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_ und Jabriken in Döhlen (S. 121)

die Privatwolhlthätigkeit, allein

den, daß wenigstens den am

Heſt 5.

Das. Vuch für Alle.



123



gänzlich abgeſchloſſen war, sind gegen 40 Häuser eingestürzt.
Außerdem hat die Große Lomuiy bei Krummhübel Damm
und Brücke der neuerbauten und noch nicht lange dem Be-:
trieb übergebenen Rieſengebirgsbahn Zillerthal-Krummhübel
zerſtört (ſiehe das untenstehende Bild). – Im Königreich
Sachſen hat seit 1854 keine Wasserkataſtrophe solche Ver-
heerungen angerichtet wie die diesmalige Ueberſchwemmung.
In Dresden ſelbſt wurde ein beträchtlicher Teil der inneren
Friedrichſtadt in Wassersnot versetzt. Furchtbar mitgenommen

wurden die beiden großen Vororte Dresdens, Plauen und

Löbtau. An dem noch im Bau befindlichen Rathaus in
Löbtau (S. 121) wurde die flußaufwärts errichtete Ufermauer
unterſpült. Die Wassermassen drängten sich zwiſchen Mauer
und Gebäude, und bald war das Erdreich fortgeſchwemmt.
Ein entsetliches Krachen und Bersten erfüllte die Luft, dann
brach das prächtige Bauwerk bis auf Turm und Vorderhaus

zusammen. Vor einigen Jahren war bei Löbtau das Bett

der Weißeritz verlegt worden; man hatte dem Fluß ein neues
Bett nach Cotta zu gegeben, der Schuß damm wurde jedoch

î durchbrochen und der zum reißenden Strom gewordene Fluß

ſuchte sein altes Bett auf. Am Ende des neuen Bettes der
Weißeritz, am sogenannten „Schuſterhaus", einem besuchten
Balletabliſſement, wütete das Hochwasser auf das Fürchter-

lichſte. Hier befanden sich zwei ganz neue Brücken, die beide

dem Element zum Opfer fielen. Dann ſspülten die Wasser-
massen das Erdreich hinter den Widerlagern fort und wälzten
ich auf das „Schuſterhaus“ und mehrere danebenstehende Ge-
bäude zu, die ſämtlich zusammenstürzten. Jm sächsiſchen Berg-
werksgebiete wurden zahlreiche Schächte unter Wasser gesett.
Der Karolaſchacht im Plauen-
ſchen Grund ist völlig ersoffen,
die sämtlichen Orte dieses etwa
drei Stunden langen Felsentha-
les litten ſchwer, viele Häuſer

und anderwärts wurden zerstört.
Der durch dieſe Kataſtrophe in
den erwähnten weiten Gebieten
angerichtete materielle Schaden
iſt augenblicklich noch gar nicht
genauer zu überſehen. Erfreu-
licherweise regt ſich überall ſchon



es darf wohl angenommen wer-

ſchwersten geschädigten Gemein-
den auch eine nicht zu karg be-
messene ſtaatliche Beihilfe zu teil
werden wird.



Der Orient in Wien.
(Siehe das Bitd auf Seite 124.)

ie Kaiſerſtadt an der Donau
_ D besitzt eine überaus bedeut-
same Lage, denn auf und an
diesem Strome führen die Wege
' nicht nur aus dem Herzen Deutſch-
lands nach Wien, sondern eben-
so von dort nach dem Oſten der
Monarchie, wie nach dem Süd-
osten Europas. Von Süden her
endlich kommen die wichtigsten
Wege über die Oſtalpen nach
Wien. Es kann daher nicht wun-
dernehmen, daß man dort bereits.
auf Schritt und Tritt ſchon An-
klängen an den Orient begegnet,
wie das unser Bild auf S. 124 veranschaulicht. So findet man
beiſpielsweise bei den in Bosnien und der Herzegowina aus-
gehobenen JInfanterieregimentern die Mohammedaner ſehr
zahlreich vertreten, neben griechisch - orientaliſchen Christen,
Katholiken und Spaniolen (Israeliten). In Wien stehen gegen-
wärtig zwei bosniſch-herzegowiniſche Regimenter. Ihre Leute
sind auf dem Wiener Straßenpflaſter Figuren geworden, an die

_ man ſich recht gern gewöhnt hat. Sie marſchieren mit Stolz

und Jreude hinter der öſterreichiſchen Fahne, und die flotten
Klänge der Deutſchmeiſter-Kapelle versetzen sie in einen tem-
peramentvollen Paradeschritt. Für die Mohammedaner unter
ihnen ist bei jedem Bataillon in der Kaserne neben einer eigenen
Küche auch ein besonderes Gebetzimmer vorhanden, in das uns
Skizze 1 verſett. Es ist das ein gewölbter Raum im Erd-

î geſschoß, worin Tafeln mit Koransprüchen an den Wänden

hängen; den Boden bedeckt zum Ersatz der fehlenden Gebet-
teppiche eine Matte aus geflochtenem Schilf. An den Gebet-
raum stößt ein Gemach, in dem die allen Mohammedanern
vor dem jedesmaligen Gebet zur Pflicht gemachten Waſchungen
vorgenommen werden; die Schuhe werden am Eingange des

Himmers abgelegt. Zu den vorgeschriebenen Stunden liest

ein Hodſcha oder niederer islamitiſcher Geistlicher, der gleich-
zeitig Korporal im Regimente ist, die Gebetformeln vor; alle
Bewegungen dabei geschehen gleichzeitig, insbesondere das
Niederwerfen, das zehn- bis zwölfrnal an bestimmten Stellen
der Gebete vor sich geht. + Der Jmam (Priester, der an
der Spitze einer Gemeinde ſteht), welcher als Militärseel-
sorger für die in Wien garnisonierenden bosniſch-herzego-
winiſchen Truppen angeſtellt iſt, hat Hauptmannsrang und
-gehallt. Er trägt auf den Aermeln ſeines dunkelblauen
Talars drei Goldſtreifen; die Auſſchläge sſind rot. In der

Kartuſche, die er nach Art der Kavallerieoffiziere an einem

goldenen Riemen umgehängt hat, besindet ſich ein Exemplar
des Korans (Stizze 2). Den rituellen Gebräuchen iſt ferner,
wie ſchon erwähnt, durch Errichtung eigener mohammedaniſcher
Küchen Rechnung getragen, in denen tüchtige Köche den
Pilaw, die Doluca, den Kebab und Borek bereiten. Auch ein
türkiſches Café beherbergt die Kaserne, wo um zwei Kreuzer
eine Schale des braunen Trankes verabreicht wird. ~ Ganz
in den Orient versetzt kann sich der Fremde wähnen, der in das
griechiſche Kaffeehaus am Alten Fleiſchmarkt eintritt (Skizze 3).



Die Eiſenbahnbrück



Es ist ein altcs Lokal, das von Wienern wenig beſucht wird,
um so zahlreicher aber sind die in der Kaiſerſtadt weilenden oder
durchreiſenden Griechen dort vertreten. Auch Türken, Serben
und Bulgaren, häufig in ihren nationalen Trachten, pflegen ſich
regelmäßig dort einzufinden, desgleichen die Bosnier, welche
in Wien Geſchäfte haben, von denen viele in diesen Räumen
abgeſchloſſen werden. + Jn dem bunten und lebhaften Wiener
Straßenleben gehört zu den charatterisſtiſchen Figuren der
bosniſche Slraßenhändler (Skizze 4), mit dem Fes auf dem
Kopf und Messern, Dolchen, Pfeifen u. s. w. im Gürtel, die
er den Vorübergehenden zum Kauf anbietet. In einem Kiſtchen
hat er ferner hübſche, mit Silber eingelegte Zigarrenſpitzen,
in Bosnien hergestellte Arbeiten in Silberſiligran und andere
feinere Artikel, auf die er die Paſſanten aufmerkſam macht.
~ Unſere Skizze 5 endlich verſeßzt uns in die griechiſche
Kirche und läßt uns einer Eheschließung nach griechiſchem
Ritus zuſchauen. Die Zeremonie wird dadurch besonders
eigenartig, daß Braut und Bräutigam Kronen auf dem Kopfe
tragen, die bei den minder Begüterten aus Pappe gefertigt
sind, während die Reichen schwere Goldkronen aufsetzen.
Während der Einsegnung ruht ferner ein weißes Schleier-
tuch in der aus dem Bilde ersichtlichen Weiſe auf den Köpfen
des Brautpaares, das von den Trauzeugen auf beiden Seiten
gehalten wird. Das junge Paar hält endlich brennende

Kerzen in den Händen; die ganze Zeremonie, einſchließlich

des vorgeſchriebenen Rundganges um den Altar, dauert gegen
anderthalb Stunden. Die 1804 erbaute und 1858 auf Koſten
des Barons Sina nach Hansens Plänen umgebaute griechiſche
Kirche am Fleiſchmarkt ist für die nicht-unierten Griechen be-



die angeſehenen Herren Melchior Mannlich und Karl
Neidhardt, welche abermals für mehrere Tonnen Goldes
von dem brennenden oſtindiſchen Gewürz erhandelt
hatten, gerieten am ſchlimmſsten „in den Pfeffer“ und
fallierten mit über 700,000 Gulden.

Allein der Dämon der Spekulation schien sich mit

diesen Opfern der von ihm entfeſſelten Geldgier noch
immer nicht begnügen zu wollen. Eine abenteuerliche
Begebenheit von ſo planvoller Verknüpfung aller be-
gleitenden Umſtände, als gehörten sie einer künstlichen
Romanerfindung an, vervollständigte die Chronik des
Pfefferſchwindels, der diesmal sogar ein deutsches Für-
ſtenhaus in seinen Bannkreis zog.

Um jene Zeit befanden ſich am Hofe des Kurfürſten
Auguſt I. von Sachſen zu Dresden zwei mit dem Rech-
N K z Hy Mauth. vit alte
Das reer Vertrauen, welches Kurfürſt sets:

seinem alten bewährten Rentbeamten zollte, hatte er

auch auf den Sohn übertragen, der als kurfürſtlicher
Hofkommissar zumeiſt die Einkäufe für die Hofhaltung
besorgte. Nun war im Herbſte des Jahres 1577 Georg
Harren nach Frankfurt a. M. geſandt worden, um da-
ſelbſt den für das kurfürstliche Hoflager benötigten
Weinvorrat einzuhandeln. In Frankfurt nahm Georg
Harren jedesmal in dem Gasthaus „Zum alten Krachh
; ; w bein“ Wohnung, desſen Be-





stimmt, während der Gottesdienst der unierten Griechen in

der 1852 hergestellten Barbarakirche, die in der anstoßenden

Poſtgaſsse liegt, abgehalten wird.



Die Pekefferhexe.

Erzählung nach alten Urkunden. Von Iohannes Wille.



1

N ls zu Anfang des 16. Jahrhunderts Portu- |
gals Oſtindienfahrer die unter heißerer Sonne
| erzeugten Pfefferkörner, die früher nur in klei-

nen Quantitäten die Büchſen der Spezerei-
händler füllten, in großen Massen nach den Liſſaboner
Magazinen und nach allen Stapelplätzen des Welt-
handels brachten, wurde mit einem Schlage ein neuer Ver-
brauchsartikel geſchaffen, deſſen Vertrieb den Dienern Mer-
kurs einen goldenen Regen versprach und unter den als

besonnen und ſolide geltenden deutschen Handelsherren

eine noch nie zuvor gekannte Spekulationsſucht entfesselte.

Von Augsburg, dem Hauptſitz des oberdeutſchen

Handels, ging das verhängnisvolle Treiben aus, als
im Jahre 1529 das reiche, mit den Fuggern und
Welſsern rivaliſierende Haus der Hochſtetter für 500,000
Gulden Pfeffer in Liſſabon kaufte, und bald darauf, als
der erwartete Gewinn fehlſchlug, seinen Bankerott an-
meldete. Nach den damaligen ſehr strengen Handels-
geſeßzen büßte Hochstetter seinen Leichtſinn mit dem
Hungertode in einem am Dache des Kreuzturmes auf-
j !e N M ses ert hct Kugebuute
falls in Pfeffer zu ſpekulieren "und seine Gläubiger um
300, 000 Gulden zu betrügen. Dieſem Zuſammenbruch
folgte ſchon zwei Jahre ſpäter ein noch ſchlimmerer;



e bei Krummhübel (Rieſengebirge) nach der Aeberſchwemmung. ..
Nach einer Photographie von A. Liebig in Arnsdorf i. R. .

(Nachdruck verboten. ) z

geſchmiegt ſaßen.



siter, Sebald Scheufelin, ein
Vetter ſeines Vaters war und
dem Kommissar bei seinen
Clinkäufen mit Rat und That
zur Hand ging.
Jedenfalls ſahen Meister
Sebald wie sein Töchterchen
Katharina den Vetter, der
noch immer unbeweibt nur
seinem Amte lebte, nicht un-
gern Einkehr halten, und

von selten reſoluter Art, die
dem Vater förmlich einen
Handlungsdiener erſetzte und
im Rechnungsbuch ebensogut
Beſcheid wußte wie in Küche
und Keller, ließ stets den
blondbezopften Kopf hängen,
wenn Georg wieder aus der
alten freien Reichsſtadt davon-
uhr. Ö
Diesmal gab's jedoch keine
. verſtohlene Thräne in Käthes

îYAl=uyge, als an einem ſchönen
Oktobertage Georg in die
„Geleitskutſche“ *) stieg, die

sollte. Die muntere Käthe
_ ſchwang ſsich heute selbſt mit
in das umfangreiche, kaſten-
artige Gefährt; denn der ſtets
praktiſche Vater wünſchte, daß
sie die günstige Gelegenheit
benutze, um unter dem Schutze des Vetters nach Dresden
zu reiſen, unterwegs bei ſäumigen Schuldnern in Er-
furt und Leipzig Gelder einzukaſsieren und endlich

am Endziel der Reise der Einladung der Eltern Georg,

Folge zu leiſten, die gleich ihm eine Verbindung zwi-
ſchen Georg und dem Bäschen nicht ungern sahen. Zu-
fällig waren die beiden jungen Leute die einzigen, welche

| die Geleitskutſche aufnahm, und so hegte denn Herr

Sebald die Hoffnung, daß Amor als blinder Paſſa-
gier zwiſchen ihnen sien und seine Schuldigkeit als
Ehestifter thun werde. r

Wie weit die beiden Reiſegenoſſen auf ihrer sechs-
tägigen Fahrt mit ihren Herzensangelegenheiten ins
Reine gekommen waren, ließ ſich aus dem Umſtand
ersehen, daß am ſpäten Abend des ſechſten Reisetages,
wo endlich die Kutsche der Stadt Leipzig entgegenrollte,
der Vetter und sein Bäschen vertraulich aneinander-
Käthe hatte den Kopf an Georgs
Schulter gelehnt und war, obwohl ein heftiger Herbſte_

sturm um die Lederumhüllung des Wagens ſchnob,

feſt eingeschlafen. Eben begann auch den Kommissar
die Müdigkeit zu übermannen, als das plögliche An-
halten des Wagens ihn und Käthe von ihrem Sitze
aufschrecken ließ.

„Kommt heraus, Herr, hier iſt ein Unglück ge-
ſchehen !“ rief der Kutscher, indem er den Wagenſchlag
aufriß und auf die ſchwärzlichen Umrisse eines zweiten
Gefährts deutete, in deſſen unmittelbarer Nähe man
trotß der Dunkelheit drei regungslos hingeſtreckte Körper
wahrzunehmen vermochte.

Mit der Wagenlaterne leuchtete der Kulsſcher zunächst
über die Gestalt eines in reicher, ſpaniſcher Tracht ge..
kleideten Mannes, der allem Anſchein nach durch einen



*) Personenwagen, die damals während der Mefßzeiten
der Sicherheit halber einen bewaffneten Begleiter erhielten.

Jungfer Käthe, ein Mäßüchea

ihn zur Heimat zurückführen
 
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