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Da s B u < f üx Alle.

Heft 3.







Naſenmuſcheln drücken auf den Boden oder die Scheide-
wand der Nase und verwachſen auch häufig mit diesen.
Die Folge davon ist peinlichſt empfundener Luftmangel.
Die Nerven des Naſeninnerns melden den auf ſie aus-
geübten Druck als quälende Schmerzempfindung nach
dem Gehirn, reizen andere, in dieſen Regionen beſon-
ders nahe bei einander liegende und gegenseitig ver-
bundene Nervenäſte und rufen dadurch anhaltende
Kopfschmerzen und nervöſe Störungen hervor, welche
man als Reflexneuroſen bezeichnet, und welche häufig
nicht auf den Kopf beschränkt bleiben, sondern in an-
scheinend unerklärlicher Mannigfaltigkeit abwechſelnd in
den verſchiedenſten Teilen des Körpers auftreten und
das Symptomenbild schwerer Neuraſthenie oder noch
schwererer Gehirn- und Nervenleiden darbieten. Die
Heilung des Nafſenleidens beſeitigt unmittelbar die Kopf-
schmerzen und nervöſen Zuſtände und macht den leiſtungs-
unfähigen Patienten in der Regel wieder völlig geſund
und arbeitskräftig. _ .

Erkrankungen von Kopfnerven in ihrem Verlauf
vom Gehirn zur Peripherie ſind ebenfalls die häufige
Ursache hart- ,
nüäckiger Kopf-



gerufen werden. Zu den ersteren zählt die allbekannte
Migräne, eine periodiſche Erkrankung des ſympa-
thiſchen Nervenſyſtems, welche namentlich blutarme
Personen und das weibliche Geſchlecht von den Kinder-
jahren bis gegen die Fünfziger hin heimſucht. Die
Symptome ſind zu bekannt, um hier näher beschrieben
zu werden. Die Behandlung gestaltet ſich ganz ver-
ſchieden, je nachdem es ſich um krampfartige Verengung
der Gefäße, welche ſich durch Erweiterung der Pupillen
verrät, oder um Gefäßlähmung mit enger. Pupille und
Erweiterung der Kopfarterien handelt. Man wendet
allerlei Mittel an und empfiehlt Ruhe und Landaufent-
halt. Der Erfolg aber iſt meiſt recht zweifelhaft, weil
der Fall meiſtens durch ſchlechte Beſchaffenheit des Blutes

kompliziert iſt.

Die Anämie und die Blutentmiſchung (Dyskrasie)
ſind zwei Erkrankungen, welche viel häufiger ſind, als
allgemein vermutet wird. Magere Perſonen von blaſſer
Gesichtsfarbe, aber auch dicke Leute von anſcheinend
vortrefsflichem Aussehen leiden oft jahre- und jahrzehnte-

lang daran und unterziehen ſich vergeblich allen erdenk- |



ſchmerzen. Die
Krankheitkann
sowohlim Ner-
ven als in der
denſelben um-
gebenden Ner-
venſcheide lie-
gen und auf
Entzündung,
Verkalkung
oder Verwach-
ſung der Ner-
ven mit dem
benachbarten
Körpergewebe
beruhen. Ganz
gleiche Pro-
zeſſe kommen
aber auch häu-
ſig am Gehirn
selbſt und an
deſſen Häuten
vor; solche Pa-
tienten em-
pfinden den
Schmerz un-
unterbrochen
an einer. be-
ſtimnt be-
grenzten
Stelle des Ge-
hirns, befin-
den #ſich ge-
wöhnlich

ſchlechter, so-
wie die Ver-
dauung gestört
m
mütsbewegun-
gen, geiſtige
Anſpannung,
Genuß alkoho-
liſcher Ge-
tränke u. ſ. w.
das Nervenſy-
ſtem stärker in
Anspruch neh-
men. In ſchwe-
reren Fällen ;
bilden sich Ei- :
terungen und Abſcesſſe im Gehirne ſselbſt, und es fehlt
dann, wenn wichtige Nervenzentren ergriffen sind, faſt
nie an Lähmungserſcheinungen, Störungen der Sinnes-
wahrnehmung und epileptiſchen Krämpfen. Der recht-
zeitige Gebrauch von Jodpräparaten leiſtet hier oft
Wunderbares und bringt das Leiden oft ohne jeden
operativen Eingriff zur Ausheilung.

In anderen Fällen bleibt freilich manchmal nichts

anderes übrig, als die Schädeldecke zu eröffnen, um
den Eiter oder ein ſonſt vorhandenes Hindernis zu
entfernen. Es ist bekannt, daß die Schädeldecke aus
zwei übereinanderliegenden Knochenſchichten besteht, von
denen die äußere ſehr elaſtiſch und nachgiebig iſt,
während die innere außerordentlich ſpröde und ſplitterig
iſt, welcher Beſchaffenheit ſie den Namen ,„Glastafel"
verdankt. Ein Sturz oder Schlag auf den Kopf bringt
es nun häufig mit sich, daß, während die äußere Schicht
gänzlich unversehrt iſt, von der spröden inneren Tafel

mesſerſcharfe, ſpite Splitter abſpringen und, Gehirn-

häute und Gehirn verlegend, anhaltende Schmerzen
verursachen, welche nur operativ durch Beſeitigung des
eingedrungenen Splitters geheilt werden können.
ghahlreich ſind die Fälle von Kopfſchmerz, welche
durch unregelmäßige Verſorgung des Gehirns mit
Blut und ſchlechte Beſchaffenheit des letzteren hervor-





Tierkörper vorkommt, das heißt alſo mit anderen Worten,
die aus Tierblut gewonnene Eiſeneiweißverbindung zu
verabreichen, deren Wirkung man noch erhöht, wenn
man sie in künſtlich verdautem Zuſtande genießen läßt.
Mit derartigen Präparaten vertreibt man oft in kurzer
Zeit die hochgradige Schwäche, den Schwindel, die
Ohnmachtsanfälle und Kopfschmerzen blutarmer Per-
ſonen; doch muß man ſich auch hier häufig der auf-
löſenden und resorbierenden Wirkung des Jods be-
dienen, um einen vollen Erfolg zu erzielen.

Daß hochgradige körperliche und geiſtige Anstren-
gungen, traurige Gemütsbewegungen, Verkürzung des
Schlafes u. s. w. starken, namentlich in der Schläfen-
gegend auftretenden Kopfschmerz hervorrufen, iſt bekannt.
Der ursächliche Zuſammenhang iſt freilich noch keines-
wegs genau klargeſtellt; doch iſt es mehr als Vermutung,
auch hier eine Ernährungssſtörung der Nervenſubstanz
anzunehmen. Die Heilverſuche ſcheitern oft an der
Unmöglichkeit, den Kranken von den auf ihm laſstenden
Sorgen und Unannehmlichkeiten, von der Laſt der ihn
drückenden Geſchäſte zu befreien. Der Kopfschmerz

iſt in dieſen
Fällen eben





Der Store Huphellebrä in Norwegen. Nach einer photographiſchen Originalaufnahme. (S. 79)

lichen Kuren, während eine richtig geleitete blutver-
beſſernde diätetiſche Behandlung oft in wenigen Mo-
naten erſtaunliche Erfolge bringt. Insofern das Blut
der vornehmſte Träger der Ernährung iſt, braucht man
ſich eigentlich nicht zü wundern, daß ſchlechte Beſchaffen-
heit desselben den ganzen Körper leidend macht und
die zarteſten Organe, nämlich das Nervenſyſtem, in
erſter Linie angreift. Man hat nun zwar ſchon ſeit
langem in Erfahrung gebracht, daß bei diesen Leiden
entweder die Zahl der roten Blutkörperchen oder der
Gehalt derſelben an dem eiſenreichen Farbstoff des
Blutes, Hämoglobin genannt, bedeutend herabgesetzt
iſt, und daß Bereicherung des Blutes mit Eiſen gleich-
bedeutend mit Beſſerung und Heilung iſt. Man hat
aber den Verſuch, das Blut eiſenreicher zu machen, so
ungeſchickt wie möglich angefangen, indem man das
Eiſen dem Körper entweder als Metall oder in Form
anorganiſcher Salze zuführte, welche die Zähne angreifen
und Magen und Darm oft ſchwer belästigen. Dies
Verfahren ist nicht viel klüger als das hie und da be-
liebte Volksmittel, einem Blutarmen Waßser zu trinken
zu geben, in welchem einige Zeit ein verroſteter eiſerner
Löfsel gelegen hat. Erſt seit jüngster Zeit hat sich der
Gedanke Geltung errungen, dem Körper das Eisen in
der Beschaffenheit zu geben, in welcher es im geſunden

Verdauungssſtörung tc. ausgeſchloſſen sind.



eine Teiler-
ſcheinung all-
gemeiner Neu-
raſthenie und
muß, wenn
manden Kran-
ken nicht unter
zuträglichere

Exiſtenzbedin-

gungen brin-

gen kann, mit
den übrigen

Mitteln, wie

Waſssſerkuren,

Elektrizität,

Massage, At-

mungsgymna-

ſtik bekämpft
werden.
W
ten Monaten
hat das Me-
thylenblau, ein
von Profeſſor

Ehrlich em-

pfohlenesMit-

tel, sich in

Aerztekreisen

steigende An-
Oäerkennungver-

schafft, da es
namentlich
bei Migräne
und nervöſen
und ghabitu-
ellen Kopf-
schmerzen,
welche jeder
anderen Be-
handlung
trotzten, viel-
fach nicht nur

. Besserung,

sondern an-

dauernde Hei-
lung brachte.

Die heilende

Wirkung des

Methylenblaus

bei Wechsel-
fiebern und Neuralgien iſt übrigens schon einige Zeit
bekannt, neu iſt nur seine Anwendung auf Fälle von
Kopfschmerz, wo es faſt immer hilft, wenn andere ur-
sächliche Momente, wie Nasenleiden, Uchezanſtrengvng,
Auf der
Höhe des Anfalls verſagt auch das Methylenblau
häufig; jedoch ſpüren die Patienten den Anfall meiſt
ſtunden-, ja sogar tagelang voraus und sind in der
Lage, im erſten Beginn des Anfalles von dem Medi-
kament Gebrauch zu machen.

Da Methylenblau nicht unſchwer zu erhalten iſt,
muß übrigens auf das dringendſte von Experimenten
der Laien am eigenen Körper abgeraten werden. Wenige
Bruchteile eines Grammes, welche nur der Arzt nach
der Konstitution des Leidenden richtig bemessen kann,
genügen. Eine Uebersſchreitung der zulässigen Mengen



rächt sich durch Blaſenkatarrh und andere Unzuträglich-

keiten.

Daß das Methylenblau ein stets wirkendes Mittel
gegen Kopfschmerz sei, kann ſelbſtverſtändlich nicht be-
hauptet werden; es bedeutet jedoch eine wertvolle Be-
reicherung unseres Medikamentensſchatzes, welcher ſich
mit zahlloſen unwirkſamen Tinkturen und Mixturen
aus vergangenen Jahrhunderten belaſtet fortſchleppt und
an echten Heilmitteln ärmer iſt, als meiſt geglaubt wird.
 
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