Die Han- der Rernesis.
Roman
von
ßwakd August König.
Schluß.) tNochdruck verboten.)
A ch t u u d z w a n z i g st e s Kapitel.
Die Hand der Nemesis.
Willibald Rabe hatte in der That, wie Siegfried sich
ausdrttckte, „Lunte gerochen".
Als er am Abend vor dein Verhör in sein Hotel
heimkehrte, war ihm die gerichtliche Vorladung über-
geben worden, und wenn auch diese Vorladung nur be-
sagte, daß er in der Uutcrsuchrrngssache
gegen Ferdinand Halm als Zeuge ver-
nommen werden solle, so glaubte sein
schuldbeladenes Gewissen darin doch Gründe
genug zu ernsten Befürchtungen zu er-
blicken.
lind als am nächsten Morgen Joseph
nicht erschien, um die gewohnten Hand-
leistungen zu verrichten, weckte auch das
seinen Argwohn, und die innere Angst
wurde erhöht durch die Mittheilung des
Kellners, daß die Polizei in der ver-
gangenen Nacht das Zimmer des Kam-
merdieners durchsucht habe.
Joseph war also verhaftet! Hatte er
seine Drohung wirklich ausgeführt und
den eigenen Hals in die Schlinge gesteckt?
Rabe fand auf diese Frage keine Ant-
wort, aber Gewißheit mußte er haben,
mochte sie auch für ihn selbst erdrückend
sein.
Vielleicht war es das Beste, der Vor-
ladung Folge zu leisten und dem ver-
haßten Untersuchungsrichter mit trotziger
Stirne gegenüber zu treten.
Mochten auch Verdachtgründe gegen
ihn vorliegeu, den Bruder der Generalin,
den Onkel seiner eigenen Frau auf einen
bloßen Verdacht hin zu verhaften, wagte
der Assessor sicherlich nicht. Und be-
weisen konnte man ihm ja gar nichts!
Er war sich bewnßt, alle feine Maßregeln
so vorzüglich getroffen zu haben, daß man
keine Beweise gegen ihn finden konnte!
Er erfuhr dann aus der zuverlässigsten
Quelle, wie die Dinge lagen, weshalb
Joseph verhaftet war nnd was er selbst
zu befürchten hatte, danach konnte er seine
weiteren Maßregeln treffen. Es war besser
so, — leistete er der Vorladung nicht
Folge, so war der Untersuchungsrichter
gesetzlich berechtigt, ihn durch einen Po-
lizeibeamten holen zn lassen.
Nach dem Frühstück trat er den Weg
an, er beeilte sich keineswegs, der Assessor
konnte warten, bis er kam.
Maria Ehristiua, KänMii-WitUac von Lpanicn.
Zeichnung von C, Kolb. (S. 603.)
Trotzig wollte er ihn fragen, was er denn mit dieser
Unterfuchungssache zu schaffen habe, und wenn dann
der Assessor eine Klage gegen ihn erhob, wollte er ihr
mit seiner ganzen Unverschämtheit entgegentreten.
Wie auch diese Klage lauten mochte, zu einer so-
fortigen Verhaftung berechtigte sie keinesfalls, ihm blieb
immer noch Zeit genug, die Projektirte Reise nach Ame-
rika anzutretcu. Langsam, mit der Haltung eines Man-
nes, der sich seines Werthes vollständig bewnßt ist,
wanderte er durch die Straßen.
Dann und wann grüßte er einen Bekannten herab-
lassend, oder er blieb vor einem Schaufenster stehen, um
die ansgelegtcn Gegenstände zu betrachten.
Endlich stand er vor dem Gerichtsgebäude, er mußte
unwillkürlich lächeln über seine Furcht, weit und
breit war ja kein Diener der heiligen Hermandad zu
sehen.
Er stand im Begriff, hineinzngchen, als Herr von
Barnekow ihm ans der Schwelle des Gebäudes be-
gegnete.
Diese plötzliche und ganz unerwartete Begegnung be-
stürzte ihn, sie ließ ihn sogar vergessen, was zwischen
ihm und Barnekow vorgefallen war.
„Was hat Sie denn hieher geführt?" fragte er, ohne
den haßerfüllten Blick seines Gegners zu bemerken. „Sind
Sie in eine unangenehme Sache verwickelt?"
„Sie werden cs sogleich erfahren," erwicderte Herr
v. Barnekow, dessen Lippen jetzt ein boshafter Zug
nmzuckte. „Denken Sie au mich, wenn Sie au einem
gewissen Ort Wolle spinnen!"
„Was soll das heißen?" fuhr Rabe
gereizt auf.
„Ich habe Sie früher schon auf das
Gleichnis? vom Splitter und dem Balken
aufmerksam gemacht, cs bewährt sich auch
hier wieder. Wenn die Kugel gestern
Abend ihr Ziel getroffen Hütte, so wäre
dadurch abermals ein gefährlicher Feind
beseitigt worden, aber dies Mal ist cs
nicht gelungen, wie bei dem alten Gärtner!"
„Sind Sie verrückt?" rief Rabe, dessen
jäh auflodernde Wuth das Entsetzen
zurückdrüngtc. „Wenn Sie so boshaft ge-
wesen sind, eine niedrige Rache zu üben,
so werde ich Sie öffentlich als einen heim-
tückischen Verleumder brandmarken!"
„Oeffentlich?" spottete Barnekow achsel-
zuckend. „Ich glaube nicht, daß Sie
dazu jetzt noch Gelegenheit finden werden.
Jur klebrigen kann es Ihnen Wohl nicht
zweifelhaft sein, daß Ihr Kammerdiener,
der sich bereits hinter Schloß rind Riegel
befindet, mehr weiß, als Ihnen lieb ist.
Ich habe die Ehre, mich Ihnen zu em-
pfehlen, wahrscheinlich werden wir uns
nun noch einmal, und zwar zum letzten
Male im Gerichtssaäl Wiedersehen."
Willibald Rabe blickte starr vor Be-
stürzung dein kleinen, eleganten Herrn
nach, der rasch von dannen schritt.
/ Waren die Dinge schon so weit ge-
diehen ? Erwarteten ihn in diesen? Hause
die Beamten, die ihn verhaften sollten?
Er trat auf die Straße zurück, ein
Wirthshaus war in der Nähe, er ging
hinein und setzte sich an's Fenster, von
hier aus konnte er die Thüre des Ge-
richtsgebäudes beobachten.
Jetzt kam der Schließer heraus, — wes-
halb war er vorgeladcn gewesen? Er
erinnerte sich, daß die Zelle Halnr's
visitirt worden war, der Assessor mußte
also erfahren haben, daß er den Schließer
bestochen hatte, um mit dem Gefangenen
in Verbindung zn treten.
Und nun erschien auch im Nahmen