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362

Unterschrift sollte dem Wucherer Hochmuth als Bürg-
schaft für eine Forderung von 4000 Thalern dienen."
„Adelaide —"
„Er hatte meine Unterschrift verlangt, und Du brach-
test sie ihm."
Willibald Rabe schlug vor dem zornflammenden Blick
seiner erregten Schwester die Augen nieder, eine glühende
Röthe überzog sein vorhin noch so fahles Gesicht.
„Wer hat Dir das gesagt?" fragte er in höhnischem
Tone. „Man scheint darauf auszugehen, mich zu ver-
leumden —"
„Die Wahrheit kann niemals verleumden, es Ware
besser, auch Du bliebest bei der Wahrheit," crwiederte
die Generalin mit gehobener Stimme. „Vor einigen
Tagen betrug Deine Schuld an den Wucherer nur 2000
Thaler, und Du versprachst mir auf Ehrenwort, nicht
mehr zn spielen —"
„Das ist ein Jrrthum," unterbrach Nabe sie, „ich
habe im Gegentheil Dir die Gründe aus einander gesetzt,
die —"
„Entschuldige Dich nicht, Willy, ich kann keine Ent-
schuldigung gelten lassen."
„Nun, und wenn auch das Alles Wahrheit ist, wel-
cher Vorwurf kann mich heute noch treffen, nachdem ich
jenen Wechsel eingelöst und vernichtet habe?" rief Rabe
in zorniger Aufwallung. „Daraus muß doch Wohl her-
vorgehcu, daß ich keinen Betrug beabsichtigt habe. Wenn
Du meinen Behauptungen keinen Glauben schenken willst,
so stelle ich Dir frei, Jakob Hochmuth zu fragen, er
wird sie bestätigen."
„Das ist bereits geschehen," sagte die Generalin, „er
hat niir geschrieben."
„Hochmuth?"
„Jawohl."
„Er ist ein Schuft!" fuhr Nabe auf. „Was konnte
ihn zu diesem Bubenstreich veranlassen? Ich habe ihm
sein Geld auf Heller und Pfennig gezahlt, damit mußte
er zufrieden sein."
„Was ihn dazu bewogen hat, weiß ich nicht," er-
widerte Frau v. Stuckmann achselzuckend, „ich habe den
Mann nie gesehen, nie mit ihn: in irgend welcher Ver-
bindung gestanden. Er macht mir die Anzeige, daß der von
mir unterzeichnete Wechsel im Betrage von 4000 Thalern
eingelöst worden sei. Woher hast Du das Geld ge-
nommen?"
„Du scheinst es heute auf eine Gencralbeichte abge-
sehen zu haben," spottete Rabe, wahrend er langsam das
seidene Tuch vom Kopfe nahm. „Eine zweite Unter-
schrift habe ich, wie Du selbst weißt, nicht von Dir er-
halten."
„Du hast in Staatsschuldscheinen den Betrag zahlen
wollen."
„Hat Hochmuth Dir das auch geschrieben?"
„Jawohl, und ich wünsche Aufschluß darüber, von
wem Du diese Werthpapiere erhalten hast."
„Ich glaube, daß Dich das wenig interessiren kann."
„Ich würde diese Frage nicht aufwerfen, wenn meine
Werthpapiere nicht Dir anvertraut wären."
„Adelaide, wenn Du cineu Bruch beabsichtigst "
„Antworte mir," sagte die Generalin befehlend. „Wer
mein Vertrauen einmal mißbraucht hat, der hat es auch
für immer verscherzt. Die Summe ist zu groß, als daß
Du sie erspart haben könntest."
„So kann ich sie doch von einem Freunde geliehen
haben," erwiederte Rabe, sich rasch erhebend. „Willst
Du auch diese Möglichkeit bezweifeln? Wundern sollte
es mich nicht, Du traust mir ja Alles zu! Ich sage
Dir noch einmal, ich bedaure, daß ich nicht sofort nach
dem Tode Deines Mannes Dein Haus verlassen habe,
ich hätte mir dadurch manchen Aerger erspart. Der Ge-
neral war ebenso mißtrauisch und kleinlich —"
„Laß die Todten ruhen!" unterbrach Frau v. Stuck-
mann ihn ernst. „Mein seliger Gatte hat mehr an Dir
gethan, als ich ahnte. Bei dem Testament lag ein Ver-
zeichnis; der Summen, die er Dir gezahlt hat, und ich
begreife jetzt, weshalb eure Beziehungen zu einander keine
freundschaftlichen waren. Die Geduld eines Jeden hat
ein Ende, und Du hast die Langmuth des Generals auf
eine harte Probe gestellt."
Willibald Rabe lächelte höhnisch, es schien ihm klar
geworden zu sein, daß die Maske unnütz geworden war,
die Generalin ließ sich nicht täuschen, sie hatte für solche
Dinge einen zu scharfen Blick.
„Und ich will Dir aufrichkig gestehen, daß jenes
Schuldregister mich in hohem Grade beunruhigt hat,"
führ sie fort, während ihr Bruder rastlos auf und nieder
wanderte. „Das Leben, welches Du damals führtest,
wirst Du fortgesetzt haben, Niemand kontrolirte Deine
Ausgaben —"
„Halt, diesen Vorwurf lasse ich nicht auf mir ruhen,"
erwiederte Rabe. „Ich habe allerdings mit dem Gelde
nicht gegeizt, wozu auch? Der Bruder der Generalin von
Stuckmann mußte die Anforderungen erfüllen, welche die
Gesellschaft an ihn stellte. Aber ich bin auch kein Ver-
schwender gewesen, wenn ich von einigen Spielschulden
absehen will, die man einem Manne meines Standes
verzeihen muß. Und wenn ich zu einem moralisch nicht
ganz erlaubten Mittel griff, um mich aus einer momeu-

Das Buch für Alle.

Heft 16.

tanen Geldverlegenheit zu befreien, so müssen die Ver-
hältnisse das entschuldigen. Baares Geld war nicht in
der Kasse, und ich durfte nicht hoffen, daß Du freiwillig
die Bürgschaft übernehmen würdest , die mein Gläubiger
forderte. Ta mußte ich zu dein kleinen Betrug meine
Zuflucht nehmen, mit dem übrigens kein Betrug beab-
sichtigt war. Nach der Ernte würde ich den Wechsel
eingelöst haben, rind Du hättest weiter keine Unannehm-
lichkeiten davon gehabt."
„Aber in ein Geld wäre zur Tilgung dieser Schuld
benutzt worden!" schaltete die Generalin ein.
„Dein Geld?" fuhr Rabe achselzuckend fort. „Hätte
ich nicht für Dich gehandelt, so wärest Du vielleicht noch
während Deiner Krankheit vor die Thüre gesetzt worden."
„Ich verbitte mir diese rohe Sprache!"
„Ich neune jedes Ding gerne mit seinem rechten
Namen. Du wärest in Deine früheren bescheidenen Ver-
hältnisse zurückgewandcrt, Adelaide, und außer mir hätte
Wohl Niemand sich um Tein Wohl und Wehe geküm-
mert. Daß dieses traurige Loos Dir fern gehalten wurde,
verdankst Du mir, und wie lohnst Du mir dafür?"
Er stand vor seiner Schwester, und sie blickte mit
fieberhafter Erwartung zu ihm auf.
„Deutest Du wieder auf jenes Geheimnis; hin, mit
dem Du so oft mir gedroht hast?" fragte sie.
„Wünsche nicht, daß cS-semals enthüllt wird," er-
wiederte er ernst.
„Und ich verlange, daß Du cs nur enthüllst! Wozu
sollen die steten Drohungen rind Warnungen dienen?
Ich will klar sehen und wissen, was ich zu erwarten und
zu fürchten habe, mit Drohungen schüchtert man nur
Kinder ein."
„Du mußt Deine Neugier bezwingen —"
„Neugier ist es nicht, Willy, Du würdest an mich
dasselbe Verlangen stellen. Die Frau, welche mir den
Brief des Wucherers brachte, drohte mir auch mit die-
sem Geheimnis; —"
„Fran Siebel, die ehemalige Wärterin, brachte den
Brief?" fragte Rabe bestürzt.
„Sie sagte mir, sie wohne in dem Hause des Wucherers."
„Tas ist allerdings Wahrheit."
„Und Du seiest noch gestern Abend bei ihr gewesen."
„Auch das leugne ich nicht."
„Sodann erfuhr ich heute erst, daß diese Frau seit
ihrer Entlassung aus meinen Diensten eine Pension von
400 Thalern jährlich erhält," sagte die Generalin scharf.
„Ich habe davon nie etwas gewußt und begreife wirklich
nicht, auf welches Verdienst diese Pension sich stützt. Es
ist wahr, ich hatte damals allen Grund, mit ihr zu-
frieden zu sein, und ich erkannte das auch durch ein
Geldgeschenk an. Weitere Verpflichtungen hatte ich die-
ser Frau gegenüber nicht, und ich kann mich auch nicht
erinnern, daß ich Dir den Auftrag gegeben habe, ihr eine
Pension zu zahlen. Wohl hast Du einmal davon ge-
sprochen und mich gefragt, ob ich nicht glaube, daß diese
Frau eine kleine Jahrespcnsion verdient habe, aber ich
verneinte diese Frage ganz entschieden. Daß Dn trotz-
dem ihr die Pension gezahlt hast, mnß mich im höchsten
Grade befremden."
„Und trotz alledem wirst Dn diese Pension ihr wei-
ter zahlen," erwiederte Rabe mit gemessenem Ernst.
„Jenes Geheimnisses wegen?"
„Jawohl."
„Ich werde eS nicht thun."
„Dann forderst Dn die Rache der Wärterin heraus-."
„Ich fürchte sie nicht."
„Adelaide, beherzige meine Warnung. Die Ent-
hüllung des Geheimnisses würde Dich furchtbar nieder-
schmettern!"
„Noch Einer kennt das Geheimniß " sagte die Gene-
ralin, deren glühender Blick die Gedanken Rabe's er-
gründen zu wollen schien.
„Hat die Wärterin Dir das auch gesagt?" fragte
Rabe, die Brauen noch drohender zusammenziehend.
„Ja. Dieser Dritte ist Halm, den das Gericht der
Ermordung meines derzeitigen Hausarztes beschuldigt."
„Er ist unschuldig."
„Kannst Du das so sicher behaupten, dann weißt Du
auch, wer das Verbrechen begangen hat."
„Ich behaupte nur, daß Halm schuldlos ist."
„Das muß bewiesen werden, und der Beweis kann
nur durch die Entlarvung des wirklichen Mörders ge-
führt werden."
Wieder nmzncktc ein höhnisches Lächeln die Lippen
Rabe's.
„Weshalb siehst Dn mich so sonderbar an?" fragte
er. „Wenn ich weiß, daß ein Schuldloser verhaftet und
angeklagt ist, weshalb soll ich es nicht behaupten
dürfen?"
„Willy, Willy, es steigen Ahnungen in meinem
Innern auf, über die ich nicht Nachdenken mag. Du,
der Verhaftete und die Wärterin iiu Besitz eines Ge-
heimnisses, welches mir nicht enthüllt werden darf, mit
dem mir aber dennoch gedroht wird! Was soll ich dazu
sagen?"
„Vor allen Dingen gebe ich Dir auf mein Ehren-
wort die Erklärung, daß unser Geheimniß sich keines-
wegs auf jenes Verbrechen bezieht, in dieser Hinsicht

darfst Du also ruhig sein. Sodann rathc ich Dir noch
einmal, nicht weiter nachzuforscheu, zahle der Wärterin
die Pension, dann wird der Schleier Wohl niemals ge-
lüftet werden."
„Was es auch sein mag, Willy, ich kann ohne
Furcht auf mein Leben zurückblickcn," erwiederte die Ge-
neralin, das schöne Haupt erhebend. „Ich bin mir kei-
ner Schuld bewußt und so wüßte ich auch nicht, wofür
mir eine Sühne auferlegt werden könnte. Ich werde die
Pension nicht weiter zahlen, mag die Frau reden, ich
erhalte dann endlich Klarheit und Gewißheit."
„Du würdest das bitter bereuen."
„Dann müßte ich für die Schuld eines Andern
büßen, vielleicht für Deine Schuld, Du mußt selbst
wissen, ob Du das vor dem eigenen Gewissen verant-
worten kannst."
„Und wenn ich es könnte, so würde dadurch doch
nichts geändert und gebessert, Adelaide."
„Bist Du der Verschwiegenheit des Verhafteten
sicher?"
„Ich glaube, es sein zu dürfen."
„Und würde die Enthüllung des Geheimnisses auch
Dich vernichten?"
„Vielleicht."
„Dann rathe ich Dir, bei Zeiten Deine Person in
Sicherheit zu bringen, ich werde dem Sturme muthig
die Stirne bieten, ich kann es, denn mein Gewissen ist
rein."
„Und Ella v. Lossow?" fragte Rabe spöttisch.
„Willst Du auf diese Verbindung nicht verzichten?"
„Ich wäre ein Thor, wenn ich es thäte."
„So willst Du auch die Familie v. Lossow in das
Verderben mit hineinziehen?" sagte die Generalin vor-
wurfsvoll. „Die Verlobung ist noch nicht veröffent-
licht, ein Rücktritt also auf beiden Seiten noch mög-
lich, und ich glaube, Baron v. Lossow würde Dir wegen
dieses Rücktrittes nicht zürnen. Es ist ja überhaupt
noch sehr fraglich, ob jene Bedingung erfüllt und
Deine Erhebung in den Adelsstand genehmigt wird."
„Die nöthigen Schritte sind geschehen,' nun muß
das Resultat abgewartet werden. Jede Familie hat
ihre Geheimnisse, Adelaide, in die ein Fremder nicht
eingeweiht werden soll, so haben wir auch das unsrige,
und wenn wir es ernstlich wahren, so werden wir in
unserem Kreise den Frieden erhalten. Weshalb muß
der Assessor v. Stuckmann seine Nase überall haben?
Weshalb soll jeder Vorfall gleich gerichtlich untersucht
werden? Selbst da, wo nichts ist, findet ein Unter-
suchungsrichter immer noch etwas, und aus der un-
schuldigsten Zeugenaussage kann eine Anklage formulirt
werden. Beamte soll man sich möglichst fern halten,
sie denken stets an ihre Amtspflicht und suchen überall
nach einer Gelegenheit, Carriäre zu machen."
„Du denkst an den Selbstmord Georgs," erwiederte
Frau v. Stuckmaun kopfschüttelnd. „Weshalb ärgert
es Dich so sehr, daß Arabella die gerichtliche Unter-
suchung wünschte?"
„Weil zu solcher Untersuchung durchaus kein Grund
vorhanden war."
„Siegfried hat das ja sofort erkannt —"
„Ich glaube das nicht," sagte Rabe unwirsch. „Seit-
dem der Assessor zum ersten Male unsere Schwelle über-
schritten hat, finde ich meine frühere Ruhe nicht wie-
der. Nicht für mich Langt mir, sondern für Dich, es
wäre entschieden besser gewesen, Du hättest der Familie
des Generals Dich nicht wieder genähert. Jetzt sieh zn,
wie Du mit diesen hochmüthigen Herren fertig wirst,
ich werde später mein Haus rein halten."
„Du führst eine ganz seltsame Sprache," erwiederte
die Generalin entrüstet. „Nichts berechtigt Dich zu die-
sem brüsken Auftreten, im Gegentheil, Siegfried ist
Dir freundlich entgegengekommen."
„Die Freundlichkeit des Heuchlers!" sagte ihr Bru-
der mit verächtlichem Achselzucken. „Ich habe die Maske
gleich durchschaut, man hat hier spioniren wollen und
sand man nicht, was inan suchte, so gelang es vielleicht,
die Verbindung mit Arabella anzubahncn."
„Und dieses Urtheil willst Du in allein Ernste über
Siegfried v. Stuckmaun fällen?"
„Ich kenne die Menschen besser wie Du, Adelaide,
ich habe auch ihn sofort durchschaut, feine Absichten
konnten mir nicht verborgen bleiben. Weißt Du schon,
wie man in der Stadt über das Testament spricht?
Freilich, Dn kannst es nicht wissen, Niemand wird es
Dir mittheilen."
„Und was spricht man?" fragte die Generalin, die
hoch aufgerichtet mit würdevollem Stolz ihrem Bruder
gegenüber stand.
„Das Testament soll schon gleich nach dem Tode des
Generals gefunden worden sein, es ist bis heute zurück-
gehalten worden, und jetzt glaubt man durch die Ab-
tretung des Grundbesitzes die längst ersehnte Aussöhnung
und zugleich mit ihr eine nähere Verbindung zu er-
möglichen."
„Wer hat Dir das gesagt?"
„Ich hörte es, mau sprach darüber. Kannst Du
nicht erreichen, wer dieses Gerücht erfunden und ver-
breitet hat? Ich habe das vorausgesehen und Dich vor
 
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