sie gemacht
zu haben.
„Es wird Zeit," sagte sie leise, „Jeder ist sich selbst
der Nächste."
„Da habt Ihr Recht," spottete Hochmuth, und ein
sarkastischer Zug glitt über sein schwammiges Gesicht,
„es fragt sich nur, ob auch Jeder so viel gesunden Ver-
stand hat, daß er weiß, was zu seinem Besten dient.
Seht Euch vor, daß Ihr keinen dummen Streich macht,
Madame, mit großen Herren ist nicht gut Kirschen essen,
verstanden?"
„Ich Weiß, was ich zu thun habe,
und wie ich's angreifen muß!"
„Ihr wäret Wohl auch in der Nacht,
in welcher der Doktor ermordet wurde,
im Schlosse?"
„Wie kommen Sie zu dieser Frage?"
„Wenn Ihr damals Wärterin bei der
Generalin wäret, werdet Ihr doch auch
im Schloß gewesen sein! Und seitdem
der Mörder verhaftet ist, spricht ja
Jeder über die alte Geschichte, Ihr
werdet auch noch zeugen müssen."
„Ich?" rief Frau Siebel erschreckt.
„Was will man denn von mir? Ich
weiß von nichts."
„Aber Ihr seid zugegen gewesen!"
„Das ist nicht wahr; der Doktor
ist am Morgen fortgegangen, und ich
habe ihn nicht wiedergesehen."
„Einerlei, zeugen werdet Ihr doch
müssen," sagte der Antiquar, „und
dann rathe ich Euch, die Wahrheit
zu sagen, verstanden?"
Die kleine Frau hatte sich hastig er-
hoben, aus jedeni Zuge ihres Plötzlich
erbleichten Gesichts leuchtete ihre Ent-
rüstung über diese Bemerkung.
„Darauf brauchten Sie mich nicht
aufmerksam zu machen," erwiederte sie
mit zitternder Stimme, „ich weiß selbst,
daß man keinen Meineid schwören
darf. Mit Ihren: kindischen Geschwätz
könnten Sie mich in die größten Un-
annehmlichkeiten bringen."
„Wünschen Sie noch einen Liqueur?"
fragte Jakob Hochmuth boshaft, aber
Frau Siebel würdigte ihn nicht einmal
einer Antwort, sie stürmte hinaus und
noch auf der Treppe konnte sic das
Hohngelächter des Antiquars hören,
der kein größeres Vergnügen kannte, als
die Leute zu ärgern.