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Heft 2.

Illuſtrirte F



TMM

. hes 1898.





Fern im Süd.

Q Roman

!§ von
: * Woldermar Urban.
(ECF (Fortſezung.)

(Nachdruck verboten.)

Zr

1 h zt kam zurück. Er war keine zehn
VU ! Minuten fort geweſen, aber die Schmuggler-
s . ware war wie durch Zauberei verſchwunden.





Don Pedro ſtand jetzt gerade auf der Stelle,
wo eben noch ein Berg von Ballen mit
Seidenwaren gelegen hatte. Und ringsum
war in dem Gang keine Spur einer Ver-
änderung zu ſehen. Ê

„Also, mein Alterchen,“ begann Don Pedro in
einer leicht ſcherzenden Weiſe und nahm aus ſeiner
Bruſttaſche einige Billette der Banca d'España, ,es
bleibt dabei, wie ich es dir geſagt habe.
Heute iſt Dienstag. Sonnabendnacht treffe.
ich ſpäteſtens wieder in Jrun ein; bis dahin
ſpielt unſer Freund, der Korkhändler aus
Burgos, meine Rolle = freiwillig oder un-
freiwillig. Verſtanden?“

§ „Ich werde thun, was ich kann, Euer
naden. “ :

„Nein, Alterchen, du mußt thun, was ich
ſage, nicht was du kannst. Und damit du auch
kannst, was ich sage, gebe ich dir hier etwas
Allerweltsſchmieröl;“ damit gab er ihm die
Banknoten; „mache einen guten Gebrauch da-
von, und alles wird gehen.“

„Haben Euer Gnaden mir ſonsſt noch Be-

fehle zu geben in betreff der Waren?“

y„Sie gehen auf dem gewöhnlichen Weg

von hier nach Santander, von dort mit der
Eiſenbahn an ihren Beſtimmungsort. Du be-
kommſt noch besondere Weiſung von mir aus
Madrid. Und nun = auf Wiederſehen am
Sonnabend! Die Hauptarbeit iſt ja gethan ~
der Transport auf spaniſchen Boden. Adiös!“

„Adiós, Euer Gnaden, und viel Glück und
Segen auf den Weg !“

Don Pedro lachte vergnügt. „Danke, danke, |
Alterchen; das kann unſsereiner immer brauchen.
Und vergiß nicht, das Loch zu ſchließken, wBme
m„gxicqh hinaus bin."

„Wie werde ich denn, Euer Gnaden !“

Der Schmugglerchef trat an das Loch und
horchte einen Augenblick hinaus. Dann ließ
er wieder den ſchrillen, heiſeren Schrei ertönen
wie bei ſeiner Ankunft, und gleich darauf

rauſchte geſpenstiſch ein Boot heran.

: „Fernando?“ fragte Pedro leise.

„Euer Gnaden zu dienen,“ antwortete je-

î mand von draußen. Ein Sprung, und Don
Pedro war gleichfalls draußen. Der alte Jerö-
nimo stand wieder allein in dem Gang. Der

ganze Vorgang hatte keine zwanzig Minuten



gedauert, und hätte der Alte nicht die empfangenen
Bankbillette noch in der Hand gehabt, so wäre er ge-
neigt gewesen, alles für einen Traum zu halten.

Haſtig verbarg er das Geld in seinem Wollhemd,
das er auf dem Leib trug, und in dem ſich eine ge-
heime Tasche befand; dann machte er ſich daran, die
Oeffnung nach dem Meere hinaus wieder zu schließen.
Das war, da die Steine hinten numeriert waren, eine
ebenso leichte wie einfache Arbeit, und wenige Minuten
ſpäter hätte man von außen ſelbſt aus nächſter Nähe
nichts entdecken können, was irgendwie den stattgefun-
denen Verkehr angedeutet hätte.



Drittes Kapitel.

Drückend heiß lag die Luft in den Straßen von
Madrid; besonders in der Nähe der Puerta del Sol
und den angrenzenden Verkehrslinien, wo ſich die
großen glänzenden Magazine und Schauläden befinden,
wurde die Atmosphäre durch den berüchtigten feinen
Staub verdickt, der den Aufenthalt in der ſpaniſchen

Hauptſtadt während der Sommermonate, zu denen auch



Generakfelkomarſchall Graf v. WBkumenthal. (S. 35)
Nach einer Pholographie von C. Bieber, Hofphotograph in Berlin und Hamburg.

amilien-Zeitung.



h zue noch gezählt wird, so peinlich und un-
ge]lund macht.

Mit einem tiefen Seufzer trat Don Silva Muñsoz,
Chef des großen Modewarenhauſes Musñoz & Comp.
in der Calle Mayor, aus seinem Geſchäftshauſe auf
die Straße hinaus und beſtieg seinen dort harrenden
Wagen, um nach Hauſe zu fahren. Es war kurz nach
ſieben Uhr, um welche Zeit freilich in Madrid noch
kein Geſchäftsſchluß iſt, weil man erst in den kühleren
Abendſtunden bis zehn, elf Uhr die Hauptfrequenz in
den Straßen erwartet. Aber Señor Muÿoz hielt es
nicht mehr aus in dieser Stickluft. Er wohnte auf
dem Paſeo de la Caſtelana, jener vornehmen Prome-
nadenanlage im Nordoſten der Hauptſtadt, wo die
eleganten, luxuriösen Villen der reichen Leute mit ihren
duftigen, immergrünen Gärten standen, und wo breite
Fahr-, Reit- und Fußwege, doppelreihige Alleen und

ausgiebige Bewässerung für eine leichtere, angenehmere

und würzigere Luft sorgten.

Ein lautes Gewühl und Gelärm herrsſchte in den
Straßen der inneren Stadt. Es war die geit, zu
der die Abendzeitungen erſchienen, und die Austräger

Mcrieen mit einer barbariſchen Ausdauer ihre
Neuigkeiten aus. Muñsoz kümmerte sich nicht
darum, lehnte ſich gleichgültig in die Ecke seines
Wagens, ſteckte ſich eine Zigarette an und
rief dem Kutſcher zu, so ſchnell wie möglich
zt Es in Cuba! Die Niederlage
der Jnſurgenten !“ schrieen die Verkäufer durch
: hic Straßen. „die liberale Propaganda!“ und
anderes.

Muñsoz rührte ſich nicht. Jhn ließen alle
Kriege und Niederlagen kalt. Er war ein
politiſcher Pesſimiſte. Er sah, wie so viele
seiner Landsleute, die Politik lediglich für eine
Manipulation an, vermittelſt deren sich einige
wenige auf Kosten der Gesamtheit Stellungen
und Reichtümer besorgten. :

Plötlich schrie einer dieſer Ausschreier
ganz in seiner Nähe: „Die Gefangennahme des
kühnen Schmugglers Pedro Ayala !“

Muñoz wandte sich erſchrocken um und sah
den Rufer an. Er hatte eine Anzahl Exem-
pPlare des „Jmparcial“ auf dem Arme und
, bot ihm davon an.

„Eine Perrachica, eine Perrachica, Señor!“
ſchrie der Mann wie beſeſſen auf Muñsoz ein.

Dieser langte aus der Westentasche eine
kleine Kupfermünze und kaufte eine Zeitung,
die er während des Weiterfahrens las. Da
ſtand nun allerdings gesperrt und mit fetten
Lettern gedruckt, daß es der eiſernen Energie
und den unablässigen Anstrengungen des Ea-
pitan Enrique di Casciaro gelungen wäre,
den berühmten Schmuggler Pedro Ayala in
den Bergen der Umgebung von Jrun, kaum
î_ tauſend Meter diesseits der Grenze, zu fangen
und dingfeſt zu machen.

Muñsoz wurde bei der Lektüre von einer
ſonderbaren, ängstlichen Unruhe befallen, und

ſeine Gesichtszüge zeigten sogar eine fahle

Bläſſe. Er las nicht mehr, sondern seine
 
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