594
„Haha! Wenn ich Herr des Gutes bin, habe ich
nichts mehr zu befürchten!" rief Pelzer übermüthig.
„Komm morgen Abend zu mir, denn ich will den Tag
feiern, an dem mein Wunsch endlich in Erfüllung geht!"
Er hatte das Gelingen feines Planes sich so fest in
den Kopf gesetzt, daß er jeden Zweifel gewaltsam von
sich fortdrängte.
Mit der wiederholten Einladung: „Vergiß nicht,
morgen Abend zu mir zu kommen!" verließ er den Müller.
In der Equipage der Freifrau fuhr er am folgenden
Morgen mit seinem Sohne, einer fast abschreckenden Er-
scheinung mit rothem Haar und kleinen scheuen Augen,
zur Stadt. Er befand sich in einer Erregung, die einem
Rausche glich.
„Haha! Die Bauern werden Augen machen, wenn
der Inspektor als Gutsbesitzer zurückkehrt!" rief er.
„Keiner von ihnen ist mir freundlich gesinnt, ich werde
es ihnen vergelten. Seit langen Jahren haben sie ihr
Vieh mit auf die Waide des Gutes getrieben, obschon
sie keine Berechtigung dazu haben; Niemand hat es
ihnen gewehrt, aber ich werde es thun, sobald das Gut
in meinen Händen ist. Sie können ohne die Waide
nicht fertig werden, wenn sie nicht die Hälfte ihres,
Viehstandes aufgcbcn wollen; als Bittende sollen sie Alle
zu mir kommen, und das Recht, welches sie nicht mehr
entbehren können, obenein thener erkaufen!"
In Pelzer's Sohne regten sich Bedenken, er sprach
sie ans, obschon das Gefühl des Mitleids auch er nie
kennen gelernt hatte. Er besaß dieselbe Habsucht, wie
sein Vater, er war ebenso schlau, aber ängstlicher.
„Du hast nie Muth besessen!" fuhr Pelzer fort.
„Durch Deine Schüchternheit hast Du Dir bereits die
reiche Tochter des Müllers entgehen lassen; nun, es ist
vielleicht ganz gut so, denn sie würde doch nicht zu
der Frau eines Gutsbesitzers gepaßt haben. Mein Blick
reicht jetzt viel weiter, ich kenne mehrere adelige Damen,
welche Dir gerne ihre Hand reichen werden, und ich
wünsche, daß Du eine Adelige heirathest, damit der
ganze Kreis des Adels uns erschlossen wird!"
„Du gehst in Deinen Plänen zu weit, Vater,"
warf der Sohn ein.
„Laß mich gewähren!" rief Pelzer. „Du weißt nicht,
wie viel ich durch den Hochmuth der Freifrau gelitien
habe; nuu will ich hochmüthig werden, Andere sollen
durch mich dasselbe erfahren, was ich erduldet habe; ich
werde aber klüger sein als die Freifrau und mein Ver-
mögen nicht verschwenden."
Sie langten in der Stadt an und begaben sich so-
fort zum Gerichtsgebäude, wo der Verkaufstermin statt-
fand. Pelzer war nicht angenehm überrascht, als er
außer einer Anzahl Herren auch Balder, Gröning und
Heino anwesend fand. Daß die Letzteren mit der Ab-
sicht, das Gut zu kaufen, gekommen waren, konnte für
ihn nicht zweifelhaft sein. Er sah ein, daß er sein Ziel
nicht so leicht erreichen werde, als er gehofft hatte.
Balder trat zu ihm.
„Führt Sie auch die Absicht, auf das Gut zu bie-
ten, hieher?" fragte er, scheinbar mit der größten Un-
befangenheit.
„Ja, aber nicht für mich, Herr Balder," entgegnete
Pelzer. „Woher sollte ein armer Inspektor die Mittel
nehmen, um solche Besitzung zu erwerben? Ein Herr,
dessen Namen ich vorläufig nicht nennen darf, hat mich
ersucht, ihn zu vertreten, er wünscht das Gut zu er-
werben, obschon ich als ehrlicher Mann ihm nicht dazu
gerathen habe. Es wird höher geschätzt, als sein Werth
ist, ich kenne es genau, genauer als irgend Jemand, und
weiß, welche Mühen und Opfer es verlangt, um ihm
einen mäßigen Ertrag abzugewinnen. Besäße ich die
Mittel, so würde ich auf diese Besitzung mein Augen-
merk am wenigsten richten."
Balder zuckte mit der Achsel.
„Sie mögen vielleicht Recht haben," bemerkte er, „es
gibt indessen Liebhabereien, welche sich über solche Be-
denken hinwegsehen."
„Haben auch Sie die Absicht, das Gut zu erwerben?"
fragte Pelzer.
„Es ist möglich! Ich könnte meine Besitzung sehr
Wesentlich dadurch abrundcn und vergrößern."
„Es kommt mir nicht zu, Ihnen einen Rath zu er-
theilen, aber ich möchte Ihnen nimmermehr dazu ratheu,"
fuhr Pelzer, den diese Worte sehr beunruhigten, fort.
„Ich bin fest überzeugt, daß Sie es später bereuen wür-
den, denn Ihre Besitzung hat gerade die Größe, daß sie
sich genügend übersehen läßt."
„Herr Inspektor, ich bereue nie etwas, was ich ein-
mal gethan habe, da ich nicht ohne vorherige ruhige
Prüfung uud Ueberlegung zu handeln Pflege," bemerkte
Balder. „Ich bin Ihnen übrigens für Ihren Rath
dankbar, derselbe beweist mir Ihren scharfen Blick, denn
es ist richtig, der Ertrag einer Besitzung verringert sich,
sobald die Größe derselben ein gewisses Blaß über-
schreitet, sobald Ein Kopf zur Leitung derselben nicht
mehr ausreicht."
Pelzer trat näher an Balder heran.
„Glauben Sie, daß der künftige Schwiegervater des
Freiherrn das Gut zu kaufen beabsichtigt?" fragte er
fast flüsternd.
Das Buch für Alle.
„Ich weiß es nicht," gab Balder zur Antwort.
„Rathen Sie ihm ab; er ist reich und kann seinem
Schwiegersöhne eine bessere Besitzung erwerben, dies Gut
erfordert die ganze Thatkraft eines erfahrenen und tüch-
tigen Mannes, um ihm einen erträglichen Gewinn ab-
zuringen. Ich habe den Freiherrn stets gern gehabt,
er war schon ein prächtiger und lieber Knabe und ich
möchte nicht, daß ihm eine solche Aufgabe aufgebürdet
wird, der er nicht gewachsen ist. Sagen Sie ihm dies,
auf mein Wort würde er vielleicht nicht hören, es ist
zwar das Gut seiner Mutter, allein es würde eine Last
für ihn sein, so lange er es besäße."
„Ich bin nicht so vertrant mit ihm, um ihm sol-
chen Rath ertheilen zu können," bemerkte Balder. „Ich
glaube auch in der That kaum, daß er das Gut erwer-
ben wird."
Pelzer trat zu den anderen Herren, um deren Ab-
sicht zu erforschen, es gelang ihm indessen wenig. Hier
und dort ließ er ein Wort fallen, daß der Werth des
Gutes überschätzt werde, daß es eine sehr undankbare
und wenig lohnende Besitzung sei.
Der Polizeikommissür Scheller trat in das Zimmer,
Pelzer grüßte ihn nur flüchtig und achtete nicht weiter
auf ihn; die Neugierde schien ihn hergeführt zu haben.
Heino stand in größter Aufregung, die er nnr mit
Mühe verbarg, neben Gröning. Es war ihm ein un-
sagbar schmerzliches Gefühl, daß das Gut seiner Blutter
öffentlich verkauft wurde. Nicht der Stolz in ihm
bäumte sich auf, er konnte den Gedanken kaum fassen,
daß die Stätten, an denen er als Knabe gespielt hatte,
vielleicht in fremde Hände geriethen. Auf Gröniug's
Wunsch hatte er ihn begleitet, da dieser das Gut zu
kaufen wünschte, er bereute es, da die Blicke der meisten
Anwesenden sich auf ihn richteten.
Er trat an ein Fenster und blickte hinab auf die Straße.
Die Verhandlung begann, die Gebote wurden ab-
gegeben und steigerten sich lebhaft. Pelzer stand mit
gerötheten Wangen und leuchtenden Augen da, die wich-
tigste Stunde seines Lebens war gekommen. Bei jedem
höheren Gebote zuckte er zusammen, denn es nöthigte
ihn, noch mehr zu bieten, da er den einmal fest gefaßten
Wunsch nicht aufgebeu mochte. Sein Sohn stand hin-
ter ihn: und suchte ihn zurückzuhalten, er stieß ihn un-
willig zurück, denn er wollte seinen Willen durchsetzen.
Gröning betheiligte sich in ruhiger fester Weise an dem
Verkaufe, er achtete nicht auf die gehässigen Blicke,
welche Pelzer ihm zuwarf, als sie die Letzten waren,
welche boten, er hatte sich eine bestimmte Summe ge-
setzt und ruhig steigerte er bis zu derselben; Pelzer über-
bot ihn.
Gröning trat zurück, eine triumphirende Freude
leuchtete aus den Blicken des Inspektors, als Balder,
der bis dahin neben Heino gestanden hatte, herantrat
und 30,000 Thaler mehr bot.
Petzer fuhr erschreckt zurück.
„Sie überbieten sich, das Gut ist so viel nicht Werth!"
rief er.
„Herr Inspektor, das ist Wohl meine Sache," be-
merkte Balder ruhig.
Pelzer zitterte erregt, was er seit Jahren erstrebt,
was all' seine Gedanken beschäftigt hatte, sollte für ihn
verloren gehen? Der äußerste Werth des Gutes war
bereits erreicht, vielleicht schon überstiegen — er raffte
sich zusammen und bot mit bebender Stimme 500 Tha-
ler mehr.
Lächelnd überbot ihn Balder um 10,000 Thaler.
„Er ist wahnsinnig!" rief Pelzer zurücktaumelnd.
„Er weiß nicht, was er thut!"
Sein Sohn umfaßte ihn und bat ihn, ruhig zu sein.
„Nein, nein, er darf das Gut nicht bekommen!" rief
Pelzer, kaum wissend, was er that. „Ich — ich —"
sein Sohn drängte ihn fast mit Gewalt zum Hinter-
gründe des Zimmers.
Balder hatte das Gut erstanden, er hinterlegte die
erforderliche Summe in die Hand des Gerichtsbeamten
— das Gut der Freifrau v. Buddenberg war fein
Eigenthum.
Sein hohes Gebot hatte das Erstaunen aller An-
wesenden erregt, sie begriffen ihn nicht und drängten
sich zu ihn heran, um von ihm Aufklärung zu erhalten.
Ihre Aufmerksamkeit wurde indessen Plötzlich durch den
Kommissär abgelenkt, der auf Pelzer zutrat und ihm
erklärte, daß er ihn im Namen des Gesetzes verhafte.
Bleich, erschreckt sprang der Inspektor empor und
blickte den Beamten nut starren Augen an.
„Folgen Sie mir!" sprach Scheller ruhig.
„Nein, nein!" rief Pelzer und klammerte sich an
seinen Sohn. Alles — Alles um ihn schien zusammen-
zustürzen, sein langjähriger Wunsch, sein sorgfältig vor-
bereiteter Plan — seine Brust rang nach Athem.
Balder trat zu ihm.
„Herr Inspektor, es gibt noch eine Gerechtigkeit,"
sprach er. „Sie haben eine Schuld zu sühnen, die Sie
seit langen — langen Jahren aufgehäuft!"
Pelzer raffte sich auf, er richtete sich empor, sein
Auge haftete starr auf Balder, dann sank er halb ohn-
mächtig zurück und ließ sich willenlos, von seinem Sohne
unterstützt, aus dem Zimmer führen.
Heft 25.
Balder trat zu Gröning und Heino, welche über
Pelzer's Verhaftung überrascht und verstimmt, weil das
Gut in fremde Hände gelangt war, schweigend dastanden.
„Ich habe eine Bitte an Sie — begleiten Sie mich
auf mein Gut," sprach er.
„Ich danke Ihnen, wir müssen zurückkehren," ent-
gegnete Heino ziemlich kurz.
lieber Balder's Gesicht glitt es wie ein wchmüthiger
Schatten.
„Herr Freiherr, als wir uns zuletzt sahen, sagten
Sie mir, daß wir gute Freunde sein wollten," sprach
er; „ich rufe Ihnen dies Wort in die Erinnerung, um
auf die Erfüllung meiner Bitte zu dringen. Kommen
Sie mit mir. Ich bin Ihnen über mehr als einen
Punkt Aufklärung schuldig — sehen Sie mich nicht so
unwillig an, ich gebe Ihnen die Versicherung, daß wir
als Freunde scheiden werden."
Heino schwieg.
„Herr Gröning, werden auch Sie meine Bitte ab-
lehnen?" wandte sich Balder an den Fabrikanten. „Ge-
stehen Sie offen, es verstimmt Sie, daß ich das Gut er-
worben habe, sobald wir auf meiner Besitzung angelangt
sind, werde ich Ihnen vollständige Aufklärung geben,
und Sie werden mir nicht mehr zürnen. Ich bitte Sie
innig, begleiten Sie mich."
Gröning wechselte niit Heino einen flüchtigen Blick.
„Gut, wir werden Sie begleiten, ich befürchte nur,
daß wir keine heiteren Gesellschafter sein werden," cr-
wiederte Gröning. „Sie dürfen unsere Empfindungen
nicht mißdeuten, es muß den Freiherrn hart berühren,
daß das Gut seiner Blutter in eine fremde Hand ge-
langt ist — ich konnte freilich eine so hohe Summe
dafür nicht zahlen."
„Bitte, lassen Sie uns darüber schweigen," bat
Heino, indem er Balder folgte.
In Balder's Wagen verließen sie die Stadt. Heino
blickte schweigend, in trübe Gedanken versunken, vor sich
hin, Balder schien in überaus glücklicher Stimmung zu
seiu, seine Augen leuchteten freudig. Er bot Alles auf,
um seine Begleiter zu unterhalten und die Verstimmung
aus ihnen zu verscheuchen.
„Wußten Sie, daß der Inspektor verhaftet werden
würde ?" fragte Gröning.
„Ja, es ist sogar auf meine Veranlassung geschehen,"
erwiederte Balder. „Ich habe dem Staatsauwalte die
Beweise überliefert, daß er seine Herrin seit Jahren in
der umfassendsten Weise betrogen und bestohlen hat.
Seine Schuld ist es, daß das Gut heute verkauft ist,
und er selbst hat sich ein Vermögen dabei gesammelt."
Heino horchte auf.
„Sie haben Beweise hiefür?" fragte er.
„Ja, mehr als genügend sind, um ihn in das Ge-
fängnis; zu bringen," gab Balder zur Antwort. „Selbst
der Staatsanwalt war über die Größe und Dreistigkeit
des Betrugs erstaunt. Sein Streben war sogar dahin
gerichtet, daS Gut selbst zu kaufen, denn er bot heute
nicht für einen Anderen, wie er sagte, sondern für sich
selbst."
„Und er Hütte sein Streben fast erreicht," warf
Heino ein.
„Nimmermehr!" versicherte Balder. „Ich würde
mit Vergnügen noch 30,000 Thaler mehr bezahlt haben."
„Das Gut hat einen so großen Werth nicht," be-
merkte Gröning.
„Für mich hat es einen noch größeren."
„Weshalb haben Sie nicht Sorge getragen, daß
Pelzer nicht früher verhaftet wurde?" fuhr Gröning
fort.
„Ich habe den Staatsanwalt ausdrücklich gebeten,
daß es erst nach beendetem Verkaufe geschehen möge,"
erwiederte Balder. „Es lag mir daran, durch die That
zu beweisen, worauf sein Streben gerichtet war; jetzt
kann er es nimmer leugnen. Ist dasselbe auch nicht
strafbar, so wirft es auf seinen Charakter doch das
richtige Licht und zeigt, wie er das volle Vertrauen,
welches er so lange Jahre genossen hat, zu lohneu ge-
dachte. Es war sein Entschluß, die Freifrau sofort von
dem Gute zu vertreiben."
Heino zuckte zusammen; auch er hatte Pelzer nie
getraut, ihn aber einer solchen schändlichen Absicht nicht
für fähig gehalten.
„Wie ist es Ihnen gelungen, in den Besitz der Be-
weise zu gelangen?" fragte er.
„Herr Freiherr, lassen Sie mich die Antwort bis zu
unserer Ankunft auf meinem Gute aufsparen," entgeg-
nete Balder. „Sie werden meine freudige, glückliche
Stimmung vielleicht nicht fassen, allein es ist heute ein
Tag für mich, wie er wenigen Menschen beschieden ist
und wie er für mich Wohl nie wiederkehren wird. —
Fahr' schneller!" rief er dem Kutscher zu. „Heute
brauchst Du die Pferde nicht zu schonen, laß sie laufen
und wenn es heute ihr letzter Lauf ist! Nur bringe
uns sicher und wohlbehalten zum Ziele."
Unwillkürlich und nicht ohne Besorgniß ließ Gröning
den Blick über Balder hingleiten. Die Freude über
den Kauf des Gutes schien ihn berauscht zu haben, er
begriff ihn nicht, und doch blickte sein Auge so offen
und klar.
„Haha! Wenn ich Herr des Gutes bin, habe ich
nichts mehr zu befürchten!" rief Pelzer übermüthig.
„Komm morgen Abend zu mir, denn ich will den Tag
feiern, an dem mein Wunsch endlich in Erfüllung geht!"
Er hatte das Gelingen feines Planes sich so fest in
den Kopf gesetzt, daß er jeden Zweifel gewaltsam von
sich fortdrängte.
Mit der wiederholten Einladung: „Vergiß nicht,
morgen Abend zu mir zu kommen!" verließ er den Müller.
In der Equipage der Freifrau fuhr er am folgenden
Morgen mit seinem Sohne, einer fast abschreckenden Er-
scheinung mit rothem Haar und kleinen scheuen Augen,
zur Stadt. Er befand sich in einer Erregung, die einem
Rausche glich.
„Haha! Die Bauern werden Augen machen, wenn
der Inspektor als Gutsbesitzer zurückkehrt!" rief er.
„Keiner von ihnen ist mir freundlich gesinnt, ich werde
es ihnen vergelten. Seit langen Jahren haben sie ihr
Vieh mit auf die Waide des Gutes getrieben, obschon
sie keine Berechtigung dazu haben; Niemand hat es
ihnen gewehrt, aber ich werde es thun, sobald das Gut
in meinen Händen ist. Sie können ohne die Waide
nicht fertig werden, wenn sie nicht die Hälfte ihres,
Viehstandes aufgcbcn wollen; als Bittende sollen sie Alle
zu mir kommen, und das Recht, welches sie nicht mehr
entbehren können, obenein thener erkaufen!"
In Pelzer's Sohne regten sich Bedenken, er sprach
sie ans, obschon das Gefühl des Mitleids auch er nie
kennen gelernt hatte. Er besaß dieselbe Habsucht, wie
sein Vater, er war ebenso schlau, aber ängstlicher.
„Du hast nie Muth besessen!" fuhr Pelzer fort.
„Durch Deine Schüchternheit hast Du Dir bereits die
reiche Tochter des Müllers entgehen lassen; nun, es ist
vielleicht ganz gut so, denn sie würde doch nicht zu
der Frau eines Gutsbesitzers gepaßt haben. Mein Blick
reicht jetzt viel weiter, ich kenne mehrere adelige Damen,
welche Dir gerne ihre Hand reichen werden, und ich
wünsche, daß Du eine Adelige heirathest, damit der
ganze Kreis des Adels uns erschlossen wird!"
„Du gehst in Deinen Plänen zu weit, Vater,"
warf der Sohn ein.
„Laß mich gewähren!" rief Pelzer. „Du weißt nicht,
wie viel ich durch den Hochmuth der Freifrau gelitien
habe; nuu will ich hochmüthig werden, Andere sollen
durch mich dasselbe erfahren, was ich erduldet habe; ich
werde aber klüger sein als die Freifrau und mein Ver-
mögen nicht verschwenden."
Sie langten in der Stadt an und begaben sich so-
fort zum Gerichtsgebäude, wo der Verkaufstermin statt-
fand. Pelzer war nicht angenehm überrascht, als er
außer einer Anzahl Herren auch Balder, Gröning und
Heino anwesend fand. Daß die Letzteren mit der Ab-
sicht, das Gut zu kaufen, gekommen waren, konnte für
ihn nicht zweifelhaft sein. Er sah ein, daß er sein Ziel
nicht so leicht erreichen werde, als er gehofft hatte.
Balder trat zu ihm.
„Führt Sie auch die Absicht, auf das Gut zu bie-
ten, hieher?" fragte er, scheinbar mit der größten Un-
befangenheit.
„Ja, aber nicht für mich, Herr Balder," entgegnete
Pelzer. „Woher sollte ein armer Inspektor die Mittel
nehmen, um solche Besitzung zu erwerben? Ein Herr,
dessen Namen ich vorläufig nicht nennen darf, hat mich
ersucht, ihn zu vertreten, er wünscht das Gut zu er-
werben, obschon ich als ehrlicher Mann ihm nicht dazu
gerathen habe. Es wird höher geschätzt, als sein Werth
ist, ich kenne es genau, genauer als irgend Jemand, und
weiß, welche Mühen und Opfer es verlangt, um ihm
einen mäßigen Ertrag abzugewinnen. Besäße ich die
Mittel, so würde ich auf diese Besitzung mein Augen-
merk am wenigsten richten."
Balder zuckte mit der Achsel.
„Sie mögen vielleicht Recht haben," bemerkte er, „es
gibt indessen Liebhabereien, welche sich über solche Be-
denken hinwegsehen."
„Haben auch Sie die Absicht, das Gut zu erwerben?"
fragte Pelzer.
„Es ist möglich! Ich könnte meine Besitzung sehr
Wesentlich dadurch abrundcn und vergrößern."
„Es kommt mir nicht zu, Ihnen einen Rath zu er-
theilen, aber ich möchte Ihnen nimmermehr dazu ratheu,"
fuhr Pelzer, den diese Worte sehr beunruhigten, fort.
„Ich bin fest überzeugt, daß Sie es später bereuen wür-
den, denn Ihre Besitzung hat gerade die Größe, daß sie
sich genügend übersehen läßt."
„Herr Inspektor, ich bereue nie etwas, was ich ein-
mal gethan habe, da ich nicht ohne vorherige ruhige
Prüfung uud Ueberlegung zu handeln Pflege," bemerkte
Balder. „Ich bin Ihnen übrigens für Ihren Rath
dankbar, derselbe beweist mir Ihren scharfen Blick, denn
es ist richtig, der Ertrag einer Besitzung verringert sich,
sobald die Größe derselben ein gewisses Blaß über-
schreitet, sobald Ein Kopf zur Leitung derselben nicht
mehr ausreicht."
Pelzer trat näher an Balder heran.
„Glauben Sie, daß der künftige Schwiegervater des
Freiherrn das Gut zu kaufen beabsichtigt?" fragte er
fast flüsternd.
Das Buch für Alle.
„Ich weiß es nicht," gab Balder zur Antwort.
„Rathen Sie ihm ab; er ist reich und kann seinem
Schwiegersöhne eine bessere Besitzung erwerben, dies Gut
erfordert die ganze Thatkraft eines erfahrenen und tüch-
tigen Mannes, um ihm einen erträglichen Gewinn ab-
zuringen. Ich habe den Freiherrn stets gern gehabt,
er war schon ein prächtiger und lieber Knabe und ich
möchte nicht, daß ihm eine solche Aufgabe aufgebürdet
wird, der er nicht gewachsen ist. Sagen Sie ihm dies,
auf mein Wort würde er vielleicht nicht hören, es ist
zwar das Gut seiner Mutter, allein es würde eine Last
für ihn sein, so lange er es besäße."
„Ich bin nicht so vertrant mit ihm, um ihm sol-
chen Rath ertheilen zu können," bemerkte Balder. „Ich
glaube auch in der That kaum, daß er das Gut erwer-
ben wird."
Pelzer trat zu den anderen Herren, um deren Ab-
sicht zu erforschen, es gelang ihm indessen wenig. Hier
und dort ließ er ein Wort fallen, daß der Werth des
Gutes überschätzt werde, daß es eine sehr undankbare
und wenig lohnende Besitzung sei.
Der Polizeikommissür Scheller trat in das Zimmer,
Pelzer grüßte ihn nur flüchtig und achtete nicht weiter
auf ihn; die Neugierde schien ihn hergeführt zu haben.
Heino stand in größter Aufregung, die er nnr mit
Mühe verbarg, neben Gröning. Es war ihm ein un-
sagbar schmerzliches Gefühl, daß das Gut seiner Blutter
öffentlich verkauft wurde. Nicht der Stolz in ihm
bäumte sich auf, er konnte den Gedanken kaum fassen,
daß die Stätten, an denen er als Knabe gespielt hatte,
vielleicht in fremde Hände geriethen. Auf Gröniug's
Wunsch hatte er ihn begleitet, da dieser das Gut zu
kaufen wünschte, er bereute es, da die Blicke der meisten
Anwesenden sich auf ihn richteten.
Er trat an ein Fenster und blickte hinab auf die Straße.
Die Verhandlung begann, die Gebote wurden ab-
gegeben und steigerten sich lebhaft. Pelzer stand mit
gerötheten Wangen und leuchtenden Augen da, die wich-
tigste Stunde seines Lebens war gekommen. Bei jedem
höheren Gebote zuckte er zusammen, denn es nöthigte
ihn, noch mehr zu bieten, da er den einmal fest gefaßten
Wunsch nicht aufgebeu mochte. Sein Sohn stand hin-
ter ihn: und suchte ihn zurückzuhalten, er stieß ihn un-
willig zurück, denn er wollte seinen Willen durchsetzen.
Gröning betheiligte sich in ruhiger fester Weise an dem
Verkaufe, er achtete nicht auf die gehässigen Blicke,
welche Pelzer ihm zuwarf, als sie die Letzten waren,
welche boten, er hatte sich eine bestimmte Summe ge-
setzt und ruhig steigerte er bis zu derselben; Pelzer über-
bot ihn.
Gröning trat zurück, eine triumphirende Freude
leuchtete aus den Blicken des Inspektors, als Balder,
der bis dahin neben Heino gestanden hatte, herantrat
und 30,000 Thaler mehr bot.
Petzer fuhr erschreckt zurück.
„Sie überbieten sich, das Gut ist so viel nicht Werth!"
rief er.
„Herr Inspektor, das ist Wohl meine Sache," be-
merkte Balder ruhig.
Pelzer zitterte erregt, was er seit Jahren erstrebt,
was all' seine Gedanken beschäftigt hatte, sollte für ihn
verloren gehen? Der äußerste Werth des Gutes war
bereits erreicht, vielleicht schon überstiegen — er raffte
sich zusammen und bot mit bebender Stimme 500 Tha-
ler mehr.
Lächelnd überbot ihn Balder um 10,000 Thaler.
„Er ist wahnsinnig!" rief Pelzer zurücktaumelnd.
„Er weiß nicht, was er thut!"
Sein Sohn umfaßte ihn und bat ihn, ruhig zu sein.
„Nein, nein, er darf das Gut nicht bekommen!" rief
Pelzer, kaum wissend, was er that. „Ich — ich —"
sein Sohn drängte ihn fast mit Gewalt zum Hinter-
gründe des Zimmers.
Balder hatte das Gut erstanden, er hinterlegte die
erforderliche Summe in die Hand des Gerichtsbeamten
— das Gut der Freifrau v. Buddenberg war fein
Eigenthum.
Sein hohes Gebot hatte das Erstaunen aller An-
wesenden erregt, sie begriffen ihn nicht und drängten
sich zu ihn heran, um von ihm Aufklärung zu erhalten.
Ihre Aufmerksamkeit wurde indessen Plötzlich durch den
Kommissär abgelenkt, der auf Pelzer zutrat und ihm
erklärte, daß er ihn im Namen des Gesetzes verhafte.
Bleich, erschreckt sprang der Inspektor empor und
blickte den Beamten nut starren Augen an.
„Folgen Sie mir!" sprach Scheller ruhig.
„Nein, nein!" rief Pelzer und klammerte sich an
seinen Sohn. Alles — Alles um ihn schien zusammen-
zustürzen, sein langjähriger Wunsch, sein sorgfältig vor-
bereiteter Plan — seine Brust rang nach Athem.
Balder trat zu ihm.
„Herr Inspektor, es gibt noch eine Gerechtigkeit,"
sprach er. „Sie haben eine Schuld zu sühnen, die Sie
seit langen — langen Jahren aufgehäuft!"
Pelzer raffte sich auf, er richtete sich empor, sein
Auge haftete starr auf Balder, dann sank er halb ohn-
mächtig zurück und ließ sich willenlos, von seinem Sohne
unterstützt, aus dem Zimmer führen.
Heft 25.
Balder trat zu Gröning und Heino, welche über
Pelzer's Verhaftung überrascht und verstimmt, weil das
Gut in fremde Hände gelangt war, schweigend dastanden.
„Ich habe eine Bitte an Sie — begleiten Sie mich
auf mein Gut," sprach er.
„Ich danke Ihnen, wir müssen zurückkehren," ent-
gegnete Heino ziemlich kurz.
lieber Balder's Gesicht glitt es wie ein wchmüthiger
Schatten.
„Herr Freiherr, als wir uns zuletzt sahen, sagten
Sie mir, daß wir gute Freunde sein wollten," sprach
er; „ich rufe Ihnen dies Wort in die Erinnerung, um
auf die Erfüllung meiner Bitte zu dringen. Kommen
Sie mit mir. Ich bin Ihnen über mehr als einen
Punkt Aufklärung schuldig — sehen Sie mich nicht so
unwillig an, ich gebe Ihnen die Versicherung, daß wir
als Freunde scheiden werden."
Heino schwieg.
„Herr Gröning, werden auch Sie meine Bitte ab-
lehnen?" wandte sich Balder an den Fabrikanten. „Ge-
stehen Sie offen, es verstimmt Sie, daß ich das Gut er-
worben habe, sobald wir auf meiner Besitzung angelangt
sind, werde ich Ihnen vollständige Aufklärung geben,
und Sie werden mir nicht mehr zürnen. Ich bitte Sie
innig, begleiten Sie mich."
Gröning wechselte niit Heino einen flüchtigen Blick.
„Gut, wir werden Sie begleiten, ich befürchte nur,
daß wir keine heiteren Gesellschafter sein werden," cr-
wiederte Gröning. „Sie dürfen unsere Empfindungen
nicht mißdeuten, es muß den Freiherrn hart berühren,
daß das Gut seiner Blutter in eine fremde Hand ge-
langt ist — ich konnte freilich eine so hohe Summe
dafür nicht zahlen."
„Bitte, lassen Sie uns darüber schweigen," bat
Heino, indem er Balder folgte.
In Balder's Wagen verließen sie die Stadt. Heino
blickte schweigend, in trübe Gedanken versunken, vor sich
hin, Balder schien in überaus glücklicher Stimmung zu
seiu, seine Augen leuchteten freudig. Er bot Alles auf,
um seine Begleiter zu unterhalten und die Verstimmung
aus ihnen zu verscheuchen.
„Wußten Sie, daß der Inspektor verhaftet werden
würde ?" fragte Gröning.
„Ja, es ist sogar auf meine Veranlassung geschehen,"
erwiederte Balder. „Ich habe dem Staatsauwalte die
Beweise überliefert, daß er seine Herrin seit Jahren in
der umfassendsten Weise betrogen und bestohlen hat.
Seine Schuld ist es, daß das Gut heute verkauft ist,
und er selbst hat sich ein Vermögen dabei gesammelt."
Heino horchte auf.
„Sie haben Beweise hiefür?" fragte er.
„Ja, mehr als genügend sind, um ihn in das Ge-
fängnis; zu bringen," gab Balder zur Antwort. „Selbst
der Staatsanwalt war über die Größe und Dreistigkeit
des Betrugs erstaunt. Sein Streben war sogar dahin
gerichtet, daS Gut selbst zu kaufen, denn er bot heute
nicht für einen Anderen, wie er sagte, sondern für sich
selbst."
„Und er Hütte sein Streben fast erreicht," warf
Heino ein.
„Nimmermehr!" versicherte Balder. „Ich würde
mit Vergnügen noch 30,000 Thaler mehr bezahlt haben."
„Das Gut hat einen so großen Werth nicht," be-
merkte Gröning.
„Für mich hat es einen noch größeren."
„Weshalb haben Sie nicht Sorge getragen, daß
Pelzer nicht früher verhaftet wurde?" fuhr Gröning
fort.
„Ich habe den Staatsanwalt ausdrücklich gebeten,
daß es erst nach beendetem Verkaufe geschehen möge,"
erwiederte Balder. „Es lag mir daran, durch die That
zu beweisen, worauf sein Streben gerichtet war; jetzt
kann er es nimmer leugnen. Ist dasselbe auch nicht
strafbar, so wirft es auf seinen Charakter doch das
richtige Licht und zeigt, wie er das volle Vertrauen,
welches er so lange Jahre genossen hat, zu lohneu ge-
dachte. Es war sein Entschluß, die Freifrau sofort von
dem Gute zu vertreiben."
Heino zuckte zusammen; auch er hatte Pelzer nie
getraut, ihn aber einer solchen schändlichen Absicht nicht
für fähig gehalten.
„Wie ist es Ihnen gelungen, in den Besitz der Be-
weise zu gelangen?" fragte er.
„Herr Freiherr, lassen Sie mich die Antwort bis zu
unserer Ankunft auf meinem Gute aufsparen," entgeg-
nete Balder. „Sie werden meine freudige, glückliche
Stimmung vielleicht nicht fassen, allein es ist heute ein
Tag für mich, wie er wenigen Menschen beschieden ist
und wie er für mich Wohl nie wiederkehren wird. —
Fahr' schneller!" rief er dem Kutscher zu. „Heute
brauchst Du die Pferde nicht zu schonen, laß sie laufen
und wenn es heute ihr letzter Lauf ist! Nur bringe
uns sicher und wohlbehalten zum Ziele."
Unwillkürlich und nicht ohne Besorgniß ließ Gröning
den Blick über Balder hingleiten. Die Freude über
den Kauf des Gutes schien ihn berauscht zu haben, er
begriff ihn nicht, und doch blickte sein Auge so offen
und klar.