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104

Da s B u < f üx Alke.

heft 4.



gelandet. Dort stand vom vorigen Jahre her noch das Ballon-
haus, das zunächſt ausgebessert wurde, worauf man am
i8. Juni mit der Füllung des Ballons begann, die am H9:
vollendet war. Der Ballon „Adler“ faßt 5000 Kubikmeter
und iſt 21/2 Meter hoch. Cr iſt nicht genau ſphäriſch, son-
dern in der Mitte cylindriſch, und hat oben eine Segeltuch-
kappe zum Abhalten atmoſphäriſcher Niederschläge. Das
Sicherheitsventil liegt in der Nähe des Ballonäquators und ist
bequem von der Gondel aus zu handhaben. Lettere wiegt mit
voller Belaſtung 450 Kilogramm, außer den drei Inſaſsen:
Andrée, Strindberg und Fränckel (der an Stelle Ekholms
getreten iſt). Sie hat Play für die nötigen Instrumente und
eine kleine Bibliothek, außerdem eine Stätte zum Schlafen
für zwei Personen, die dritte muß stets Wache halten. Der
Proviantvorrat wurde, gleichmäßig nach Gewicht in Leinen-
ſäcke verteilt, zwiſchen den Schnüren der Gondel aufgehängt.
Am 5. Juli stand der Ballon, nachdem er sorgfältig auf seine
Luftdichtigkeit geprüft worden war, fertig zur Abfahrt. Unſer
untenstehendes Bild zeigt ihn in der Ballonhalle ſchwebend,
gegen Druck innerhalb der letteren wurde er durch ſtraff-
geſpannte Filzgurte geſchütt. Von der Vorderseite der Ballon-



halle waren bereits zwei Etagen niedergelegt worden; die
Eckpfeiler waren ſchnell abzuſchlagen, so daß der Ballon dann
frei nach Norden hinauskommen konnte. Auf zwei benach-
barten Berggipfeln hatte man Wetterfahnen zur Kontrolle
der oberen Luftströmung aufgestellt. Noch am 7. Juli mel-
dete ein Telegramm Andrées, daß die Winde bisher un-
günstig seien. Am Sonntag den II. Juli aber trat güunſtiger
Wind ein, so daß Andrée sofort im Laufe des Vormittags
die Vorbereitungen zur Auffahrt treffen ließ. Punkt 2 Uhr
35 Minuten nachmittags erfolgte die Abfahrt, welche uns
das Bild auf S. 101 vor Augen führt. Stolz und majestä-
tiſch stieg der Ballon durch die geöffnete Nordwand der Halle
empor, während Andrée und ſeine beiden Gefährten den
Zurückbleibenden ihre letten Abſchiedsgrüße zuwinkten. Einige
Ballastſäcke wurden ausgeworfen, dann ſteuerte der „Adler"
genau über die flache Halbinsel Hollaendernaes fort nach
Norden und Punkt 3 Uhr verſchwand er am nördlichen
Horizont. j



Der kleine Wetterprophet.
(Siehe das Bild auf Seite 105.)

Zz!ilieben in einem Junggesellenheim! Der alte Muſikus muß
bald zur Probe und lieſt nur noch ſchnell die Morgenzeitung;
bei dem Wetterbericht angelangt, öſfnet er das Vorfenster und
ſieht nach seinem eigenen Wetterpropheten aus. Was ſagt
der Laubfroſch zu der fatalen Witterung? Kein Zweifel, e
iſt hervorgekommen, es muß alſo besſeres Wetter werden +
draußen stürmt und regnet es nämlich gründlich. Das Anllitz
des Musikanten spiegelt den Humor der Lage wieder; mit
einem mitleidigen und bedauerlichen Blick, unter stillem Lächeln,
ſieht der Herr den Propheten an. Theorie und Praxis ſind
wieder einmal recht verſchieden, ohne Zweifel wird es ſich
aufhellen, die Sündflut, bei der es „Strippen“ regnet, wird nicht
gar zu lange dauern; aber unterdes wird sein Geigenkaſten
naß, wenn er ausgeht, und er selber kann ſich den ſchönsten
Schnupfen holen. Wetterprophezeiungen, so denkt der alte
Hagestolz, sind doch nur von bedingtem Werte, eigentlich sollte
der grüne Wetterbote unten sitzen und ſich gar nicht zeigen;



































Andrées Wallon im Wallonhauſe nach Niederlegung der oberſten Etagen. (S. 103)

























aber er denkt an die Zukunftsmusik dessen, was da kommen
soll, und so mag er ja auch wohl recht haben. „Wenn der
Sonnenschein nur recht bald eintreten möchte, sonſt wird mir
die Weisſagung nicht viel helfen,“ murmelt er gutgelaunt,
„denn ich muß bald zur Probe, nur noch zehn Minuten."
So zeigt ihn uns das Bild auf S. 105 (nach einem Gemälde
von A. Müller). Unserem Künſtler iſt der Charakterkopf des
Musikus ganz vortrefflich gelungen, des alten Sonderlings,
der nur Sinn für seine Geigen und für Musik hat; daneben
pflegt er noch ein paar hübſche Blumentöpfe zwischen den
Fenstern und hält sich ein Hündchen und einen kleinen Wetter-
propheten, das iſt seine Welt, in der er lebt. Nach dem
Wetterverkündiger schaut er tagtäglich wohl ein Dutzendmal,
es iſt für ihn eine gewohnte Abwechslung, das Tierchen zu
beobachten, und in der Zeitung ſucht er ſich dann die übliche
Wettervorherſagung auf, um zu vergleichen, wer das Richtigste
trifft. Sein Leben ſspinnt sich ruhig und gleichförmig ab,

î die großen Leidenschaften seiner Jugend sind längst still ge-

worden, was er empfindet, das drückt er nicht mehr in Worten,
nur noch in Tönen aus, und darum wird sein Spiel ſo ſehr
gerühmt, es entwickelt die ſanfte Harmonie, das ruhige Gleich-

maß, in dem die Stunden ſseines Lebensabends ausklingen.

Gerade unter unseren Musikanten oder Muſikkünstlern giebt
es ſo häufig Originale, alte Junggesellen, die nur noch ihrer
Kunst leben und ganz in ihren musikalischen Studien und

Bestrebungen aufgegangen sind. Wohl bei keinem Volk findet |
ſich die Sehnſucht nach einem rein innerlichen Leben und

nach einer vertieften Auffaſſung desſelben tiefer ausge-



prägt als bei den Deutschen. Darum kann man aber auch

deutſche Musiker in Rio de Janeiro und St. Petersburg, in
New York und London, von den deutschen Großſtädten ganz

zu schweigen, als vornehmste Geiger und Violoncelliſien ent

decken, Künſtler, die ihre deutsche Seele aus der Heimat mit-
gebracht haben, und deren fleißiges Studium und besondere
Eigenart auch in der Fremde gern anerkannt und viel ge-
rühmt wird. Für diese iſt die Musik nicht nur der Brot-
erwerb und das Geschäft, sie iſt auch ihre Herzensfreundin,
das Element, das sie tröſtet und erhebt und ihnen Jrieden

verſchasft hat.
Hinter den Kuliſſen
eines großſtädtiſchen Vergnügungslokals.

Skizze von W. Piehlmann.
. (Nachdruck verboten. )



Masſsenbeſuch an Sommersonntagen eingerichtet
iſt. Die Großſtadt beſitzt außerordentlich viel
Induſtrie, besonders in den Vorstädten reiht ſich

raußen vor den Thoren der Großſtadt befindet
H sich ein Vergnügungsetablissement, welches auf
ô

Fabrik an Fabrik, sie iſt außerdem eine bedeutende Handels-

stadt, in der viel Verkehr auch von Fremden herrſcht, und



o iſt ein Lokal von diesem Umfang ein Bedürfnis. Das

Vergnügungzslokal iſt riesengroß, eine kleine Welt für ſich,
deshalb führt es auch mit Recht den Namen „Neue Welt“.

Sie besteht aus einer parkartigen Anlage mit einem
kleinen See und zahlreichen Baulichkeiten, elektriſche
Bahnen und eine Dampfbahn führen aus verſchiedenen
Richtungen bis zu dem Lokal, das zwanzigtauſend
Stühle und vier- bis fünftausend Tiſche beſitt. Von
Gebäulichkeiten ſind außer den Kolonnaden von riesiger

Länge, unter denen bei ſchlechtem Wetter Tauſende ſikn
können, ein großer Theatersaal, in welchem Variétée.
vorstellungen stattfinden, eine Terraſſe mit Weinrestau-

rant, und ein kleiner Saal für vornehme Geſellſchaften
vorhanden. Außerdem zwei große Küchen, Tanzſäle,
Pavillons der verſchiedenen Arten, ein Palmenhaus,
Büffets, Plätze von runder und elliptiſcher Form, auf
denen Produktionen von Künſtlern ſtattfinden, Schieß-
stände, Buden für Schnellphotographie, Schaukeln,
Kraftmeſſer, Karuſſels, Revolverbillards, Lachkabinette,
eine Anzahl von Automaten und eine ruſſiſche Rutſch-
bahn. Auf dem kleinen See können Gondelfahrten
unternommen werden, auf dem großen elliptiſchen Pap
findet Eſel- und Kamelreiten statt. Das Lokal hat
einen Haupteingang nach der Stadt und zwei Neben-
eingänge nach den Vororten zu.
 
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