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Heft 4.

F ern i m S ü d.
Roman

voir




Woldermar Urban.,

(Fortſezung.)



. (Nachdruck verboten.)
| | Siebentes Kapitel.
| [Mi: alte aragoniſche Königsstadt Saragoſſa

ihren himmelhohen Häuſern nur geringen
Schutz gewährten. Um fo
wohlthuender und beruhigen-

ZIuünſ1trirt

bungen der Kirche.

am Ebro lag in einem glühenden, blen-
!) denden Sonnenbrand, gegen den auch die
, engen, krummen Straßen der Stadt mit







ihm nah mit deiner Hilfe. Erbarme dich meiner in
meiner entſetlichen Angſt um ihn. Was bleibt mir
auf der Welt, wenn ich ihn verliere? Er iſt mein Ein
und Alles, du weißt es wohl, o heilige Jungfrau von
Pilar, erbarme dich deines Kindes und ſchütze ihn!“
Hallend und undeutlich ineinander klingend wie
Seufzer und klagende Geister ſchwebten und ſchwanden
die Töne, die von ihren Lippen kamen, an den Wöl-
Dann wurde alles wieder ſtill,
und die Beterin fuhr fort mit ihrer frommen rührend-
kindlichen und reinen Stimme: „Wie zwei Verlorene,
z ur gf uu ue! e
o Heilige des Himmels. Das Unglück liegt ſo schwer

Tamilien-Zeitung.

oder er ſelbſt in Sünde fällt und ſstrauchelnd vor dem
Verbrechen steht – nimm ihn in deine Hut und ſei



Jahrg. 1898.

auf uns. Unsere Lieben ſind tot, Vater und Mutter
haben wir nie gekannt, und Galvän iſt ein wilder
Mann, ein kühner, trotiger Menſch, der mit der Welt
ringt und kämpft wie mit einem Todfeind. Beglücke
ihn mit deiner Gnade, o Herrin des Himmels, mache
ihn duldſam im Unglück und in der Not und behüte
ihn vor Gefahr und Sünde.“ ;
Ein ſchlürfender Tritt ließ sich vom Eingang her
vernehmen. Eine alte Frau trat auf das junge Mäd-
chen zu, die den Kopf weinend auf die Marmorsſtufen
jau hatte und die heiße Stirn an dem kalten Stein
ühlte.
leis „Condeſa!“ rief die Frau das junge Mädcha
eiſe an. .
Sie hörte es in ihrer Ekſtaſe nicht.
„Sesorita Pepita!“ rief die alte Frau ſtärker.
Das Mädchen blickte auf. „Du biſt's,
Barbara? Was wuillſt du?"



der wirkte auf den aus der Mittagsglut
Kommenden die heilige Stille und das
myſtiſche Dunkel, das in dem Dome von
Nuestra Sesora del Pilar herrſchte. Die
weiten Wölbungen der altertümlichen Kirche
waren in dem Dunkel kaum zu erkennen.
Nur die weißen, glänzenden Marmorſäulen
der rieſigen Halle, die Goldverzierungen
am Tabernakel und an den Altären fingen
die geringen Lichtſtrahlen, die in die Kirche
fielen, auf und glitzerten in ihrem Scheine
wunderbar. :
Wer aus der aufregenden, grellleuchten-
den Sonnenglut, aus dem Tumult und
Geschrei des Straßenlebens kam und in
die Kirche eintrat, den umfing eine tühle
Ruhe, eine geheimnisvolle dunkle Atmo-
ſphäre. Eine fromme Scheu und andächtige
Sammlung durchſchauerte ihn, und ehr-
furchtsvoll senkte er das Haupt vor dem
berühmten Madonnenbild del Pilar, das,
von einem ſchwarzen Schleier verhüllt, über
einem Seitenaltar prangte, und von dem
aus die Seufzer und Gebete einiger Frauen
zu den Wölbungen drangen, wo ſie mur-
melnd und hallend erſtarben.
Ein junges Mädchen, ein Kind faſt
noch, lag auf den kalten Marmorſtufen,
die zu dem Gnadenbild hinaufführten, ein
dürftiges, wohl auch kränkliches Geſchöpfchen
von etwa zwölf Jahren mit blaſſen, wie
überreizten oder von Angst und Sorge zer-
quälten Gesichtszügen. Die Augen waren
groß, duntelſchwarz, von langen weichen
Wimpern umrahmt, aber im Ausdruck
ebenfalls voll unsäglicher Angst und kind-
licher Frömmigkeit. Das Kind, das übrigens
sehr reich und vornehm gekleidet war, hatte
einen etwas verkrüppelten Fuß, der auch
kürzer war als der andere, geſunde.
„Du Heiligste der Heiligen, “ murmelte

das Mädchen mit erſchütternder Inbrunſt,
g„nimm ihn in deinen Schuz. Wenn ihm
î Gefahr droht, draußen in der kalten, lieb-
loſen Welt, wenn Verrat auf ihn lauert,







Higrid Arnoldſon. (S. 91)

„Es iſt Zeit, Senorita. Wir müſſen
nach Hauſe."

ive fragte Condeſa Pepita über-
raſcht.

„Es iſt faſt vier Uhr.“

„So komm, Barbara,“ antwortete ihre
junge Herrin eilfertig und ſtand raſch auf.
„Vielleicht iſt er ſchon da. “

Sie trat, gefolgt von der alten Die-
nerin, aus der Kirche heraus, vor der ein
leichtes Gefährt hielt, eine Art Halbchaiſe,

aber von uralter Konſtruktion, mit einem
braunweiß gefleckten Hengſt beſpannt. Raſch
stieg ſie mit der alten Barbara ein und
rief dem ebenfalls alten, grauköpfigen
Kutscher zu: „Nach Hauſe, Pedro, und
laß das Pferd laufen, was es laufen will.“

Der Wagen ſetzte ſich mit mäßiger Ge-
ſchwindigkeit in Bewegung. Zu einer raſchen

Gangart war keine Möglichkeit, weil die
Straßen grundlos, das Pflaſter holperig
und in einer Weiſe löcherig und vernach-
läsſigt war, wie man das nur in Spanien
findet. Es war eine Qual, in dem ewig
stoßenden und ſchüttelnden Wagen zu fahren,

aber es ſchien den beiden JInſaſſen, die
vermutlich nichts Beſſeres kannten, nicht
verwunderlich oder lästig zu ſein. Erſt als
man die Ebrobrücke hinter ſich hatte und
am: jenseitigen Ufer die Stadt verließ, um

' eine chauſſierte Straße, die am Fluß auf-
wärts hinliefs, verfolgte, wurde das beſsſer.

„O heilige Madonna del Pilar, es ist
schrecklich, “ stöhnte nach einer langen Pauſe
die alte Barbara ziemlich unmotiviert.

Ueberraſcht ſah Condeſa Pepita auf.
„Was iſt ſchrecklich, Barbara?" fragte ſie.
. „Haben Sie es nicht gehört, Señorita?
Alle Leute erzählen ſich davon, und in

. zuct. Zeitungen stehen lange Geschichten

arüber. Ü

„Wovon denn?“

„Von der Räubergeſchichte. Haben Sie
es denn nicht gelesen, Sesorita ?“

„Nein. Was denn für eine Räuber-
 
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