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heft 98.

IUuſtrirte i



Lamilien-Zeitung.



Jahrg. 1898.





und die Arme auzgeſtreckt, während eine

ff rütckzukehren.

. waren.

Die Schuls des Arzkes.

Roman von Jul. Mary.
(Fortſezung und Schluß.)

(Nachdruck verboten.)

oël nahm die Dhamächtige in die Arme und
N “ Us Ä t t

Bewußtsein zu bringen.
Ihre Ohnmacht währte lange.
„Helene!“ rief er, „kommen Sie zu



Und wäre Noel nicht entflohen, wäre er nur noch
einige Minuten geblieben, so hätte sie nicht mehr
gegen sich ſelbſt anzukämpfen vermocht. Sie wäre
in die Arme des jungen Mannes geſunken und hätte
geſagt: „Ich liebe dich, Nosl habe dich immer heiß

| und innig geliebt!“

Er war aber ahnungslos davongegangen !

Nachdem. sie sſich ein wenig beruhigt hatte, ſagte
ſie ſich, daß es ſo beſſer sei. Sie begab ſich in das
Schloß, und Noël kehrte nach Rouches zurück. Noch
an demſelben Abend reiſte er nach Orleans, ohne



seinen Pflegevater gesehen zu haben, und unterwegs
wiederholte er sich ohne Unterlaß: „Ich werde nie-
mals wieder nach Rouches gehen, will Helene nicht
the ſehen, auch niemals wieder mit ihr zuſammen-
trefen!!....

Und am nächſten Sonntag war er dennoch wieder
in Rouches. Er ſuchte eine Begegnung mit ihr; allein
vergebens. Mit einem raſchen Entſchluſſe begab er
ſich nun in das Schloß, wo er mit Martial Richardier
zu sprechen verlangte. Man führte ihn in einen kleinen
Salon, und wenige Minuten darauf ſtand Martial vor
ihm. Ihre Unterredung dauerte kaum
zehn Minuten, dann entfernte sich Noel



ſich! Helene!“

Sie gab ihm indeſſen keine Antwort.
Er erfaßte wieder ihre Hände, aber nicht
mehr, um sie zu preſſen, bis ſie ſchmerz-
ten, wie er es vorhin in ſeinem maß-
loſen Grimm gethan, sondern um ſie mit
seinem Hauch zu erwärmen. Und dabei
murmelte er: „Wie ſchön iſt sie, und
wie sehr liebe ich sie!“

Er hob ihre Hände empor und küßte
ſie; doch verriet nicht das leiſeſte Zucken
das wiederkehrende Leben. Er neigte ſich
über sie, ſo daß seine Lippen faſt die
marmorblaſſe Stirne berührten, die
dunklen Haare, deren ſchwere Flechten
ſich gelöst hatten.
; Die Verſuchung war zu groß, die

Liebe überwog den Zorn, die Verachtung,
den Schmerz, und er drückte die Lippen
auf die weiße Stirne. Lange hielt er
sie darauf gepreßt, doch mit einemmal
wich er zurück.

Sie hatte eine Bewegung gemacht

leiſe Röte ihre Wangen färbte; das
Leben begann in die ſchöne Hülle zu-
Und nun entfloh er, da-
mit sie ſeine Schwäche nicht erkenne;
er ſchämte ſich vor ſich ſelbſt, daß er
ſie noch liebte, und verbarg ſich hinter
den Bäumen.

Helene aber blieb noch immer lie-
gen, obſchon ihre Augen weit ßésſfnet

Schon ſeit einigen Minuten war das
Leben in ſie zurückgekehrt, ſchon seit einigen
Minuten aber hatte sie die Augen hart-
näckig geſchloſsſen gehalten, um Noel
nicht argwöhnisch zu machen, denn ſein
leiſer Kuß hatte sie mit namenloſem
Glücke erfüllt. Sie hatte seine Lieb-
koſung genießen wollen, die er an eine
Bemwußtlose zu verschwenden meinte! Der
Druck seiner heißen Hände hatte ihrem
Herzen wieder Wärme zugeführt, ſeine
Küſſe auf ihre Hände und ihre Stirne
hatten sie mit einem Schauer der Wonne





wieder.

Seit langer g hing Helene einem
Gedanken nach und verfolgte hartnäckig

des Briefes gelangen, den sie einſt mit
Savinien ausgetauſcht hatte. Daß die-
ſer Brief ſich in seinem Besitze befand,
erfüllte sie jetzt mit Furcht und Schrecken,
denn obſchon sie an den Verbrechen, die
Savinien begangen und für die er allein
die Verantwortung zu tragen hatte,
keinen Anteil genommen, hatte dieſes
traurige Schreiben einen so ſchwerwiegen-
den Wortlaut, daß sie trotz ihrer Unschuld
in den Augen. aller die es laſen, ſchuldig
erſcheinen mußte.

Und die Idee dieses Briefes war
von ihr M EE Sie hatte ihn
verfaßt und diktiert, weil sie eine Cha-
rakterſchwäche Saviniens befürchtete! Wie
ſehr bereute ſie das jezt! Ja, damals
hatte sie eben nicht geliebt! Damals
war ie ein hochmütiges Geſchöpf gewesen,
voll von Haßbegier und Rachegelüſten,
ein Geschöpf, dem Reichtum und Macht
als höchſtes Glück erſchienen weren.
! Heute war ihr Herz ſchwach gewor-

den; es dürsſtete nach Verzeihung. i

Aber wo befand sich der Brief ? Wo
hielt ihn Savinien verborgen? Sie wußte
es nicht. Ihren Brief trug sie ſtets bei
ſich; er verließ ſie niemals, denn sie
fürchtete, daß er ihr entwendet werden
und in fremde Hände geraten könnte.
Offenbar that Savinien ein Gleiches;
aber wie ſollte ſie das in Erfahrung
bringen?

Nur ein einziges Mal hatte er später
des Briefes gegen ſie Erwähnung gethan,
seitdem aber nicht mehr.

Sie hätte am liebsten offen zu ihm
geſagt: „Du ſiehſt, daß ich dir in allen
Stücken gehorcht und meine Liebe zum
Opfer gebracht habe. Gieb mir nun

den Brief zurück, der ja heute bereits





. erfüllt, der sie in dieſen kurzen Sekun-
den aller Kraft und aller Energie be-

: raubte.

Daul Deſchanel, der neue franzöſiſche Kammerpräſident. (
Rach einer Photographie von Pir ou in Paris.

S. 667)

zwecklos geworden iſt, da ich im Begriffe
fiche. f Gattin Martial Richardiers zu

einen Plan; sie wollte in den Beit
 
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