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Heft 4.

Das Buch für Alte.

107



das Feuerwerk zurechtzumachen. Kommt ein großer | Störungen vorkommen. Da laufen Klagen von den

Regen, so iſt die Illumination unmöglich, und ein
Teil des vorhandenen Materials geht verloren. Das
Riſiko trägt der Wirt. Er hat das Recht, noch in
der frühen Morgenstunde, wenn ihm das Wetter un-
sicher erſcheint, Jllumination und Feuerwerk abzuſagen.
Er muß aber ſchon etwas wagen und darf nicht allzu
ängſtlich sein, sonſt sitzt er, wenn sich das Wetter auf-
klärt, abends ohne Illumination und Feuerwerk da.
Das würde das Publikum außerordentlich verſtimmen,
und dem Rufe des Etablissements ſchaden.

Die verſchiedenen Büffets, von denen die Kellner
die Getränke holen, werden mit Bier verſehen, die
Ciskaſten in dieſen Büffets gefüllt, Spülwasser wird
beschafft, es wird alles zurechtgesſtellt, ſo daß ſelbſt bei
der größten Jnanſpruchnahme ſeitens des Publikums
alles zur Hand iſt. Angeſtellte der Gasanſtalt er-
scheinen, um bei der Füllung des Ballons zugegen zu

ein und den Gasometer sowie die Gasleitung zu be-

dobachten. Der Luftſchiſser hat ſeinen Ballon ausgepackt,
und langsam beginnt die Füllung. Durch Sandsäcke,
die an das Netz des Ballons gehängt sind, wird der
Ballon an der Erde gehalten, erst gegen Mittag, wenn
er ſich mehr und mehr füllt und im Winde „lebendig“
wird, treten die Soldaten an, die ihn bis zum Augen-
blick des Abfahrens halten. ;

Auch in der Küche herrſcht von früheſter Morgen-
stunde an lebhafteſte Thätigkeit. Im Weinrestaurant
und auf der Terraſſe werden voraussichtlich mehrere
hundert Perſonen ſspeiſen. Die Hilfsköche, die an-
getreten ſind, helfen den Aufwartefrauen noch beim
Putzen von Gemüſe und Hühnern, den Köchen beim
Dreſſieren von Braten, beim Spicken und bei dem
Bratgeſchäft ſelbſte. Zwiſchen den Lagerräumen und
der Küche geht es lebhaft hin und her. Das Material
wird ausgegeben, und die Lagerverwalterinnen haben
alle Hände voll zu thun, um die durch Zettel mit der

Unterſchrift der Küche geforderten Gegenstände zu ver-

abfolgen. Gegen Mittag ſchon treten auch die Geſchirr-
jungen an und werden von den Kellnern auf die Be-

zirke verteilt. Dann esſen ziemlich früh ſämtliche An-

geſtellte zu Mittag, denn nach Beginn des Haupt-
geſchäftes finden ſie am Abend nur noch für Minuten

heit, um etwas zu ſich zu nehmen.

Um zwei Uhr beginnt das Zuſtrömen des Publi-

kums. Die öffentlichen Verkehrsmittel bringen Hun-

derte heran, Tauſende aber kommen zu Fuß. Eine
beſondere Kaffeeküche wird jetzt in Thätigkeit gesett,
in welcher eine wahre Flut von Kaffee zubereitet wird,

um in einzelnen Portionen zuſammen mit der Milch,-

dem Zucker und dem am Vortage gebackenen Kuchen
an das Publikum abgegeben zu werden. Das Fsel-
und Kamelreiten auf dem elliptiſchen Platz des Eta-

bliſsements beginnt, ebenso die Gondelfahrten auf dem

See. Der Ballon füllt sich mehr und mehr, so daß er
gegen fünf Uhr zur Abfahrt fertig ſein wird. Um halb

vier Uhr treten die Muſilkapellen an und beginnen ihr

Programm abzuarbeiten, gegen vier Uhr iſt das Lokal
vollſtändig besetzt.
_ Gebe der Himmel, daß kein Regen kommt, daß
litt zn Geyiter plett au Horiseut aussicht .
nur eine drohende ſchwere Wolke heranzieht, so be-
deutet das für den Wirt ſchon einen großen Schaden,
denn der ängſtliche Teil des Publikums macht ſich auf,
um nach der Stadt zurückzukommen. Doch heute geht
He macht seine Kunststücke unter rau-
ſschendem Beifall, der Luftballon fährt pünktlich ab,
überall klappt es, weil die Vorbereitungen aufs sorg-
fältigſte und gewisſenhaftesſte getroffen worden sind.
Ällerdings auf dem Comptoir, wo alle Leute auf
dem Poſten sein müſſen, ſieht man, daß doch nichts
in der Welt vollkommen iſt, und ſselbſt bei den sorg-
fältigſien Vorbereitungen immer noch hier und dort



Kaſſen oder von der Kassenkontrolle ein, vom Publi-
kum über Bedienung oder darüber, daß irgend jemand
aus Zufall eine Speiſe oder ein Getränk bekommen
hat, die verunglückt waren. Da giebt es in der Küche
oder bei den Büffets Störungen, es ireten Hinderniſſe
ein, die überwunden werden müſſen, und der Wirt
und sein Vertreter, ebenſo ſeine Frau, welche das
Präsidium in der Küche führt, möchten ſich verviel-
fachen, um zu gleicher Zeit überall dort zu sein, wo
man ihre Anwesenheit wünſcht.

Doch dieſe kleinen Störungen kommen nicht in Be-
tracht angesichts der Thatſache, daß mehr als zwanzig-
tauſend Menſchen mit den verſchiedenſten Anſprüchen
und Wünſchen prompt befriedigt werden, alles ſich pro-
grammmäßig abſpielt, alles klappt und so vor ſich geht,
wie es beabsichtigt war.

Der Abend bringt noch eine Verſtärkung der Gäſte.
Die JIZllumination lockt noch Leute aus der Stadt, die
nachmittags zu Hauſe blieben oder in Familien ſich
aufhielten, an. Glücklich geht die Illumination und
das große Feuerwerk vorüber, auch die Beleuchtung
hat nicht verſagt, und erſt gegen elf Uhr abends merkt
man, daß das Publikum langſam das Etablissement
verläßt. Die Musikkapellen haben zu ſpielen auf-
gehört, nur in den Tanzfälen wird noch aufgeſpielt
und im Variétstheater dauert die Vorſtellung ebenfalls
bis nach elf Uhr. Je näher aber der Zeiger der
Mitternacht rückt, deſto mehr entleert ſich das Lokal,
und nur einige hartnäckige Gäſte bleiben noch sitzen,
treten der größte Teil der Lampen ſchon ausgelöſcht
wird.

Bevor der Wirt daran geht, Kaſſe zu machen, ſucht
er zuſammen mit seinem Vertreter und einigen zuver-
lässigen Hausdienern ſein ganzes Etabliſſement ab.
Man findet da manchmal recht sonderbare Sachen,
wertvolle Gegenstände, die die Leute verloren haben,
hinter einem Gebüſch einen ſchwer Betrunkenen, welcher
aufgehoben und beiſeite gebracht werden muß, in einer
dunklen Ecke am Fuße eines Gebüſches ſogar eine
„Kabore“, das heißt ein Diebesversteck, das sich irgend
ein unehrlicher Angestellter hier angelegt hat. Es ſind da
zwei halbgeleerte Flaſchen Wein und ein tüchtiges Stück
von einem Schinken, sauber in Papier gepackt, nieder-
gelegt. Wahrscheinlich wollte einer der Aushilfskellner
in der Nacht, wenn er fortging, die Sachen mitnehmen.

Iſt der Rundgang beendet, hat der Feuerwehrpoſten

aus dem Theater die Mitteilung gebracht, daß alles
in Ordnung sei, dann kann der Wirt daran gehen,

æüKaſſe zu machen. Die Kellner haben unterdessen be-

reits mit der Küche abgerechnet, sie rechnen jetzt noch
mit dem Büffetier und den Oberkellnern ab. Dieſe
bringen dann ebenſo wie die Küchen ihre Kaſſe zum

HBureau, und die Menge von kleinem Geld, die hier
eingeht, iſt faſt ersſtaunlic. Das Geld ist bei der

Abrechnung auf Zählbrettern aufgezählt worden, wird

aber nach der Abnahme in große Kiſten geſchüttet, die

faſt vollſtändig mit kleinem Gelde gefüllt ſinn.

Der Wirt, seine Frau und sein Comptoirperſonal
kommen erſt zur Ruhe, wenn die Sonne wieder auf-
geht. Und der nächſte Morgen bringt neue Arbeit,
nicht allein dem Etabliſſement, wo wenigstens am Nach-
mittag wieder ein ganz hübſcher Verkehr herrſcht, son-
dern vor allem dem Comptoir und den Lagerräumen,
wo Inventur gemacht und Abrechnung gehalten werden
muß, mit dem, was gebucht worden iſt. Es giebt Arbeit
in dem Sortieren und Rollen des Geldes, das nach
der Bank geſchafft wird, bei der Aufnahme des Schadens,
der an Tiſchen, Stühlen, Baulichkeiten, an Blumen,
Pavillons u. s. w. unvermeidlich durch die Ansſamm-

lung der vielen Tauſende von Menſchen entstanden

iſt; auch am Geſchirr, an Tellern und Gläſern, giebt
es ſtets Schaden durch Bruch, und Mesſer, Gabeln und
Löffel fehlen in großen Massen. Sie ſind von unehr-
lichen Besuchern mitgenommen worden oder liegen irgend



wo verſtreut im Sande unter den Tiſchen. Die Haus-
diener haben am Montagvormittag genug zu thun,

um das Lokal wieder zu ſäubern, den Sand zu harten,

fortgeworfene Papiere zu entfernen, Tiſche und Stühle
einigermaßen zurechtzurücken.

So vollzieht ſich ein Sonntagnachmittag und -abend
in einem derartigen Vergnügungslokal. Wer ſich dort
an Feiertagen angenehm unterhält, denkt selten daran,
was ſich hinter den Kulissen des Lokals abſpielt und
was alles geleiſtet werden muß, damit es ohne Störung
und unliebſame Zwiſchenfälle zur Zufriedenheit des
Publikums abgeht.

Mannigfaltiges. (gwugvrus verboten.)

Eine Gaulier-Reliquie. + Der berühmte franzöſiſche
Dichter Theophile Gautier kam erst wieder in seine Vater-
ſtadt Tarbes als greiſer Mann, die er ſchon als ein drei-
jähriges Kind verlaſſen und ſseitdem nicht wieder gesehen
hatte. Gautier hörte während dieses Aufenthaltes zu seinen
Erstaunen, daß man in Tarbes mit einer gewissen Pietät
den Touristen, denen es etwa einfiel, die Stadt zu beſuchen,
im Gymnasium die Schulbank und den Schultiſch zeigle, wo
er geseſſen hätte. Gautier beschloß, doch auch die wunder-
ſame Reliquie anzuſehen. Er gab sich auch nicht durch die
leiſeſten Andeutungen zu erkennen und erklärte dem Rektor,
der ihn ſelbſt führte, nur, er ſei ein begeisterter Bewunderer
der Werke Gautiers. Es intereſſierte Gautier nicht wenig,
zum erstenmal in dieſem Leben die Schulbank zu sehen, die
doch mindeſtens jene hätte sein können, auf der er gesessen.
Wie stieg aber sein Ergötzen, als der Rektor zu erzählen
wußte, welch ein vorzüglicher, fleißiger Schüler der kleine
Theophile, der jett ſo berühmte Dichter, gewesen sei. Schließ-
lich zeigte man dem „Bewunderer der Werke Gautiers“ auch
noch die Stelle, an der er in den Schultiſch mit einem Feder-
messer den Namen „Gautier" eingeschnitten hätte. .

Ein Philiſter ~ meinte Gautier oft - hätte ſich wahr-
scheinlich das Vergnügen gemacht, ſeinen Namen zu nennen.
Er aber ging, wie er gekommen war, und vielleicht zeigt man
noch heute in Tarbes die Schulbank und den Shthultiſch
Theophile Gautiers. j C. T.

Die ſpaniſche Nationalhymne, eine Kompoſition Frried-
richs des Großen. + Daß unter die Kompositionen Fried-
richs des Großen auch die ſpaniſche Nationalhymne gehört,
dürfte wenig bekannt sein. Nach Angaben zuverlässiger
spanischer Schriftsteller rührt indessen die sogenannte „Marcha
real“ mit Sicherheit von Friedrich her, und zwar hat es da-
mit folgende Bewandtnis. Bei einer Feſtlichkeit im könig-
lichen Schloſſe zu Berlin überreichte eines Abends der König
den genannten Marsſch dem ſspaniſchen Gesandten, indem er
bemerkte, daß seiner Meinung nach diese Kompoſition dem
Charakter der spaniſchen Nation wohl angepaßt sei. Der

Gesandte, ein großer Verehrer des Königs, ſchickte die Kom-

position sofort nach Madrid und hatte die Genugthuung, daß
ſie dort mit unbeſchreiblichem Beifalle aufgenommen wurde.

Die „Marcha real“ iſt gegenwärtig noch das volkstüm-
lichſte Musikstück, das man in Spanien kennt. Als Marschall
Serrano im Herbſte 1869 einen Preis für den besten National-
marſch ausſchrieb, liefen mehr als 500 Kompoſitionen ein.
Nach sorgfältiger Prüfung seitens der Kommission wurde in-
desſen nicht eine einzige für gut genug befunden, die „Marcha
real“ auch nur annähernd zu erseten. C. .

Abgetrumpft. –~ Im Jahre 1770 war der greiſe Hu-
sarengeneral Joachim Hans v. Zieten zu einer im königlichen
Schlosse zu Berlin veranstalteten Abendgeſellſchaft geladen.
Auch die ſchöne, vielbewunderte Schauſpielerin Karoline
Döbbelin war zugegen, und alte wie junge Kavaliere waren
bemüht, ihr den Hof zu machen. Selbst der alte Haudegen
Zieten ſchien großen Gefallen an der liebenswürdigen Künst-
lerin zu finden und zeichnete ſie in ritterlicher Weise durch
mancherlei Artigkeiten aus –~ zum größten Verdruß des
jungen Grafen-v. Rutowsky, der ſich vergebens um die Gunſt
der ſchönen Karoline bemühte. Um ſeinen Aerger über die
Bevorzugung Zietens Luft zu machen, richtete er ganz unver-
mittelt an den General die Frage: „Wie alt ſind Sie denn
eigentlich, Ercellenz?"

Zieten lächelte und sagte, sich den weißen Bart ſtreichend:
„Wahrhaftig, das weiß ich in dieſem Augenblick nicht so ge-
nau, aber das weiß ich, daß ein Eſel mit zwanzig Jahren
viel älter iſt als ein Menſch, der siebzig Jahre zählt !“ JI. W.







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Die 25jährige Gedenkfeier des Feldzuges 1870/71, welche die Erinnerung an die große
auch in ilkuſtrativer Hinſicht weſentkCich verbeſſerten Inbiläums-Ausgabe obiger Kriegsgeschichte.
verlegte Ausgabe derselben hat gleich bei ihrem ersten Erſcheinen durch die F

Zeit aufs neue belebte, veranlaßte uns zur Veranſtaltung einer textlich revidierten,
Die frühere von unserem Geſchäftsvorgäinger Hermann Schönlein in Stuttgart
riſche und Tebendigkeit der Darſtellung und durch die große Mannigfaltigkeit des Gebotenen eine über

alle Maßen günstige Aufnahme gefunden, und wie diese ſo bietet auch die neue nicht etwa eine trockene Aufzählung geschichtlicher Thatsachen, sondern vereinigt alle Vorzüge in sich, welche

der früheren so viele Freunde zugeführt und treue Anhänglichk
sprechenden Zuſätzen versehen, so iſt andrerseits der illuſtrative wt
für diejenigen, welche die glorreichen Tage miterlebt haben, wie für die j

hat, das ein allbeliebtes Haus- und Familienbuch bildet.

eit geſichert haben. Ist aber einerseits der Text der früheren Auflage einer sorgfältigen Reviſion unterzogen und mit ent-

Teil in weitgehendem Maße erneuert, verbessert und bereichert worden, so daß unſsere Kriegsgeschichte ~ gleich interessant

ingere Generation ~ mit ihren vielen ſchönen Bildern, Karten und Plänen sich zu einem Prachtwerke geſtaltet

+ Die meisten Buch-, Kolportagehandlungen, Journalexpeditionen etc. nehmen Bestellungen auf das Werk entgegen. –

KLOSTER

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