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518

Das Buch für Alle.

Heft 22

an Mister Vincent's Erbe fallen müßte. Umgekehrt für
den Fall, daß Vincent's Erbe sich vor dem 21. Jahre
anderweit verheirathen würde. Das wußten wir —
trotzdem — ja, trotzdem —"
„Ja„ Onkel, trotzdem," fiel der Doktor ein, „lieb-
ten und verlobten wir uns und drei Tage bevor ich
vor zwei Jahren unter unseren deutschen Fahnen gegen
Frankreich zog — da heiratheten wir und wurden ge-
traut auf dem Standesamte in einem Dorfe bei Köln,
Onkel. Um aber der harten Bestimmung des Testa-
ments in Betreff der Vermögenstheilung zu entgehen und
da weder Mister Vincent noch sein Erbe seit 20 Jahren
etwas von sich hören noch sehen ließ, beschlossen wir,
unsere Ehe durchaus geheim zu halten, bis nach drei
Monaten Heloise das einundzwanzigste Jahr erreicht
haben wurde."
„O, ihr — ihr — Gründer, die ihr seid —
mich, den alten Onkel, so zu hintergehen! — Jetzt er-
kläre ich mir Alles — auch den Handkuß, auch die
zärtlichen Blicke an die Adresse von Onkel und Neffe
zugleich — auch den Spaziergang Abends mit dem
Unbekannten —"
„Ja, Onkel, der war ich selber. Aber Tu ver-
zeihst uns, Du zürnst uns nicht!" rief der Doktor.
„Herr Oberst!" bat Heloise.
Der Diener trat ein und unterbrach sie. Er über-
reichte der Frau v. Sabrun eine Karte und fragte, ob
der Angcmeldete vorgelassen werden solle. Frau von
Sabrun las, die Karte fiel aus ihrer Hand.
„Nathan Vincent jun. aus Brighton," seufzte sie.
Eine Pause entstand. Der Oberst fuhr zuerst auf.
„Der Englishmau!" rief er. „Das ist der ver-
wünschte Mylord! Dacht ich's doch. Nun hat er ge-
hört, daß ihr ein Paar seid und da ist er, wie die
Kugel nach dem Schuß. Was thun wir mit ihm —
ich fordere ihn auf Pistolen — ich denunzir' ihn beim
Staatsanwalt!"
„Aber Onkel, wir sind ihm Dank schuldig, er hat
gestern mein Leben gerettet," siel der Doktor ein.
„War seine Pflicht und Schuldigkeit — war straf-
fällig kriminaliter, wenn er's unterlassen! — Aber nun
kommt er, sich dafür bezahlt zu machen — Krämerseele
die! — Nun kommt er nach eurem Vermögen und Du
willst es ihm Wohl gar geben — Du sollst mir! Aber
wartet, ich will ihn — will ganz ruhig sein, habt
keine Furcht! — Wo ist das Testament? — Ich will
das Testament sehen! — Will ruhig fein — wie ein
schlafendes Kind will ich sein — laßt ihn eintreten,
will mit ihm reden! — Gehen Sie, gnädige Frau, Sie
sind nicht zu sprechen — sind zu angegriffen, laßt ihn
kommen!"
Frau v. Sabrun erhob sich mühsam, Heloise geleitete
sie zum Zimmer hinaus und kam wieder, als von der
andern Seite Mister Nathan Vincent sau. eintrat.
Er war ein langer steifer junger Mann, gerade so
wie die Engländer in den Romanen geschildert werden,
mit langem, eckigem, bleichem Gesicht und rothen Bart-
koteletten am Kinn.
„Wünsche sehr, zu sprechen Lady Sabrun," sagte er
mit einer steifen Verbeugung.
„Meine Mutter ist leidend, aber vielleicht sind wir
in der Lage, Ihren etwaigen Wünschen nachzukommeu,
Mister Vincent. Nehmen Sie einen Stuhl? — Der
Oberst Greif, Doktor Greif, mein Mann," crwiederte
Heloise, vorstellend.
Alister Vincent setzte sich, legte ein Bein bequem
über das andere und klemmte ein in Gold gefaßtes
Monocle in das rechte Auge.
„Wünsche sehr zu wissen, Frau Doktor Greif, vor-
ausgesetzt, daß Sie die Tochter des weiland Bankier
v. Sabrun sind, ob Sie schon 21 Jahre hinter sich
haben und verheirathet sind, weil mir viel daran liegt,
dieses zu wissen," sagte er sehr monoton, aber sehr
entschieden.
Der Oberst, welcher unterdessen das Testament rasch
durchgesehen hatte, ließ sich nicht länger halten.
„Mein lieber Mister Anglais, ich bin der Schwieger-
vater der Tochter des weiland Bankier v. Sabrun und
kann Ihnen über Alles, woran Ihnen viel liegt zu
wissen, Auskunft geben. Ich will sogar mehr thun,
als das; ich will Ihnen sagen, woran Ihnen zu wissen
Viel liegt, auch ohne daß Sie sich mit Fragen viel be-
mühen. Also merken Sie Wohl auf: pro xrimo ist
Fräulein Heloise noch nicht 21 Jahre alt, xro soomuto
ist sie bereits verheirathet und pro ultimo haben Sie,
trotz dieses Testaments, doch keinen Anspruch auf die
Hütfte ihres Vermögens! Verstanden, Mylord Auglais?"
„Wie geschieht dieses, daß ich trotz dieses Testamentes
doch keinen Anspruch habe auf die Hälfte des Vermögens
des Fräuleins v. Sabrun?" fragte Alister Nathan Vincent
in derselben Tonart.
„Weil im Testamente steht, daß Fräulein Heloise
dem Erben des Blister Nathan Vincent die Hälfte ihres
Vermögens auszahlcu soll, für den Fall, daß sie vor
dem 21. Lebensjahre nut einem andern Manne ,vor
den Altar des Herrn' tritt, um sich mit ihm zu
verheirathen," erklärte der Oberst.
„Stimmt!" sagte Vincent jun.

„Stimmt!" sagte der Oberst. „Freilich stimmt's,
aber Fräulein Heloise ist nicht vor den Altar des Herrn
getreten, sondern in der Amtsstube vor dem Standes-
beamten civilehelich getraut!"
„Stimmt!" versetzte Vincent jun. abermals. „Nun
liegt mir noch sehr viel daran zu wissen, ob Mister
Arthur Greif einverstanden ist mit dieser Auslegung
des Testamentes?"
Doktor Greif befand sich in nicht geringer Verlegen-
heit. Er war weit entfernt, der rabulistischen, wenn
auch wohlmeinenden Beweisführung seines Onkels bei-
zupslichten, aber es ward ihm nicht weniger schwer,
seinen Advokaten zn verleugnen. Doch — er mußte
sich entscheiden.
„Nein," sagte er. „Mister Vincent, ich erkenne
Ihren Anspruch auf die Hälfte deS Vermögens meiner
Frau an, trotzdem ich nicht vor dem Altar des Herrn
getraut bin. — Ich kann nicht anders, Onkel," wandte
er sich mit einem bittenden Blick au den Oberst.
„Dank Euch," sagte Mister Vincent aufstehend und
dem Doktor die Hand reichend, „Dank Euch und freut
mich sehr, daß meine testamentarisch Verlobte einen
braven Mann hat."
„Nehmt auch meinen Dank für den großen Dienst,
den Ihr mir gestern geleistet," sprach der Doktor, ihm
herzlich die Hand drückend. „ Ohne Euch Ware ich heute
ein todter Mann."
„Stimmt!" crwiederte Vincent jun. —
„Die Ueberantwortung der Hälfte des Vermögens
meiner Frau an Sie kann, wenn Sie es wünschen,
vor dem hiesigen Notar sofort bewirkt werden," fuhr
der Doktor fort.
Mister Nathan Vincent sah ihn mit offenem Munde
und großen Augen eine Weile stumm an.
„Habe weder verlangt nach der Hälfte des Ver-
mögens Eurer Frau, noch habe einen Anspruch auf
dasselbe," sagte er ruhig.
„Nun, potz Wetter! Mister Vincent jun., was hat
uns denn sonst das Vergnügen Ihres Besuches ver-
schafft?" ries der Oberst.
„Weil mir zu wissen viel daran lag, ob meine testa-
mentarisch Verlobte schon anderweit verheirathet ist,"
crwiederte Vincent junior. „Denn sofern dieses nicht
wäre der Fall gewesen, würde ich genöthigt gewesen sein,
ihr abzutreten laut Testament die Hälfte meines Ver-
mögens, weil ich bereits anderweit verheirathet bin an
eine andere Frau seit zwei Jahren, was mir wäre ge-
wesen sehr unangenehm."
Während sich der Oberst, der Doktor und Heloise
ganz erstaunt ansahen, fuhr Vincent jun. fort:
„Darum war ich gekommen nach Norderney, wo
ich hatte erfahren von der Anwesenheit meiner testamen-
tarisch Verlobten, um mich zu überzeugen, ob dieselbe
bereits anderweit verheirathet worden und habe nun
davon Kenntniß genommen, daß sie bereits verheirathet
ist und ich somit keine Verpflichtung habe, ihr abzu-
treten laut Testament die Hälfte nieines Vermögens.
Reise daher heute zurück nach Brighton zu meiner
Familie und sage euch, Lady und Gentlemens, Lebe-
wohl — kor ovsi !"
Damit nahm er sein goldenes Monocle ruhig aus
dem Ange, machte den Anwesenden eine steife Verbeu-
gung und ging. —
Die Zurückbleibenden sahen ihn: eine Weile erstaunt
und sprachlos nach. —
„Bei Gott!" rief der Oberst, „was thu' ich mit
diesem Englishman? Er macht mich toll. Geh' ich ihm
nach und dreh' ihm den Hals um, oder trinke ich eine
Flasche Sekt mit ihm — was thu' ich? —"
„Onkel," versetzte der Doktor, ihn auf den Sessel
ziehend, von dem er aufgesprungen, „lassen Sie ihn, es
ist seine Art so und wir haben jeder unsere Art. Ich
bin ihm mein Leben schuldig und er hat doch ein recht-
schaffenes Herz, wie?"
„Das ist's ja eben, Junge, was mich ärgert, daß
auch ein Engländer ein braves Herz hat, wenn's auch
am Ende immer wie ein Kontobuch nut Kredit und
Debet abschließt. Doch gut — lassen wir ihn! — Aber
nun kommt, machen Sie feinste Toilette, meine kleine
Schwiegertochter, damit wir unseren Badegästen alle
Klatschereien von Vorne herein und so rasch als mög-
lich abschneiden, will euch ihnen als meine Kinder
präsentiren, denn ich bin trotz Alledem ein wenig stolz
auf meine Kinder — potz Wetter! — Was hat man
auch im Alter anders als das?"

Der Snlmfnng im Rheine.
(Siche das Bild auf Seite 513.)
(Nachdruck verboten.)
Wer kennt nicht, wenn auch nur dem Namen nach, den
köstlichsten Fisch unserer einheimischen Gewässer, den könig-
lichen Lachs oder Salm, der aus der Nord- und Ostsee, seiner
Heimath, vom Frühjahr an schaaremveise in die zum Meere
mündenden Ströme und in deren Nebenflüsse heranssteigt und
den Gegenstand eines beeifertcn Fangs und eines ausgedehnten
Handels bildet? Der Salm oder Lachs, der 8almo salar der

Naturforscher, hat beinahe unter allen Fischen der nördlichen
Halbkugel das köstlichste, nahrhafteste nud fetteste Fleisch, wel-
ches durch seine röthlich-gelbe Färbung und gedrungene Tex-
tur noch besonders appetitlich ist Und gewaltige Bissen liefert,
da der Lachs bis zu 6 Fuß lang und 60 Pfund schwer wer-
den kann. Seine Heimath sind ' die Meere der nördlichen
Erdhälste in der alten und neuen Welt, in deren größere
Ströme er dann des Laichens wegen heraufsteigt. Er findet
sich, wiewohl in geringer Menge, auch im Schwarzen und im
Kaspischen Meere, dagegen fehlt er in den Meeren und Strö-
men Sibiriens. In Deutschland kommt der Lachs vom Früh-
jahr an in größeren Zügen den Rhein und die Elbe herauf,
gelangt im Rhein bis zum Rheinfall bei Schaffhausen, über-
steigt diesen sogar und gelangt durch die Aar bis Thun,
durch die Reuß bis Luzern, und wird ebenso bisweilen in
der Mosel, Lahn, dem Main und Neckar gefangen, während
er durch die Elbe bis nach Böhmen hinaufsteigt. Nichts kann
den Lachs auf diesem Zuge zurückhalten, weder Wehr noch
Wasserfall; er folgt einem Raturdrang, einem unabänderlichen
Gebote.
Die Wanderungen des Lachses finden mit ungemeiner
Regelmäßigkeit statt. Sobald der Eisgang vorüber ist, nähern
sich die Lachse in Gesellschaften von 30—40 Stück den Küsten
und den Mündungen der Flüsse, halten sich hier eine Zeit
lang auf, uni sich gleichsam erst an das süße Wasser zu ge-
wöhnen, steigen mit der Fluth stromaufwärts und kehren
mit der Ebbe wieder zurück, bis sie gewissermaßen für die
eigentliche Reise vorbereitet sind.. Sobald sie ihre Wande-
rung antreten, stellen sie sich, wie die Fischer versichern, in
zwei Reihen ans, die in der Form eines ä. an der Spitze Zu-
sammenstößen, so daß der spitze Winkel, der immer durch den
größten und stärksten Fisch der Gesellschaft gebildet wird, der
Strömung zugekehrt ist; die anderen schließen sich in größerer
oder geringerer Entfernung seitwärts demselben an, und so
schwimmen sie ruhig nud unaufhaltsam vorwärts gegen
Strömung und Stromschnellen, suchen jedes Hinderniß zu
überwinden, unter den Netzen durchzukommen oder diese zn
zerreißen, und entfalten eine wunderbare Kraft, Gewandtheit
nnd Ausdauer, nm über Wehre und Wasserfälle emporzu-
springen. Der Anführer dringt durch den stärksten Strom
bis unmittelbar unter die Stelle, wo er springen muß, stemmt
wohl auch seinen Schwanz an einen Stein, um sich einen Halt
zu sichern, krümmt sich zusammen, daß er Kopf und Schwanz
aus dem Wasser bringt und schlägt mit dem letzter» so ge-
waltig auf das Wasser, daß er vier bis sechs Fuß hoch im
Bogen emporgeschleudert wird und acht bis zehn Fuß davon
wieder niedersällt und so das Hinderniß überwindet; die an-
deren Lachse folgen seinem Beispiel. Sie wandern ziemlich
langsam, denn sie erscheinen erst gegen Ende Mai im Rhein
bei Basel, und in den kleineren Flüssen noch später; sie
schwimmen ruhig, so lange sie nicht beunruhigt werden; droht
ihnen aber Gefahr, so flüchten sie mit ungemeiner Behendig-
keit. — Die Laichzeit dauert vom Septeniber bis Weihnachten,
und ist jm Oktober und November am stärksten; die Weib-
chen suchen zn diesem Zweck in kleinen Flüssen und Bächen
einen sandigen Grund auf, wühlen darin eine Grube hinein
und legen hier ihre Eier ab, die sie leicht bedecken. Die
Eier sind ungemein zahlreich; bei einem Weibchen von 20Psd.
Schwere zähste der Naturforscher Bloch über 27,000 Eier.
Nach dem Laichen ist das Fleisch des Fisches nicht mehr gut.
Wahrend des Winters kehrt der Fisch wieder in's Meer zu-
rück. Außer dem Wasser stirbt der Salm bald, aber bei
kühlem Wetter oder künstlicher Verpackung in Eis hält sich
sein Fleisch lange frisch und kann daher weithin versendet
werden.
Unser Bild auf Seite 513 veranschaulicht eine der Arten,
wie man den Salm im Rhein im Großen fängt, wenn er in
Gesellschaft den Strom hinansteigt. Eine Anzahl Fischer mit
etwa einem Dutzend Kühnen thun sich zn einem gemeinsamen
Fischzuge zusammen; sie bringen zu diesem Behuf im Vorder-
theil ihrer Kähne ein 'Gestell aus zwei ausrechten, oben durch
ein Querholz verbundenen Balken an, wie solche ans unserem
Bilde zn sehen sind. Das Querholz trägt eine Rotte, nnd
über diese Rolle läuft ein Tan, dessen eines Ende ausgewickelt
und durch einen Steckbolzen festgehalten ist, während das an-
dere an einen Theil des ungeheuren Netzes, dessen man sich
zum Salmenfange bedient, angebunden ist.
Wenn die Nachen vom Ufer abstoßen, beschreiben sie einen
Kreis; einer der Nachen enthält das Netz, welches in den
Strom nutgeworfen wird, festgehalten an den Tauen, die an
den verschiedenen Nachen befestigt sind. Das Retz bleibt eine
halbe Stunde im Wasser; dann zieht jeder Kahn dasselbe
mittelst der Rolle an sich und die verschiedenen Kühne be-
dienen sich der Ruder, um sich dem Mittelpunkt zu nähern;
in diesem Augenblick fährt der Hauptkahn in die Mitte hin-
ein, schließt daS Netz, nimmt es in's Schlepptau und zieht es
nach dem User, wo die gesaugenen Salmen zu gleichen Theilen
unter die verschiedenen Boote vertheilt werden. Dieselben
Stellen, wo der Fang stattgefunden hat, werden von vier-
zehn zu vierzehn Tagen immer wieder abgefischt.

Die Arbeiten nn der Riesenstntue der Freiheit,
bestimmt zur Aufstellung um Eingänge des
Hafens von Rem-Horb.
(Siehe das Bild auf Seite 516.)
(Nachdruck verboten.)
Wir haben schon im 6. Heste dieses Jahrgangs des groß-
artigen Planes gedacht, welchen eine Anzahl von Franzosen
nnd Amerikanern anszuführcn nnternommen haben, nm zur
Feier des ersten hundertjährigen Jubiläums des Bestehens
der Republik der Vereinigten Staaten am Eingang des Hafens
von Rew-Nork eine riesige Statue der Freiheit aus eiuem
Felfeneitand zu errichten, welche groß genug ist, um bei Tage
den Schiffen als Landmarke zn dienen und bei Nacht durch
Leuchtfeuer sich als eine Art Pharus bemerktich zn machen.
Das Unternehmen hat solch ungemeinen Anklang in Frank-
reich und in Amerika gesunden, daß bereits die Summe voll-
 
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