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Heft 14.
Die Hand der Hemesis.
Roman
von
ßrvald August König.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
Fünfzehntes Kapitel.
Gute Vorsätze.
Der Kochtopf stand noch auf dem Tische; der Anti-
quitätenhändler hatte abgespeist, er sah schweigend seinem
Gast zu, der eben die dritte Portion mit
bcneidenswerthem Appetit hiuunterschlang.
Die äußere Erscheinung Siebel's war
nicht mehr ganz so vagabundenmüßig, wie
früher; ließ auch fein jehiger Anzug noch
Manches zu wünschen, so war er doch
wenigstens ganz und sauber, Haare und
Bart waren gestutzt und auch das Ge-
sicht trug die Physiognomie des Trunken-
bolds nicht mehr so scharf ausgeprägt.
„Also Ihr seht jetzt selbst ein,' daß
es ein guter Rath war?" fragte Jakob
Hochmuth nach einer geraumen Weile.
Siebel zuckte mit einer verächtlichen
Miene die Achseln.
„Wenn ich nicht betteln wollte, blieb
mir nichts Anderes übrig," erwicderte er.
„llnd die Arbeit geht gut von Statten?"
„Wollt Ihr Euch überzeugen, daun
kommt einmal auf den Bauplatz, eine
bessere Antwort kann ich Euch nicht geben."
Der Antiquar nahm eine Prise und
nickte zustimmend.
„Ich werde kommen, verstanden?" cr-
wiederte er. „Blauen Wind macht mir
Keiner vor, nichts für ungut, Freundschaft!"
Siebel stützte das Haupt auf den Arm
und sah den alten Mann höhnisch an.
„Ihr müßt oft mit Lumpen und an-
derem Gesindel verkehrt haben," sagte er,
„Ihr traut ja keinem Menschen! Na, wie
Ihr wollt, ich kann Euch nicht zwingen,
mir zu glauben. Aber wenn Ihr mit
dem Zimmermeister bekannt seid, dann
konntet Ihr ein gutes Wort für mich ein-
legen, er zahlt einen verteufelt schlechten
Lohn."
„Das sind meine Sachen nicht, Freund-
schaft, wie die Arbeit, so der Lohn, ver-
standen? Was macht Eure Schwester?"
„Danke der gütigen Nachfrage, sie wäre
längst wieder auf den Beinen, wenn die
da oben ein Herz für Andere hätte."
„Ich glaube, darüber könnt Ihr nicht urtheilen."
„Na, alter Herr, wenn man in Sammt und Seide
gehen kann, dann kann man auch für eine arme kranke
Schwägerin etwas thun. Aber freilich, die da oben ist
zu stolz, die Frau eines Gefüngnißaufsehers als ihre
Schwägerin anzuerkennen."
„Wer weiß, wer die Schuld daran trägt, nichts für
ungut."
Wieder zuckte der Zimmermann die Achseln.
„Ich kenne mein Weib besser," sagte er, „sie war
immer hochmüthig und eigensinnig. Habt Ihr meiner
Frau gesagt, daß ich wieder arbeite?"
„Natürlich!"
„Und was antwortete sie darauf?"
„Sie will von Euch nichts wissen, verstanden?"
Siebel lachte höhnisch.
„Und wißt Ihr, weshalb nicht?" erwiederte er.
„Weil sie fürchtet, ich könnte das Geheimnis; erforschen.
Und das sage ich Euch, alter Herr, erfahren werde ich
es, und hauptsächlich deshalb habe ich mir Gewalt an-
gethan und den Teufel in mir bezwungen. HVas ich
einmal will, das sehe ich durch, mag's biegen oder
brechen."
„Und wenn Ihr Euren Zweck erreicht habt, dann
lohnt's vielleicht nicht einmal der Mühe,"
spottete Hochmuth, der eine Prise nach der
andern nahm und dabei unverwandt den
Zimmermann erwartungsvoll anschaute.
„Ihr glaubt ja, das Geheimnis; hänge
mit dem Gutsbesitzer Rabe zusammen,
weshalb rückt Ihr ihm nicht ans den
Leib?"
„Werd' mich hüten, das wäre der ver-
kehrte Weg. Warnen darf man die Leute
nicht, sie haben Geld, und wer Geld hat,
der kann Alles fertig bringen. Also,
meine Fran will nichts von mir wissen?"
„Nein."
„Na, ich werd' ihr auch nicht lästig
fällen. So weit kommt's nie wieder in
Ordnung, daß ich bei ihr wohnen und an
ihren: Tische essen werde, und sie wird das
auch nicht wünschen."
„Es ist auch besser, daß ihr aus ein-
ander bleibt."
„Natürlich. Aber kann nur Jemand
verbieten, mein Kind zn besuchen?"
Der Antiquar schüttelte den Kopf.
„Ihr werdet's also auch nicht thun?"
„Wenn Ihr nüchtern feid und keinen
Lärm macht, verbiete ich cs Euch nicht.
Aber sobald ich da oben Zank und Streit
höre, fliegt Jemand zum Hause hinaus,
verstanden?"
„Das kann Jeder verstehen," spottete
Siebel, „wenn mein Weib mir keine
Grobheiten sagt, werde ich sie ungeschoren
lassen. Also ich darf hinaufgehen?"
„Julius Tullius, wer kommt denn da?"
fragte der Antiquar mit einem erstaunten
Blick auf das Fenster, au dem eben ein
Reiter vorbeisprengte. „Rabe? Der hat's
verteufelt eilig."
Er trat hastig an's Fenster, und sein
Erstaunen wuchs, als er sah, daß Rabe
vor seiner Thüre aus dem Sattel stieg.
„Ihr könnt Euch einen Groschen ver-
Haru-ko, Kaiserin von Japan. Nach einer Photographie gezeichnet von C. Kolb. (S. 3W.)