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gßeft ?7. :



Jluſtrirte Familien-Z



















Die

(Fortsetzung.)

ucht, wozu ihre Aufmerkſamkeit erregt?
Dies wäre in Wahrheit die That eines
Wahnsinnigen gewesen!
Und da der Richter hierbei einen
Moment glaubte, Vandale wäre that-
ſächlich als ſolcher zu Werke gegangen,
o ſtellte er in Bezug auf den angeb-
lich an Richardier verübten Mord von
neuem eine Menge der verfänglichſten
Fragen an ihn. Aber vergebens ſuchte
î Oer den Dottor in die Enge zu treiben;
er erhielt genau dieſelben Antworten

wie gelegentlich des erſten Verhörs

und konnte keinerlei Widerſprüche ent-
decken. Wäre Vandale auch nur zeit-
wueilig vom Wahnsinn befallen gewesen,
Jo hätte er nach einer ſo langen Zeit
unmöglich die gleiche Logik, die gleichen
Stchlußfolgerungen bekunden können.

„Wen klagen Sie dieſes Verbrechens an?“

Roman von Jul. Mary. „Bis jetzt noch niemand. Indessen werde ich Ihnen

schon in kurzer Zeit mitteilen können, wie ich über
die Sache urteile, sobald ich genügend ruhig geworden.

(Nachdruck verboten.) bin, um über die Geſchehniſſe nachdenken und meine
an dem Grafen | gegenwärtige Lage gefaßter beurteilen zu können.“

äre Vandale der Thäter des

Renaud verübten Verbrechenz

zu hätte er der Behörde
J s die Augen zu öffnen ver-

geweſen, wo- | „Immerhin könnten Sie mir ſchon heute ſagen,

EL zz verhielk -es: fich mit vem w

Tode Renauds. Er berichtete dem
Richter, was ſich zwiſchen ihm und
_ Renaud vor deſſen Verheiratung zuge-
tragen hatte, als dieſer ſeinen ärztlichen
Rat einzuholen kam. Er enthüllte
nrückhaltlos, welchen Rat er dem Grafen
erteilt hatte, den dieſer dann freilich
unbeachtet ließ.
i Hierauf hatte die Vermählung ſstatt-
gefunden. Seither waren die Bezie-
hungen zwiſchen Renaud und Gordon
ehr geſpannte gewesen. Ersterer hatte
den ärztlichen Rat des Doktors nicht
mehr eingeholt, zumal ſich sein Ge-

_ qundheitszuſtand in den erſten Mo-

_ naten ſeiner Ehe bedeutend gebessert
jatte. Plöyglich aber war Renaud, von
_ Saruvinien begleitet, ein zweites Mal
bei ihm erſchienen, und da er, Gor-
_ don, den Zuſtand des Grafen für ſehr
_ bedenllich gefunden, so hatte er ihm
î das Verſprechen gegeben, ihn zu be-
handeln und wenn möglich auch zu

heilen. Vor allem hatte er ihm auf

die Seele gebunden, ſich vor jeder Er-

chütterung zu hüten.

Dann fügte er hinzu: „Ich bin
uberzeugt, daß man meiner Ermah-
nung keine Folge leiſtete und daß
jemand ihr direkt zuwidergehandelt
hatte, ob aus Unvorſichtigkeit oder ab-

_ Hichtlih, vermag ich nicht zu ſsagen.

: Zu Zweien. Nach einem Gemälde von E. Munier. (S. 643)



Leitung. Jahrg. 1898.

Schuld des Arztes Und dieser Gemütserregung entſprang der letzte Anfall |
D o | Renauds.

worauf sich Ihre Ansicht ſtützt, daß der lezte Anfall
des Grafen v. Albernon durch verbrecheriſche Mittel
herbeigeführt wurde. “

„Vor dieſem Tage, vor der letzten Konſultation.
die der Graf mit mir hatte, war er mir, wie bereits
erwähnt, kalt und gemessen begegnet. Während der
zwei oder drei Tage seiner lettten Kranlheit, als er,
vollſtändig gelähmt, weder sprechen noch eine Bewe-
gung machen konnte, war ihm bloß das beredte, aus-
drucksfähige Auge geblieben, und wenn
ich an seinem Bette weilte, ſo wich

sein Blick nicht von mir. Er ſchien

mich förmlich anzuflehen, meinen Schutz
gegen eine mir unbekannte Gefahr an-

urufen. Ü

j Fc cleicht täuschen Sie ſich ~.

„Nein, nein,“ wehrte der Arzt
lebhaft ab; „ich bin meiner Sache
sicher." Und da Aigurande eine Be-

wegung des Unglaubens machte, ſo
fügte Gordon, wie zu ſich ſelbſt ſpre-
chend hinzu: „Ich begreife ja, daß

Sie Dingen, in denen Sie die Phan-

taſiegebilde eines Wahnsinnigen er-

blicken, keinen Glauben beimeſsen wol-
len; allein sein Blick, der sich auf
mich heftete, wendete sich auch einer
der übrigen anwesenden Personen zu
- und wenn Sie da zugegen gewesen
wären, Herr Staatsanwalt, so hätten
Sie über die Veränderung gestaunt,
welche sich alsdann in seinem Blicke.
kundgab. Er drückte nicht mehr eine

Bitte aus, nein, Herr Staatsanwalt,

auch keine Bitterkeit oder Bedauern ~Ü

„Was denn ~ was denn? Sagen
Sie mir alles.“

„In der Einsamkeit meines Ge-
fängniſſes habe ich alle Erinnerungen
der letzten Tage sorgſam erwogen und
ich muß von dem Tage an zu erzählen
beginnen, da dieser Mann, Savinien
v. Albernon, im Lande erſchien. Kurze

geit nach ſeiner Ankunft befand er ſich
mit seiner Baſe Helene in Lande-
pereuſe, als ich ihn zu dem jungen

Mädchen sagen hörte: „Nun bin ich hier

— und werde hier bleiben.“ Mehr

konnte ich nicht hören, denn die beiden

bemerkten, daß ich ſie beobachtete.

Diese Worte bezogen ſich zweifellos

auf eine ſchon früher geführte Unter-

haltung, auf einen gemeinſchaftlich ent-
worfenen Plan. In dieſer meiner An-
nahme beſtärkte mich der Umſtand, daß

Savinien einige Monate ſpäter um die

Hand der Tochter Richardiers anhielt.

Dieser erzählte mir, daß Margarete

den Freier mit einer Art Entſeten ab-

gewiesen habe. Das war die erste

grauſame Enttäuſchung, die zweifel-

los den Grund zu den später einge-
_ troffenen Katastrophen legte.“
 
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