Die Hand der Nemesis.
Roman
von
Ewald August König.
(Fortsetzung.)
!.' (Nachdrink verboten.)
^„Was Wollten und könnten Sie wissen?" entgegnete
Rabe.
„Das werde ich Ihnen nicht verrathen!"
„Pah, Vcrmnthnngen, die aus der Leist gegriffen
sind! Die alte Feindschaft sollte man endlich vergessen,
sie hat keine Berechtigung mehr, seitdem der Herr Oberst
die Erbschaft seines Bruders angetreten hat."
„Ich glaube, wenn Sic diese Mahnung an die eigene
Adresse richten wollten, so wäre das richtiger."
„Auch diesen Vorwurf weise ich zurück!"
„Das ist allerdings das kürzeste Verfahren, aber
widerlegt wird dadurch nichts," sagte Siegfried.
„Was verpflichtet mich denn, ihn zu
widerlegen?" brauste Rabe auf. „Ich
erinnere mich nicht, Ihnen ein böses
Wort gesagt zu haben, wohl aber haben
Sie mir gegenüber stets das Bestreben ge-
zeigt, meiner Schlvvstcr Mißtrauen gegen
mich einzuflößen. Sie verlangen, daß ich
Ihnen das gerade heraus sage, und ich
sehe nicht ein, weshalb ich ein Blatt Vör-
den Mund nehmen soll. Die unschuldig-
sten Ereignisse mußten einer gerichtlichen
Untersuchung unterzogen werden, ein Zeu-
genverhör folgte dem andern, und an jeden
Zeugen wurden Fragen gerichtet, die auf
meine Person Bezug nahmen."
„Sie werden mir erlauben, das als
eine Unwahrheit zu bezeichnen," erwie-
derte Siegfried, den Kopf zurückwersend,
„ich habe mich stets streng an meine
Amtspflicht gehalten, und Niemand hat
das Recht, mir daraus einen Vorwurf
zu mache». Haben Sie nachträglich die
einzelnen Zeugen über meine Fragen und
ihre Antworten ausgeforscht, so muß ich
das seltsam finden, Sie hatten ja, wie
Sie selbst behaupten, mit der Sache
nichts zu schaffen."
Rabe preßte die Lippen auf einander,
diesen Vorwurf hatte er durch seine eigene
Unklugheit sich zugczogen.
„Unnütze Aufregung!" warf der Justiz-
rath unwillig ein. „Ende abwarten, werden
sehen, wer Recht hat."
„Aber warum handelt es sich denn
eigentlich ?" fragte Barnekow, der dem
Wortwechsel mit sichtbarem Erstaunen
zugehört hatte. „Ich glaubte, zwischen
den Familien v. Stuckmann und Rabe
herrsche jetzt Friede und Einigkeit, und
nun —"
„Sie sehen ja, Barnekow, daß man
den Frieden nicht will!" unterbrach Räbe
ihn ärgerlich. „Ich biete gerne die Hand zur Versöh-
nung, aber wenn sie zurückgestoßen wird, dann werde
ich doch der Narr nicht sein, den Frieden um jeden
Preis zu erzwingen!"
„Sie haben ihn nie angeboten und nie gewollt,"
erwiederte Siegfried, „und hätten Sie es gethan, und
die Hand wäre zurückgestoßen worden, so würden Ihnen
auch die Gründe, aus denen es geschah, bekannt ge-
wesen sein."
„Herr Assessor v. Stuckmann, diese Worte —"
„Kann und werde ich jederzeit vertreten, und wenn
Sie es fordern, auch beweisen! Aber Sie werden selbst
wünschen, daß dies nicht in einem öffentlichen Restau-
rationslvkal geschieht."
Eine flammende Gluth überzog das leidenschaftlich
verzerrte Gesicht Rabe's, aus den glühenden Augen zuckten
tückische Blitze.
„Was Sie damit sagen wollen, muß Jeden: von
uns klar geworden sein," erwiederte er; „ich hoffe, Sic
werden mir die Genugthuung nicht verweigern, die ich
von dem Ehrenmanne nach solcher Beleidigung fordern
darf und muß."
Damit erhob er sich, dem Freunde einen Wink gebend,
der ebenfalls von seinen: Stuhle ausstand und hastig
sein Glas leerte.
„Die verweigere ich Ihnen ganz entschieden!" rief
Siegfried. „Ich räume Ihnen nicht einmal das Recht
ein, sie zu fordern. Verlangen Sie, daß ich diese
Weigerung näher motivire, so kann das zu jeder Stunde
und "an jedem Ort vor Zeugen geschehen!"
„Sie werden mir Genugthuung geben!" erwiederte
Rabe, wild auffahrend, „Sie werden nicht den Muth
haben, sie zu verweigern."
Er stürmte hinaus, ohne eine Antwort äbzuwartcn.
Barnekow grüßte höflich und folgte ihm.
Draußen blieb er. stehen, er athmete einige Mal tief
und schwer auf, dann schob er seinen Arn: in den des
Freundes. „Poltron!" sagte er nut bebender Stimme.
„Ich werde ihn niederschießcn!"
„Wissen Sie das so sicher?" fragte
Barnekow in zweifelnden: Tone. „Nimmt
er die Herausforderung an, so hat er den
ersten Schuß —"
„Gleichviel, ich weiß, daß ich mein Ziel
nicht fehle!"
„lind wenn er nun, wie er das bereits
erklärt hat, sie nicht annimmt?"
„Er muß! Barnekow, ich begreife
nicht, daß Sie diesen Zweifel hegen können.
Sie sind doch auch Edelmann, als solcher
inüssen Sie die Gesetze der Ehre kennen."
„Hm, die Anschauungen über das Duell
sind sehr verschieden, wir leben nicht niehr
iin Zeitalter Ludwigs des Vierzehnten."
„Gut, wer das Duell fürchtet oder
aus anderen Gründen eine Herausforderung
nicht annehmcn will, der soll sich auch vor
Beleidigungen hüten."
„Haben Sie denn nicht zuerst das Feld
persönlicher Beleidigung betreten?" crwic-
dcrte Herr v. Barnekow vorwurfsvoll.
„Ich gestehe Ihnen offen, Rabe, die ganze
Sache erscheint mir wie eine Provokation
von Ihrer Seite. Sic wollten den Assessor
zu einer Beleidigung zwingen, die Sie zu
einer Herausforderung berechtigte."
„Nehmen Sie an, es sei so, wird da-
durch die Sachlage geändert?" entgegnete
Rabe spöttisch.
„Das behaupte ich nicht, aber Ihr Ver-
fahren erhält dadurch etwas Gehässiges —"
„Ich acceptire diese Bezeichnung, gebe
Ihnen aber dabei zu bedenken, daß mein
Haß herausgefordert und bei jeder Ge-
legenheit genährt wurde. Ich möchte wissen,
was Sie thäten, wenn Sie fortwährend
gereizt würden!"
„Ich würde Denen, die mich reizen
wollen, einfach aus den: Wege gehen, Sic-
aber suchen den Gegner auf."
Ludwig III., Grohhcrzog do» Hetzen.
Nach einer Photographie gezeichnet von G. Kolb. (S. 43S.)