t52
durch Eis gesperrten Hafen bildet. Von den einzelnen Teilen
der Stadt umfaßt die Insel Staden die eigentliche und
älteste Stadt, die im Mittelgrunde des Bildes vor dem Ve-
schauer liegt. Auf dieser großen, die Mitte des Ganzen ein-
nehmenden Insel erhebt sich auch das königliche Schloß;
sie bildet nebſt den beiden Nebeninseln Riddarholm und
Helgeandsholm zugleich den Hauptſit des Handels.. Der
ſchönſte Stadtteil iſt die Nordstadt oder Norrmalm nebſt der
ehemaligen Insel Blasieholm, mit breiten, geraden Straßen,
den bedeutendsten Gaſsthöfen, dem Zentralbahnhof u. s. w.
Oestlich von Norrmalm liegt Ladugardslandet, jetzt Deſstermalm
genannt, das früher durch die dort liegenden Kasernen seinen
Charakter erhielt, neuerdings jedoch auch mit sehr stattlichen
Privathäusern bebaut wurde; westlich von Norrmalm Kungs-
holm (Königsinsel), mit mehreren Hospitälern und Fabriken.
Im Süden dehnt sich die wenig interessante, groß und regel-
mäßig gebaute, aber sehr unebene Südstadt Södermalm aus.
Von der Südſpitze der Stadtinsel, dem Slußplanen, führen
zwei eiſerne Brücken über den Söderström nach der Südstadt.
Die mit ihnen verbundene Schleuſe (Slussen) erlaubt Schiffen
bis zu 3,58 Meter Tiefgang die Durchfahrt. Jenseit dieser
Schleuſe befindet sich ein freier Platz zwischen den beiden
Brücken, der mit einem Reiterſtandbild Karls XIV. Johann
geſchmückt ist. Gleich hinter dem Quai der Südstadt erblickt
man den 1883 eröffneten, weithin sichtbaren Elevator, Hiſſen
genannt, auf dem man durch Dampfkraft in kaum einer
Minute zur Höhe von Södermalm befördert wird. Auf seiner
oberen Plattform ist eine Restauration erbaut. Von hier
wie von dem Garten und der Terraſſe des nahegelegenen
Vergnügungsetablissements Mosebacke hat man die ſschönſte
Aussicht auf Stockholm und seine Umgebung. Zu Füßen
des Beschauers glitzern die Fluten der Ostsee (hier Salzsee
genannt), deren Spiegel immerwährend zahlreiche Seeschiffe
beleben, zwiſchen denen kleine Dampfschaluppen und Segel-
. boote raſtlos hin und her eilen. In dem Häuſerrmeer der
Stadt treten namentlich das Schloß und das Nationalmuseum,
die Riddarholmskirche mit ihrem 90 Meter hohen Turm und
einige andere Kirchen hervor. Rechts fällt der Blick über
die Tiergartenstadt auf die Bäume des Tiergartens und die
felſigen Höhen der Umgebung, links schweift er über den
Mälar. Die Stadt enthält vierzig öffentliche Plätze mit zahl-
reichen Denkmälern und gegen dreihundert Straßen und
Gassen; einen großen Teil von ihr durchschneidet die mittels
ae ter LN§IR C N GURU N
C q § V
mit Park, Ulriksdal und auf der Mälarinsel Lofö Drottning-
tu z; ſchönste der königlichen Luſtschlösser, mit herrlichen
zarkanlagen.
Vasco da Gamas Entdeckungsfahrt.
Gedenkblatt zur Vierjahrhundertfeier.
Von Ern]ſk Muntkanus.
(Nachdruck verboten.)
m 8. Juli 1897 haben in Liſſabon und anderen
M portugiesiſchen Städten die Festlichkeiten zur Er-
innerung an die vor vierhundert Jahren begonnene
kühne, an Abenteuern und Erfolgen reiche Fahrt Vasco
da Gamas, die nach glücklicher Umſchiffung des Kaps
der Guten Hoffnung zur Entdeckung des Seeweges nach
Oſtindien führte, ihren Anfang genommen. König Dom
Da s Buch für Atte.
Carlos wohnte der feierlichen Sitzung
der Liſſaboner Geographiſchen Geſell-
schaft bei, von der die Jnitiative zur
festlichen Begehung dieſer Gedächtnis-
feier ausging, und richtete an die Ver-
sammlung eine Ansprache, in der er
den großen Seefahrer in ſchwungvollen
Worten pries.
Jene Entdeckung war eine kultur-
geschichtliche Großthat, die den ganzen
Welthandel veränderte, indem ſie ihn
vom Lande auf die See verlegte; an-
ſtatt Venedigs wurde Liſſabon der
Hauptmarkt der indiſchen Handelspro-
dukte, was namentlich Nürnberg und
Augsburg ſchmerzlich empfanden. Mag
für das heutige Portugal der Ver-
gleich mit der großen Vergangenheit
auch etwas Niederdrückendes haben,
so bleibt ihm doch unbestritten der
Ruhm, durch seine Leiſtungen zur See
Europa neue Bahnen gewieſen zu
haben.
Luiz de |
„Die Luſiaden“, eine Perle der Welt-
litteratur (erschienen 1572), verherrlicht
den Landsmann Vasco da Gama und
desſſen lühne Gefährten. Der Dichter
beſingt darin:
Camoes' Nationalepos
„„Die Wafsen und die Helden reich an
Ehre,
Die einst vom schönen Luſitc1eferanb *)
Durchzogen nie zuvor befahr'ne Meere
Von West nach Ost zum Sonnenauf-
gangsland;
Die mutig in Gefahr und Kriegsbe-
schwere,
Wie nimmer sonst sie Menſchenkraft be-
ſtand,
In fernen Strichen ferner Völker schufen
Ein neues Reich, zu Macht und Ruhm
berufen.'
Es tritt uns auch unter den großen
Entdeckern jenes Heldenzeitalters, das
mit Heinrich dem Seefahrer anhub
und in Albuquerque dem Großen ſsei-
nen Höhepunkt erreichte, Vasco da
Heft 6.
Gama als eine echt ritterliche Geſtalt
entgegen; ein tapferer und seinem
Könige treu ergebener Krieger, den
keine Gefahr erſchüttert, unbeſtechlich in der Handhabung
der Gerechtigkeit. Allerdings iſt er in Indien oft mit
harter Grauſamkeit aufgetreten, wo ihm der Erbfeind
ſeines Vaterlandes und der Chriſtenheit gegenüberstand;
aber was wir heute um der Menschlichkeit willen ver-
*) Luſitania hieß bei den Römern eine Provinz des jen-
ſeitigen Spaniens, der etwa das heutige Portugal entspricht.
dammen, sah jenes Zeitalter, aus deſſen Geist heraus
Gama beurteilt sein will, mit ganz anderen Augen an.
Keinenfalls aber hat der berühmte Entdecker es ver-
dient, von Scribe in ſeinem jeder geſchichtlichen Wahr-
heit hohnsprechenden Textbuche zu Meyerbeers ,Afri-
kanerin“ zu einem ganz gewöhnlichen Opernhelden,
deſſen Handlungsweise gleichfalls eine höchſt „gewöhn-
liche“ iſt, gemacht zu werden.
: . Mun
Schloß Reinhardsbrunn bei Friedrichrod"
|
!
Nut.
DRanorama vol [
Da s Buch für Alte... !
Sohne König Johannes I. von Por-
tugal, gebührt unstreitig der Ruhm,
durch die von ihm ausgesandten Ex-
peditionen, die sein Vaterland an die
Spitze der seefahrenden Nationen je-
ner Zeit brachten, das Zeitalter der
ßtzſen Entdeckungen eingeleitet zu
haben.
Neber Indien, das ja noch den
Curopäern unserer Tage als ein von
einem gewissermaßen märchenhaften
Schimmer umflossenes Land vor dem
Geiſte ſteht, hatte man damals erſt
ziemlich verworrene Vorstellungen. Die
Beziehungen der einheimiſchen indiſchen
Reiche zu Aegypten, Phönikien, Per-
ſien und seit Alexander dem Großen
auch zu den helleniſchen Monarchien
reichten zwar weit hinauf, und Er-
zeugnisse jenes Landes fanden seit den
Zeiten der Seleukiden ihren Weg auch
bereits häufiger nach Europa. Im
ganzen Mittelalter blieb indessen der
Handelsverkehr mit jenem Goldlande
überaus beſchwerlich. Seine Waren
gelangten teils auf dem Karawanen-
wege durch die inneraſiatiſchen Wüſten
nach den Küſtengebieten des Kaſpiſchen
und Schwarzen Meeres, teils wurden
ſie durch die Araber, die ſchon in den
erſten Jahrhunderten nach Mohammed
die indiſchen Meere befuhren und auch
indiſche Häfen beſuchten, nach Aegyp-
ten befördert und von da durch Ver-
mittelung der Genueſer und Floren-
tiner, namentlich aber der Venetianer
dem westlichen Europa zug.führt.
Ein bequemerer Weg war bloß zur
See möglich und überhaupt nur denk-
bar, wenn Afrika umſchifft werden
konnte. Wohl ſollen schon ägyptische
Seefahrer im Auftrage ihres Königs
Necho (6169600 v. Chr.) vom Roten
Meere aus um die Südſpitze des
schwarzen Erdteiles herumgefahren
und durch die Säulen des Herkules
(die Straße von Gibraltar) wieder
ieicnung von E. Limmer. .(S. 151)
. Vasco da Gama war geboren um 1469 zu Sines
in der portugiesiſchen Provinz Alemtejo, und erwarb ſich
hon in jungen Jahren den Ruhm eines kühnen See-
fahrers. In vielen unternehmenden Köpfen lebte da-
mals der Plan, das alte Wunderland Indien mit seinen
Schätzen auf dem Seewege zu erreichen, um in ihm
eine nie verſiegende Quelle des Reichtums zu erwerben.
Heinrich dem Seefahrer (1394-1460), dem jüngsten |
heimgekehrt sein, allein jene Thatsache
= wenn ſie wirklich als solche gelten
darf —~ war nach zwei Jahrtauſen-
den dem Bewußtsein der Völker gänzlich wieder ent-
ſchwunden. Auch eine Umſegelung des Kaps der Guten
Hoſfnung durch die beiden Genueſen Vivaldi 1291 war
längst wieder in Vergeſſenheit geraten. Neu belebt wurde
das Intereſſe für Indien dann durch die Reiseberichte
des Venetianers Marco Polo (1256-1823) und seines
Landsmannes Nicolo di Conti. Der Gedanke, es be-
quemer auf dem Seewege erreichen zu können, setzte
153
sich immer mehr feſt und gewann durch die irrtüm-
lichen Angaben der alten Geographen und Kartenzeichner
noch an Wahrſcheinlichkeit.
Columbus zog bekanntlich von dem Streben geleitet
aus, quer über den Atlantischen Ozean das Indien
des Ptolemäus und das Kathay und Zipangu des Marco
Polo zu erreichen, und als er 1492 auf der Insel
Guanahani landete, glaubte er eine indiſche Insel un-
fern der Gangesmündung vor sich zu haben. Im Mai
1493 erſchien er nach seiner erſten Fahrt in Liſſabon
vor dem König Johann II. und zeigte ihm die aus
dem vermeintlichen Indien und Zipangu (Japan) mit-
gebrachten braunen Eingeborenen ~ eine Scene, die
im erſten Alte der ,„Afrikanerin“ gänzlich ungerecht-
fertigt auf Gama übertragen worden iſt. Zweifellos
iſt Columbus gestorben, ohne eine Ahnung davon zu
haben, daß er eine Neue Welt entdeckt habe. Auch der
Genueſe Cabot wähnte, als er am 24. Juni 1497 das
amerikaniſche Festland betrat und die Nordoſtküſte La-
bradors für König Heinrich VII. von England in Besitz
nahm, die Ostküste von Kathay (China) und das „Land
des Großchans“ aufgefunden zu haben.
Mittlerweile hatten jene in der erſten Hälfte des
15. Jahrhunderts unter Heinrich dem Seefahrer be-
gonnenen portugiesiſchen Entdeckungsfahrten die Weſt-
tüſte Afrikas kennen gelehrt. Bartholomäus Dias ge-
langte auf seiner 1486 angetretenen Expedition sogar
bis 450 Kilometer jenseits des Kaps der Guten Hoff-
nung, mußte aber dann, von seiner murrenden Mann-
schaft dazu gezwungen, umkehren. Auf der Rückkehr
erſt erblickte er Afrikas Südspitze mit dem hochragenden
Tafelberg, um die ihn auf der Hinfahrt der Sturm
getrieben hatte, ohne daß er sie gewahrte; er nannte
ſie das Sturmkap, Cabo tormentoso. Als er aber nach
der Heimkehr dem Könige davon erzählte, rief dieſer
prophetiſchen Geistes: „Nein, es ſFoll nicht das ſtür-
miſche Vorgebirge heißen, sondern vielmehr das Vor-
gebirge der Guten. Hoffnung, denn dort geht der Weg
nach Indien !“
Johann II. von Portugal starb bald darauf, und
sein Vetter und Nachfolger Emanuel der Große (1495
bis 1521) beſchloß, unbekümmert um die Erfolge der
Spanier, eine neue Expedition gen Oſten um das Kap
Krge! hizzolatye. yy rfzitclheren Lerkehr qu!
Indien, wo sich die Macht des Islams vom 9. bis
).. G dee immer l! u cr ſat hatte, für
das chriſtliche Europa zu gewinnen. An die Spitze
eines Geſchwaders von drei Schiffen zu 100 bis 120
Tonnen und einem Laſstſchiſffe wurde der erprobte Vasco
da Gama gestellt, der das größte Schiff, den „St.
Gabriel“, zu seinem Admiralſchiſs machte. Den ,St.
Rafael“ führte sein Bruder Paul da Gama, das dritte
Schiff Nikolaus Coelho und das Laſtſchiff Gonzalo
Nuses. Zum Steuermann des Admiralſchiffes hatte
man Pero aus Alanguer berufen, der schon mit Dias
das Kap umſchifft hatte. Die Angaben über die An-
zahl der Matrosen schwanken zwiſchen 148 bis 320;
nur 55 waren es, die ihre Heimat wiederſahen. Vasco
durch Eis gesperrten Hafen bildet. Von den einzelnen Teilen
der Stadt umfaßt die Insel Staden die eigentliche und
älteste Stadt, die im Mittelgrunde des Bildes vor dem Ve-
schauer liegt. Auf dieser großen, die Mitte des Ganzen ein-
nehmenden Insel erhebt sich auch das königliche Schloß;
sie bildet nebſt den beiden Nebeninseln Riddarholm und
Helgeandsholm zugleich den Hauptſit des Handels.. Der
ſchönſte Stadtteil iſt die Nordstadt oder Norrmalm nebſt der
ehemaligen Insel Blasieholm, mit breiten, geraden Straßen,
den bedeutendsten Gaſsthöfen, dem Zentralbahnhof u. s. w.
Oestlich von Norrmalm liegt Ladugardslandet, jetzt Deſstermalm
genannt, das früher durch die dort liegenden Kasernen seinen
Charakter erhielt, neuerdings jedoch auch mit sehr stattlichen
Privathäusern bebaut wurde; westlich von Norrmalm Kungs-
holm (Königsinsel), mit mehreren Hospitälern und Fabriken.
Im Süden dehnt sich die wenig interessante, groß und regel-
mäßig gebaute, aber sehr unebene Südstadt Södermalm aus.
Von der Südſpitze der Stadtinsel, dem Slußplanen, führen
zwei eiſerne Brücken über den Söderström nach der Südstadt.
Die mit ihnen verbundene Schleuſe (Slussen) erlaubt Schiffen
bis zu 3,58 Meter Tiefgang die Durchfahrt. Jenseit dieser
Schleuſe befindet sich ein freier Platz zwischen den beiden
Brücken, der mit einem Reiterſtandbild Karls XIV. Johann
geſchmückt ist. Gleich hinter dem Quai der Südstadt erblickt
man den 1883 eröffneten, weithin sichtbaren Elevator, Hiſſen
genannt, auf dem man durch Dampfkraft in kaum einer
Minute zur Höhe von Södermalm befördert wird. Auf seiner
oberen Plattform ist eine Restauration erbaut. Von hier
wie von dem Garten und der Terraſſe des nahegelegenen
Vergnügungsetablissements Mosebacke hat man die ſschönſte
Aussicht auf Stockholm und seine Umgebung. Zu Füßen
des Beschauers glitzern die Fluten der Ostsee (hier Salzsee
genannt), deren Spiegel immerwährend zahlreiche Seeschiffe
beleben, zwiſchen denen kleine Dampfschaluppen und Segel-
. boote raſtlos hin und her eilen. In dem Häuſerrmeer der
Stadt treten namentlich das Schloß und das Nationalmuseum,
die Riddarholmskirche mit ihrem 90 Meter hohen Turm und
einige andere Kirchen hervor. Rechts fällt der Blick über
die Tiergartenstadt auf die Bäume des Tiergartens und die
felſigen Höhen der Umgebung, links schweift er über den
Mälar. Die Stadt enthält vierzig öffentliche Plätze mit zahl-
reichen Denkmälern und gegen dreihundert Straßen und
Gassen; einen großen Teil von ihr durchschneidet die mittels
ae ter LN§IR C N GURU N
C q § V
mit Park, Ulriksdal und auf der Mälarinsel Lofö Drottning-
tu z; ſchönste der königlichen Luſtschlösser, mit herrlichen
zarkanlagen.
Vasco da Gamas Entdeckungsfahrt.
Gedenkblatt zur Vierjahrhundertfeier.
Von Ern]ſk Muntkanus.
(Nachdruck verboten.)
m 8. Juli 1897 haben in Liſſabon und anderen
M portugiesiſchen Städten die Festlichkeiten zur Er-
innerung an die vor vierhundert Jahren begonnene
kühne, an Abenteuern und Erfolgen reiche Fahrt Vasco
da Gamas, die nach glücklicher Umſchiffung des Kaps
der Guten Hoffnung zur Entdeckung des Seeweges nach
Oſtindien führte, ihren Anfang genommen. König Dom
Da s Buch für Atte.
Carlos wohnte der feierlichen Sitzung
der Liſſaboner Geographiſchen Geſell-
schaft bei, von der die Jnitiative zur
festlichen Begehung dieſer Gedächtnis-
feier ausging, und richtete an die Ver-
sammlung eine Ansprache, in der er
den großen Seefahrer in ſchwungvollen
Worten pries.
Jene Entdeckung war eine kultur-
geschichtliche Großthat, die den ganzen
Welthandel veränderte, indem ſie ihn
vom Lande auf die See verlegte; an-
ſtatt Venedigs wurde Liſſabon der
Hauptmarkt der indiſchen Handelspro-
dukte, was namentlich Nürnberg und
Augsburg ſchmerzlich empfanden. Mag
für das heutige Portugal der Ver-
gleich mit der großen Vergangenheit
auch etwas Niederdrückendes haben,
so bleibt ihm doch unbestritten der
Ruhm, durch seine Leiſtungen zur See
Europa neue Bahnen gewieſen zu
haben.
Luiz de |
„Die Luſiaden“, eine Perle der Welt-
litteratur (erschienen 1572), verherrlicht
den Landsmann Vasco da Gama und
desſſen lühne Gefährten. Der Dichter
beſingt darin:
Camoes' Nationalepos
„„Die Wafsen und die Helden reich an
Ehre,
Die einst vom schönen Luſitc1eferanb *)
Durchzogen nie zuvor befahr'ne Meere
Von West nach Ost zum Sonnenauf-
gangsland;
Die mutig in Gefahr und Kriegsbe-
schwere,
Wie nimmer sonst sie Menſchenkraft be-
ſtand,
In fernen Strichen ferner Völker schufen
Ein neues Reich, zu Macht und Ruhm
berufen.'
Es tritt uns auch unter den großen
Entdeckern jenes Heldenzeitalters, das
mit Heinrich dem Seefahrer anhub
und in Albuquerque dem Großen ſsei-
nen Höhepunkt erreichte, Vasco da
Heft 6.
Gama als eine echt ritterliche Geſtalt
entgegen; ein tapferer und seinem
Könige treu ergebener Krieger, den
keine Gefahr erſchüttert, unbeſtechlich in der Handhabung
der Gerechtigkeit. Allerdings iſt er in Indien oft mit
harter Grauſamkeit aufgetreten, wo ihm der Erbfeind
ſeines Vaterlandes und der Chriſtenheit gegenüberstand;
aber was wir heute um der Menschlichkeit willen ver-
*) Luſitania hieß bei den Römern eine Provinz des jen-
ſeitigen Spaniens, der etwa das heutige Portugal entspricht.
dammen, sah jenes Zeitalter, aus deſſen Geist heraus
Gama beurteilt sein will, mit ganz anderen Augen an.
Keinenfalls aber hat der berühmte Entdecker es ver-
dient, von Scribe in ſeinem jeder geſchichtlichen Wahr-
heit hohnsprechenden Textbuche zu Meyerbeers ,Afri-
kanerin“ zu einem ganz gewöhnlichen Opernhelden,
deſſen Handlungsweise gleichfalls eine höchſt „gewöhn-
liche“ iſt, gemacht zu werden.
: . Mun
Schloß Reinhardsbrunn bei Friedrichrod"
|
!
Nut.
DRanorama vol [
Da s Buch für Alte... !
Sohne König Johannes I. von Por-
tugal, gebührt unstreitig der Ruhm,
durch die von ihm ausgesandten Ex-
peditionen, die sein Vaterland an die
Spitze der seefahrenden Nationen je-
ner Zeit brachten, das Zeitalter der
ßtzſen Entdeckungen eingeleitet zu
haben.
Neber Indien, das ja noch den
Curopäern unserer Tage als ein von
einem gewissermaßen märchenhaften
Schimmer umflossenes Land vor dem
Geiſte ſteht, hatte man damals erſt
ziemlich verworrene Vorstellungen. Die
Beziehungen der einheimiſchen indiſchen
Reiche zu Aegypten, Phönikien, Per-
ſien und seit Alexander dem Großen
auch zu den helleniſchen Monarchien
reichten zwar weit hinauf, und Er-
zeugnisse jenes Landes fanden seit den
Zeiten der Seleukiden ihren Weg auch
bereits häufiger nach Europa. Im
ganzen Mittelalter blieb indessen der
Handelsverkehr mit jenem Goldlande
überaus beſchwerlich. Seine Waren
gelangten teils auf dem Karawanen-
wege durch die inneraſiatiſchen Wüſten
nach den Küſtengebieten des Kaſpiſchen
und Schwarzen Meeres, teils wurden
ſie durch die Araber, die ſchon in den
erſten Jahrhunderten nach Mohammed
die indiſchen Meere befuhren und auch
indiſche Häfen beſuchten, nach Aegyp-
ten befördert und von da durch Ver-
mittelung der Genueſer und Floren-
tiner, namentlich aber der Venetianer
dem westlichen Europa zug.führt.
Ein bequemerer Weg war bloß zur
See möglich und überhaupt nur denk-
bar, wenn Afrika umſchifft werden
konnte. Wohl ſollen schon ägyptische
Seefahrer im Auftrage ihres Königs
Necho (6169600 v. Chr.) vom Roten
Meere aus um die Südſpitze des
schwarzen Erdteiles herumgefahren
und durch die Säulen des Herkules
(die Straße von Gibraltar) wieder
ieicnung von E. Limmer. .(S. 151)
. Vasco da Gama war geboren um 1469 zu Sines
in der portugiesiſchen Provinz Alemtejo, und erwarb ſich
hon in jungen Jahren den Ruhm eines kühnen See-
fahrers. In vielen unternehmenden Köpfen lebte da-
mals der Plan, das alte Wunderland Indien mit seinen
Schätzen auf dem Seewege zu erreichen, um in ihm
eine nie verſiegende Quelle des Reichtums zu erwerben.
Heinrich dem Seefahrer (1394-1460), dem jüngsten |
heimgekehrt sein, allein jene Thatsache
= wenn ſie wirklich als solche gelten
darf —~ war nach zwei Jahrtauſen-
den dem Bewußtsein der Völker gänzlich wieder ent-
ſchwunden. Auch eine Umſegelung des Kaps der Guten
Hoſfnung durch die beiden Genueſen Vivaldi 1291 war
längst wieder in Vergeſſenheit geraten. Neu belebt wurde
das Intereſſe für Indien dann durch die Reiseberichte
des Venetianers Marco Polo (1256-1823) und seines
Landsmannes Nicolo di Conti. Der Gedanke, es be-
quemer auf dem Seewege erreichen zu können, setzte
153
sich immer mehr feſt und gewann durch die irrtüm-
lichen Angaben der alten Geographen und Kartenzeichner
noch an Wahrſcheinlichkeit.
Columbus zog bekanntlich von dem Streben geleitet
aus, quer über den Atlantischen Ozean das Indien
des Ptolemäus und das Kathay und Zipangu des Marco
Polo zu erreichen, und als er 1492 auf der Insel
Guanahani landete, glaubte er eine indiſche Insel un-
fern der Gangesmündung vor sich zu haben. Im Mai
1493 erſchien er nach seiner erſten Fahrt in Liſſabon
vor dem König Johann II. und zeigte ihm die aus
dem vermeintlichen Indien und Zipangu (Japan) mit-
gebrachten braunen Eingeborenen ~ eine Scene, die
im erſten Alte der ,„Afrikanerin“ gänzlich ungerecht-
fertigt auf Gama übertragen worden iſt. Zweifellos
iſt Columbus gestorben, ohne eine Ahnung davon zu
haben, daß er eine Neue Welt entdeckt habe. Auch der
Genueſe Cabot wähnte, als er am 24. Juni 1497 das
amerikaniſche Festland betrat und die Nordoſtküſte La-
bradors für König Heinrich VII. von England in Besitz
nahm, die Ostküste von Kathay (China) und das „Land
des Großchans“ aufgefunden zu haben.
Mittlerweile hatten jene in der erſten Hälfte des
15. Jahrhunderts unter Heinrich dem Seefahrer be-
gonnenen portugiesiſchen Entdeckungsfahrten die Weſt-
tüſte Afrikas kennen gelehrt. Bartholomäus Dias ge-
langte auf seiner 1486 angetretenen Expedition sogar
bis 450 Kilometer jenseits des Kaps der Guten Hoff-
nung, mußte aber dann, von seiner murrenden Mann-
schaft dazu gezwungen, umkehren. Auf der Rückkehr
erſt erblickte er Afrikas Südspitze mit dem hochragenden
Tafelberg, um die ihn auf der Hinfahrt der Sturm
getrieben hatte, ohne daß er sie gewahrte; er nannte
ſie das Sturmkap, Cabo tormentoso. Als er aber nach
der Heimkehr dem Könige davon erzählte, rief dieſer
prophetiſchen Geistes: „Nein, es ſFoll nicht das ſtür-
miſche Vorgebirge heißen, sondern vielmehr das Vor-
gebirge der Guten. Hoffnung, denn dort geht der Weg
nach Indien !“
Johann II. von Portugal starb bald darauf, und
sein Vetter und Nachfolger Emanuel der Große (1495
bis 1521) beſchloß, unbekümmert um die Erfolge der
Spanier, eine neue Expedition gen Oſten um das Kap
Krge! hizzolatye. yy rfzitclheren Lerkehr qu!
Indien, wo sich die Macht des Islams vom 9. bis
).. G dee immer l! u cr ſat hatte, für
das chriſtliche Europa zu gewinnen. An die Spitze
eines Geſchwaders von drei Schiffen zu 100 bis 120
Tonnen und einem Laſstſchiſffe wurde der erprobte Vasco
da Gama gestellt, der das größte Schiff, den „St.
Gabriel“, zu seinem Admiralſchiſs machte. Den ,St.
Rafael“ führte sein Bruder Paul da Gama, das dritte
Schiff Nikolaus Coelho und das Laſtſchiff Gonzalo
Nuses. Zum Steuermann des Admiralſchiffes hatte
man Pero aus Alanguer berufen, der schon mit Dias
das Kap umſchifft hatte. Die Angaben über die An-
zahl der Matrosen schwanken zwiſchen 148 bis 320;
nur 55 waren es, die ihre Heimat wiederſahen. Vasco