Heſt 6.
Das Buch für tl e; :
155
sſo würde der Tiger doch noch vor ihm die Thür erreicht
haben. :
„Da ſtand ich nun," so erzählt Jackſon ſelbſt, „alle
meine Körperkräfte waren gelähmt, erstarrt, regungslos; hätte
ich aufschreien können, ſo wäre es gewiß mein letzter Schrei
gewe en, aber meine Kehle war vertrocknet, die Zunge ſtarr,
die Kinnladen geschlossen, die Augen schauten wie durch einen
rötlichen Nebel, während in meinem Kopfe ein ſummendes
Getöse tobte, das mir jeden Gedanken, alle Faſsungskraft
raubte. Dies war meine Lage. Lange dauerte sie nicht; denn
die Muskeln wurden schlaff, das Blut taute gleichſam auf
und die Empfindung, als würde ich niederſinken, kam über
mich. Der Tiger hatte die Thür erreicht und sich davor
niedergelegt. Den Rücken nach Katzenart einwärts gebogen,
das Gesicht zwiſchen den Vorderpfoten, ſo kroch er nun auf
dem Bauche, die leuchtenden Augen starr auf die meinen
gerichtet, einen Zoll nach dem anderen zu mir hin, während
ſein Schweif rechts und links ihm an die Seiten schlug.
Bald hörte dann dieſe Bewegung auf, der Schweif streckte
ſich aus und zitterte krampfhaft, geſahrdrohend, wie bei einer
gereizten Klapperſchlange. Hier war keine Minute zu ver-
lieren. Da fiel ein rettender Gedanke in meine aufgeregte
Seele: ich dachte an den leeren Käfig und blit;schnell huſchte
ich in denſelben, schlug die Thür zu und schob den Riegel
vor. Durch die Schnelligkeit dieser unerwarteten Bewegung
betrogen, sprang der Tiger auf, schlug ſich mit dem Schweife
heftig die Seiten und machte seiner Wut in einem gedämpften
Brüllen Luft, das wie ferner Donner klang. Dann ſah ich
ihn, zu meinem unbeſchreiblichen Schrecken , ſich raſch dem
Käſige nähern, wo er, auf seinen Hinterfüßen sich aufrichtend,
ein furchtbares Gebrüll aussiieß und dann, die Vorderfüße
auf die Decke des Käfigs streckend und seinen Kopf dicht an
die Ciſenstäbe preſſend, mich mit einem langen Blicke aus
seinen grimmigen roten Augen anſftarrte, welche wie glühende
Kohlen funkelten. Der Tiger verblieb lange in dieſer Stellung
vor dem Käfige, ohne einen Verſuch zu machen, mich zu er-
faſsſen. Mit einer unerträglichen Ausdauer fuhr er fort, mich
anzusſtarren, während ich im entfernteſten Winkel des Käfigs
zuſammengekauert ſaß. Mehrmals versſuchte ich es nach Hilfe
zu rufen, aber der Ton erſtarb mir meiſt in der Kehle, und
wenn ich ihn einmal hervorbrachte, ſo begann das Tier, wohl
um mich zu übertönen, ein so gewaltiges Gebrüll, daß ich,
von der Nuslylosigkeit dieſes Verſuchs überzeugt, mich schwei-
gend meinem Schickſale preisgab. Nunmehr begann der Tiger,
als echte Kaze mit ſeinem Opfer zu spielen und es durch
Schrecken zu quälen. Er ſtellte sich mir gerade gegenüber,
verzerrte ſeine Züge durch die furchtbarſten Verdrehungen,
vorzüglich seinen Rachen, zog die Lippen zurück, um mir seine
furchtbaren Zähne zu zeigen, dann biß er sie zuſammen oder
leckte ſie mit der Zunge, von deren Rauheit er mir einen
Begriff gab, als er sie gegen die Eiſenstäbe strich. Nach und
mach ſchien er dieſes Zeitvertreibes überdrüſſig zu werden.
Sein Schweif nahm ſeine Lebhaftigkeit wieder an und schwang
ſich in die Luft, regelmäßig dann wieder rechts und links
die Flanken ſchlagend. Endlich sank er nieder und in dem-
selben Augenblicke streckte er eine Tatze zwiſchen die Eiſenſtäbe
und schlug in einer halbkreisförmigen Bewegung nach mir.
Zwar erlangte er durch dieſen Hieb nichts, seine Krallen
kamen jedoch meinen Knieen so nahe, daß eine Veränderung
meiner Lage durchaus notwendig wurde. Der Käfig war zu
niedrig, als daß ich hätte aufrecht ſtehen ltönnen, so daß mir
nichts übrig blieb, als mich auf die Seite zu legen, mit dem
Rücken nach dem Hintergrunde des Käfigs, so nahe als nög-
lich an die Bretter gedrückt. Glücklicherweiſe war mein Rock
bis oben am Halse eng zugeknöpft, denn der Griff der Kralle
in einen Teil desſelben wäre höchſt gefährlich gewesen; bei
manchem Hiebe nach mir blieb die Pfote des Tigers kaum
zwei Zoll von mir entfernt. Als er ſich in seinem Schlagen
und Greifen nach mir getäuſcht sah, schüttelte er die Stäbe
des Käfigs, einen nach dem anderen; sie waren aber zu stark
und zu fest eingefugt, als daß ſie gebrochen wären oder nach-
gegeben hätten. Dennoch fühlte ich mich nicht sicher, es lag
eine ſolche teufliſche Schlauheit in dem Verfahren des Tieres,
daß ich mich nicht gewundert haben würde, wenn es im
nächsten Moment den Verschluß seines ehemaligen Gefängnisses
eſprengt hätte.
ß les immer noch ließ sich kein Wärter erblicken, kein Auf-
seher! Der Tiger geriet, als er die Fruchtlosigkeit seiner
DVerſuche einſah, immer mehr in Wut und beharrte in einem
unausgesetßten Brummen, oft zu einem Gebrüll ſich vertiefend
oder zu einem förmlichen Schrei ansteigend, während er
immer wieder an den Stäben rüttelte oder mit den Tayen
nach mir ſchlug. Die Frühſtückszeit war gekommen und mit
ihr der Appetit, das merkte ich an ſeinen Anſtrengungen, mich
zu ergreifen, ſowie an dem häufigen Deffnen und Schließen
der Kinnladen und dem Lecken der Lippen. Die Wirkung
dieser vorläufigen Versſpeiſung auf meine Nerven war un-
aussprechlich furchtbar, gleichſam die ahnungsvolle Probe zum
|
Bei uns erſchien: :
F. Beckers Weltgelchichte.
wirklichen Trauerſpiel. Das Bewußtsein drohte mir zu ſchwin-
den und nur mit Aufbietung meiner gesamten Willenskraft
hielt ich mich noch aufrecht. Alle Wachſamkeit war notwen-
dig, um mich vor jenen gefahrvollen Griffen zu schützen, die
oft so ſchnell erfolgten, als sollten sie mich verwirren und
unvorbereitet finden. In meinem fieberhaft erregten Gehirn
sette ſich allmählich der wahnsinnige Gedanke fest, ich müſſe
mich selbſt in den gähnenden Rachen stürzen. Aber ob ich auch
dieſe entseglichen Anwandlungen unterdrückte, die physiſchen
Kräfte standen auf dem Punkte nachzulaſſen. So lange ich
meine Lage steif wie eine Leiche behalten konnte, war mein
Leben ziemlich gesichert, aber die Anstrengung dabei überstieg
menschliche Kraft, und unfähig, die Tortur dieses qualvollen
Stillliegens länger zu ertragen, stand ich, troy des gewissen
Verderbens, eben im Begriffe aufzuſpringen. Da, in der
höchsten Not, nachdem ich jeden Gedanken an Rettung auf-
gegeben, sehe ich plötzlich den Tiger vom Käfig unter ge-
waltigem Brüllen zurückweichen, ich höre Schritte und Stim-
men von Männern. Die unnatürliche Spannung der Nerven
löſt sich unter dem Gefühl der nahenden Rettung; dann
umfing mich eine tiefe Ohnmacht.
Den Schluß des fürchterlichen Ereigniſſes habe ich erst
nach vielen Wochen erfahren, nach meiner Geneſung von
einem schweren Nervenfieber, das mich an den Rand des
Grabes gebracht.
Ein Wärter des Raubtierhauſes hatte dasselbe zur Früh-
ſtückszeit betreten, um die Tiere zu füttern. Als er den
Tiger vor seinem eigenen Käfig erblickte, mit Bewegungen,
die deutlich verrieten, daß der Käfig einen anderen Jnſaſſen
inzwiſchen erhalten habe, dachte der Mann natürlich an einen
Bewohner des Raublierhau'es, der irgendwie dahin gelangt
sei. Es galt vor allem, den Tiger zu fangen, und raſch
herbeigeholte Aufseher und Wärter trieben das Tier mit den
hierzu vorhandenen eisernen Stangen in das im Nebenraume
befindliche, glücklicherweiſe von Beſuchern leere, inzwischen
geöffnete Elefantenhaus, wo der Tizer zunächſt in einem
leeren Käfige in Sicherheit gebracht wurde.
Beim Vorbeisſchreiten an dem Käfig des Tigers hatten die
Männer zu ihrem Entsetßen meine Perſon erkannt. Ich mußte
sofort ins Krankenhaus überführt werden." -
Die fürchterliche Erregung hatte Jackſons Geſundheit derart
erschüttert, daß er an den Folgen derselben ſchon im Jahre
1824 gestorben iſt. §. §.
aAllerkei Erfinder. ~ Amerikaniſche Erfinder haben in
der Regel viel mehr Glück mit ihren Grfindungen als die
anderer Länder. Letztere ſind gewöhnlich gar zu eigensinnig
darauf erpicht, ihre urſprüngliche Idee unter allen Umständen
auch konsequent durchzuführen, was sich naturgemäß häufig
als unmöglich erweiſt. Ganz anders die pfiffigen Yankees!
Gelingt's ihnen nicht auf die eine Art, so verſuchen sie es
meiſt ungebrochenen Mutes auf eine andere, indem sie mit
ihren Erfindungen die merkwürdigsten Metamorphosen vor-
nehmen. Die Hauptsache iſt immer, einen guten Dollarserfolg
zu erzielen.
Da war zum Beispiel vor etlichen Jahren ein ſstrebſamer
Mann in Philadelphia, der erfand im Schweiße seines An-
geſichts einen neuen Schönheitsbalſam, welcher dazu bestimmt
sein sollte, die zarte weiße Haut der jungen Amerikanerinnen
noch zarter und weißer zu machen. Bald aber ſah der Mann
vernünftigerweiſe ein, daß er gegen die übermächtige Kon-
kurrenz der ſchon vorhandenen vortrefflichen Goldereams und
ähnlicher Hautverſchönerungsmittel nicht würde ankämpfen
können. Er gab also ohne Zögern sein Vorhaben auf und
nahm einige Veränderungen mit seinem Fabrikat vor. In-
dem er das feine liebliche Parfüm und noch etliches Ueber-
flüssige wegließ, dafür aber anderes hinzuthat, verwandelte
er ſchlau seinen Schönheitsbalſam in eine neue ganz vorzüg-
liche – Patentwagenſchmiere, die, als sie in den Handel ge-
bracht wurde, sehr guten Absatz fand.
Ein anderer, ein New Yorker, mühte sich lange mit der
Erfindung eines neuen Eisbrechers ab und verfertigte ſchließ-
lich ein kleines zierliches Modell eines solchen Apparats, der,
sehr groß und ſchwer aus Schmiedeeisen konstruiert, im Winter
vorne an den Schiffen befestigt werden sollte. Ein oberer
Hebelarm ſollte, wie ein Hammer wirkend, auf das Eis
niederſchlagen und es zertrümmern, ein unterer die Eis-
trümmermassen seitwärts drücken, unterdesſſen das Fahrzeug
langſam vorwärts dampfte. Sachverſtändige bewieſen ihm
unwiderleglich das Unpraktiſche seiner Erfindung. Nimmer-
mehr könne auf solche Weiſe durch halbmeterdickes Eis eine
Fahrrinne gebrochen werden. Da ging er in ſich, änderte
sein Modell ab und machte es noch viel kleiner, ſo daß man
das Ding bequem in der Taſche tragen konnte, und brachte
auf solche Weise einen ganz neuartigen, äußerst praktischen
Patentnußknacker glücklich zu ſtande, der in Nordamerika, wo
von alt und jung so viele Nüsse geknackt und verspeist
werden, vielen Beifall fand und während langer Jahre in
zahlloſen Exemplaren verkauft wurde, bis ein noch besser
konstruierter, von einem anderen Genie erfundéner Nußknacker
ihn allmählich verdrängte. Aber mittlerweile hatte der erſteré
Erfinder sich bereits ein großes Vermögen érwcrben. So
war also aus einem riesigen Eisbrecher ein winziger Nuß-
knacker geworden. ... |
Ein dritter Amerikaner, der in Pittsburg ivohnte, erfand
ein nieues Schnellfeuergeſchütz, eine Art Kugelspritße, uiid zwar
eine solche von gräßlichſter und mörderiſchſter Konſtruktion,
wie er behauptete. Allein vori Kriegsdepartenient, bei welcheni
er seine Beschreibung und ein kleines Modell zur Prüfung
einreichte, wurde ihm höflich bedeutet, daß seine neue Kugel-
spritze zwar recht ſinnreich erdacht, aber doch nicht praktisch
und auch nicht fürchterlich genug sei, um in einem modernen
Dvyuattit: und Melinitkriege zweckmäßige Verwendung finden
zu können. :
Dies Mißgeschick machte ihn zuerſt ganz intélancholisch.
Glücklicherweiſe hatte er eine vernünftige Frau und die ſagte
zu ihm: „Tröſte dich, lieber John! Gott sei Dank, daß és
so gekommen iſt. Ich bin wirklich recht froh darüber. Anderen-
falls hättest du ja vielleicht lebenslang von den ſchrecklichsten
Gewiſsensbiſssen gefoltert werden können, wenn durch deùite
Schuld eine ganze Menge ſolcher gräßlichen Mordmaſchinen
in den zukünftigen fürchterlichen Kriegen in Gebrauch: ge-
langen würden, um Tauſenden von bejammernswerten Sol-
daten das Lebenslicht auszublaſen. Willst du durchaus eine
neue Mordmaſchine zu deinem ewigen Ruhme erfinden, so
erſinne eine ſolche zur gründlichen Vertilgung der zahllosen
Flöhe, Schaben und Wanzen, die in unſerer Mietwohnung
ihr heilloſes Wesen treiben und die ich bisher vergebens aus-
zurotten versucht habe. Vielleicht könnte dein Kugelspritzen-
modell zu einem zweckmäßigen Jnsektenpulverſtreu- oder Spritz-
modell umgeändert werden.
Dieser geniale weibliche Einfall erſchien dem Erfinder der
Kugelsprite wie ein helles Licht in der Finsternis seines Trüb-
sinns. :
Kurz entſchloſſen warf er das Schnellfeuergeſchützmodell
in die Rumpelkammer und machte sich mit allem Eifer an
die Erfindung einer verbesserten Jnsektenpulverstreuſprite.
Trefflich gelang ihm das Werk und er erwarb ſich viele Dollars
und Ruhm, ja den Dank ganz Nordamerikas, wo es bekannt-
lich Flöhe, Wanzen, Moskitos und sonstiges Ungeziefer in
ungezählten Maſsen giedt. . V. -
Der ſonderbare Faſſagier. ~ Unter den Reisenden, die am
Morgen eines Septembertages 1828 im Poſtwagen von Enſom
nach London fuhren, befand sich auch ein Mann, der, in
. einen großen Mantel gehüllt, den Hut über das Geſicht ge-
zogen und die Hände über den Unterleib gekreuzt, anscheinend
schlafend, in einer Ecke des Gefährtes lehnte. Anfangs fand man
dies in der Annahme, der Passagier habe in der vergangenen
Nacht wenig Schlaf gefunden und ſuche nun das Verſäumte
nachzuholen, ganz natürlich. Als jedoch die Fahrt ſchon nahe
' an zwei Stunden gedauert, ohne daß der Mann auch nur
die leiſeſte Bewegung gemacht hatte, wurde die Reiſegeſell-
schaft von einem unheimlichen Gefühle erfaßt, und einer aus
ihrer Mitte wandte sich an den Kondukteur mit der Auffornhee..
rung, den Schläfer zu wecken. :
Das wird nicht gehen," erwiderte der Roſ-elenker.
„Dieser Gentleman hat gestern leider ein kleines Malheur
gehabt. .. .'
„So? Was iſt ihm denn geschehen? Ist er angefallen
worden, hat er sich geprügelt oder iſt er betrunken ?“ fragten
die Reiſenden durche inandnen. .
„Ach nein," antwortete der Kondukteur mit größter Ruhe.
„Dieser Gentleman ist geſtern in Epſom gehenkt worden, und
reiſt nun nach London zu einem Arzte, dem er ſeinen Körper
vermacht hat."
Man kann ſsſich leicht vorſtellen, welche Wirkung diese
Mitteilung auf die Reiſenden machte. Im Nu war der
Wagen leer, und der Gehenkte der einzige Paſſagier, den an
diesem Tage die Epſomer Poſt nach London beförderte. R. M.
Ein ſektener Vogel. + Ein ruſſiſcher Großfürſt befand
sich zu Anfang dieses Jahrhunderts bei einem kleinen, deut-
schen Herrſcher zu Gaſte. Das ruſſiſche Reichswappen iſt be-
kanntlich der doppelköpfige Adler, und diesen hatte der junge
Prinz in seiner Heimat auf den verschiedenſten Gegenständen
oftmals gesehen.
; . g beit nahm der Großfürsſt, der nicht sehr begabt
und in seiner Erziehung etwas vernachläsſſigt war, an einer
Jagd seines Wirtes teil und schoß bei dieser Gelegenheit
einen großen Vogel. Er fragte den Förſter, in deſſen Ve-
gleitung er sich befand, was denn das für ein merkwürdiges
Tier sei? |
„Das iſt ein Adler, kaiſerliche Hoheit," lautete die
Antwort. |
Der Großfürſt wandte sich zornig um und versetzte: „Un-
sinn, wie kann das ein Adler sein, er hat doch nur einen
Kopf !!. ; L-_n.
Nen bearbeitet und bis auf die Gegenwart fortgeführt
von
Profeſſor Wilhelm Müller.
Dritte Auflage. Mit zahlreichen Illuſtrationen und Harken.
Das Werk erſchien in folgenden Ausgaben: in 66 Lieferungen à 40 Yf., in 12 broſchierken Wänden à M. 2.20 und in 6 elegant gebundenen Bänden à M. 6.
c.
Beckers Weltgeſchichte iſt eines der ältesten Geschichtswerke. Durch ein Jahrhundert hindurch iſt das Werk bekannt, und stets hat es seinen alten guten Ruf zu bewahren
gewußt. Denn ſo viel neue und zum Teil wertvolle Bearbeitungen der Weltgeschichte auch im Laufe der letten Jahrzehnte erſchienen ſ
c§
ind, in einer Hinsicht ſteht das urſprüngliche Beckerſche
Werk heute noch unübertroffen, ja unerreicht da: in der außerordentlich faßlichen, anſprechenden und fesſelnden Darstellung, welche die geſamte Weltgeſchichte mit der Anſchaulichkeit von
Wandgemälden vor dem Leſer aufrollt und dasselbe zu einem Lieblingsbuche des deutſchen Volkes, zu einem Bildungsmittel erſten Ranges für alt und jung gemacht hat. _
Diesen Vorzug des berühmten Beckerſchen Original-Werkes zu erhalten und unter Berückſichtigung der neueſten Forſchungen auf die Höhe der heutigen Geschichtswissenschaft zu
bringen, war die Aufgabe, welche der Bearbeiter der vorſtehenden Ausgabe, Brofeſſor 2Ii»khelm Müller, ſich gestellt und welche er glänzend gelöſt hat. .
Für alt und jung ist das Werk pasſend und geeignet, zu denjenigen Werlen gezähſôt zu werden,. die in der Bibkiothek des deulſchen Hauſes den erſten D'latß einnehmen.
. Union Deutſche Verlagsgeſselſchaft in Ütuttgart, Berlin, Zeiptig.
Das Buch für tl e; :
155
sſo würde der Tiger doch noch vor ihm die Thür erreicht
haben. :
„Da ſtand ich nun," so erzählt Jackſon ſelbſt, „alle
meine Körperkräfte waren gelähmt, erstarrt, regungslos; hätte
ich aufschreien können, ſo wäre es gewiß mein letzter Schrei
gewe en, aber meine Kehle war vertrocknet, die Zunge ſtarr,
die Kinnladen geschlossen, die Augen schauten wie durch einen
rötlichen Nebel, während in meinem Kopfe ein ſummendes
Getöse tobte, das mir jeden Gedanken, alle Faſsungskraft
raubte. Dies war meine Lage. Lange dauerte sie nicht; denn
die Muskeln wurden schlaff, das Blut taute gleichſam auf
und die Empfindung, als würde ich niederſinken, kam über
mich. Der Tiger hatte die Thür erreicht und sich davor
niedergelegt. Den Rücken nach Katzenart einwärts gebogen,
das Gesicht zwiſchen den Vorderpfoten, ſo kroch er nun auf
dem Bauche, die leuchtenden Augen starr auf die meinen
gerichtet, einen Zoll nach dem anderen zu mir hin, während
ſein Schweif rechts und links ihm an die Seiten schlug.
Bald hörte dann dieſe Bewegung auf, der Schweif streckte
ſich aus und zitterte krampfhaft, geſahrdrohend, wie bei einer
gereizten Klapperſchlange. Hier war keine Minute zu ver-
lieren. Da fiel ein rettender Gedanke in meine aufgeregte
Seele: ich dachte an den leeren Käfig und blit;schnell huſchte
ich in denſelben, schlug die Thür zu und schob den Riegel
vor. Durch die Schnelligkeit dieser unerwarteten Bewegung
betrogen, sprang der Tiger auf, schlug ſich mit dem Schweife
heftig die Seiten und machte seiner Wut in einem gedämpften
Brüllen Luft, das wie ferner Donner klang. Dann ſah ich
ihn, zu meinem unbeſchreiblichen Schrecken , ſich raſch dem
Käſige nähern, wo er, auf seinen Hinterfüßen sich aufrichtend,
ein furchtbares Gebrüll aussiieß und dann, die Vorderfüße
auf die Decke des Käfigs streckend und seinen Kopf dicht an
die Ciſenstäbe preſſend, mich mit einem langen Blicke aus
seinen grimmigen roten Augen anſftarrte, welche wie glühende
Kohlen funkelten. Der Tiger verblieb lange in dieſer Stellung
vor dem Käfige, ohne einen Verſuch zu machen, mich zu er-
faſsſen. Mit einer unerträglichen Ausdauer fuhr er fort, mich
anzusſtarren, während ich im entfernteſten Winkel des Käfigs
zuſammengekauert ſaß. Mehrmals versſuchte ich es nach Hilfe
zu rufen, aber der Ton erſtarb mir meiſt in der Kehle, und
wenn ich ihn einmal hervorbrachte, ſo begann das Tier, wohl
um mich zu übertönen, ein so gewaltiges Gebrüll, daß ich,
von der Nuslylosigkeit dieſes Verſuchs überzeugt, mich schwei-
gend meinem Schickſale preisgab. Nunmehr begann der Tiger,
als echte Kaze mit ſeinem Opfer zu spielen und es durch
Schrecken zu quälen. Er ſtellte sich mir gerade gegenüber,
verzerrte ſeine Züge durch die furchtbarſten Verdrehungen,
vorzüglich seinen Rachen, zog die Lippen zurück, um mir seine
furchtbaren Zähne zu zeigen, dann biß er sie zuſammen oder
leckte ſie mit der Zunge, von deren Rauheit er mir einen
Begriff gab, als er sie gegen die Eiſenstäbe strich. Nach und
mach ſchien er dieſes Zeitvertreibes überdrüſſig zu werden.
Sein Schweif nahm ſeine Lebhaftigkeit wieder an und schwang
ſich in die Luft, regelmäßig dann wieder rechts und links
die Flanken ſchlagend. Endlich sank er nieder und in dem-
selben Augenblicke streckte er eine Tatze zwiſchen die Eiſenſtäbe
und schlug in einer halbkreisförmigen Bewegung nach mir.
Zwar erlangte er durch dieſen Hieb nichts, seine Krallen
kamen jedoch meinen Knieen so nahe, daß eine Veränderung
meiner Lage durchaus notwendig wurde. Der Käfig war zu
niedrig, als daß ich hätte aufrecht ſtehen ltönnen, so daß mir
nichts übrig blieb, als mich auf die Seite zu legen, mit dem
Rücken nach dem Hintergrunde des Käfigs, so nahe als nög-
lich an die Bretter gedrückt. Glücklicherweiſe war mein Rock
bis oben am Halse eng zugeknöpft, denn der Griff der Kralle
in einen Teil desſelben wäre höchſt gefährlich gewesen; bei
manchem Hiebe nach mir blieb die Pfote des Tigers kaum
zwei Zoll von mir entfernt. Als er ſich in seinem Schlagen
und Greifen nach mir getäuſcht sah, schüttelte er die Stäbe
des Käfigs, einen nach dem anderen; sie waren aber zu stark
und zu fest eingefugt, als daß ſie gebrochen wären oder nach-
gegeben hätten. Dennoch fühlte ich mich nicht sicher, es lag
eine ſolche teufliſche Schlauheit in dem Verfahren des Tieres,
daß ich mich nicht gewundert haben würde, wenn es im
nächsten Moment den Verschluß seines ehemaligen Gefängnisses
eſprengt hätte.
ß les immer noch ließ sich kein Wärter erblicken, kein Auf-
seher! Der Tiger geriet, als er die Fruchtlosigkeit seiner
DVerſuche einſah, immer mehr in Wut und beharrte in einem
unausgesetßten Brummen, oft zu einem Gebrüll ſich vertiefend
oder zu einem förmlichen Schrei ansteigend, während er
immer wieder an den Stäben rüttelte oder mit den Tayen
nach mir ſchlug. Die Frühſtückszeit war gekommen und mit
ihr der Appetit, das merkte ich an ſeinen Anſtrengungen, mich
zu ergreifen, ſowie an dem häufigen Deffnen und Schließen
der Kinnladen und dem Lecken der Lippen. Die Wirkung
dieser vorläufigen Versſpeiſung auf meine Nerven war un-
aussprechlich furchtbar, gleichſam die ahnungsvolle Probe zum
|
Bei uns erſchien: :
F. Beckers Weltgelchichte.
wirklichen Trauerſpiel. Das Bewußtsein drohte mir zu ſchwin-
den und nur mit Aufbietung meiner gesamten Willenskraft
hielt ich mich noch aufrecht. Alle Wachſamkeit war notwen-
dig, um mich vor jenen gefahrvollen Griffen zu schützen, die
oft so ſchnell erfolgten, als sollten sie mich verwirren und
unvorbereitet finden. In meinem fieberhaft erregten Gehirn
sette ſich allmählich der wahnsinnige Gedanke fest, ich müſſe
mich selbſt in den gähnenden Rachen stürzen. Aber ob ich auch
dieſe entseglichen Anwandlungen unterdrückte, die physiſchen
Kräfte standen auf dem Punkte nachzulaſſen. So lange ich
meine Lage steif wie eine Leiche behalten konnte, war mein
Leben ziemlich gesichert, aber die Anstrengung dabei überstieg
menschliche Kraft, und unfähig, die Tortur dieses qualvollen
Stillliegens länger zu ertragen, stand ich, troy des gewissen
Verderbens, eben im Begriffe aufzuſpringen. Da, in der
höchsten Not, nachdem ich jeden Gedanken an Rettung auf-
gegeben, sehe ich plötzlich den Tiger vom Käfig unter ge-
waltigem Brüllen zurückweichen, ich höre Schritte und Stim-
men von Männern. Die unnatürliche Spannung der Nerven
löſt sich unter dem Gefühl der nahenden Rettung; dann
umfing mich eine tiefe Ohnmacht.
Den Schluß des fürchterlichen Ereigniſſes habe ich erst
nach vielen Wochen erfahren, nach meiner Geneſung von
einem schweren Nervenfieber, das mich an den Rand des
Grabes gebracht.
Ein Wärter des Raubtierhauſes hatte dasselbe zur Früh-
ſtückszeit betreten, um die Tiere zu füttern. Als er den
Tiger vor seinem eigenen Käfig erblickte, mit Bewegungen,
die deutlich verrieten, daß der Käfig einen anderen Jnſaſſen
inzwiſchen erhalten habe, dachte der Mann natürlich an einen
Bewohner des Raublierhau'es, der irgendwie dahin gelangt
sei. Es galt vor allem, den Tiger zu fangen, und raſch
herbeigeholte Aufseher und Wärter trieben das Tier mit den
hierzu vorhandenen eisernen Stangen in das im Nebenraume
befindliche, glücklicherweiſe von Beſuchern leere, inzwischen
geöffnete Elefantenhaus, wo der Tizer zunächſt in einem
leeren Käfige in Sicherheit gebracht wurde.
Beim Vorbeisſchreiten an dem Käfig des Tigers hatten die
Männer zu ihrem Entsetßen meine Perſon erkannt. Ich mußte
sofort ins Krankenhaus überführt werden." -
Die fürchterliche Erregung hatte Jackſons Geſundheit derart
erschüttert, daß er an den Folgen derselben ſchon im Jahre
1824 gestorben iſt. §. §.
aAllerkei Erfinder. ~ Amerikaniſche Erfinder haben in
der Regel viel mehr Glück mit ihren Grfindungen als die
anderer Länder. Letztere ſind gewöhnlich gar zu eigensinnig
darauf erpicht, ihre urſprüngliche Idee unter allen Umständen
auch konsequent durchzuführen, was sich naturgemäß häufig
als unmöglich erweiſt. Ganz anders die pfiffigen Yankees!
Gelingt's ihnen nicht auf die eine Art, so verſuchen sie es
meiſt ungebrochenen Mutes auf eine andere, indem sie mit
ihren Erfindungen die merkwürdigsten Metamorphosen vor-
nehmen. Die Hauptsache iſt immer, einen guten Dollarserfolg
zu erzielen.
Da war zum Beispiel vor etlichen Jahren ein ſstrebſamer
Mann in Philadelphia, der erfand im Schweiße seines An-
geſichts einen neuen Schönheitsbalſam, welcher dazu bestimmt
sein sollte, die zarte weiße Haut der jungen Amerikanerinnen
noch zarter und weißer zu machen. Bald aber ſah der Mann
vernünftigerweiſe ein, daß er gegen die übermächtige Kon-
kurrenz der ſchon vorhandenen vortrefflichen Goldereams und
ähnlicher Hautverſchönerungsmittel nicht würde ankämpfen
können. Er gab also ohne Zögern sein Vorhaben auf und
nahm einige Veränderungen mit seinem Fabrikat vor. In-
dem er das feine liebliche Parfüm und noch etliches Ueber-
flüssige wegließ, dafür aber anderes hinzuthat, verwandelte
er ſchlau seinen Schönheitsbalſam in eine neue ganz vorzüg-
liche – Patentwagenſchmiere, die, als sie in den Handel ge-
bracht wurde, sehr guten Absatz fand.
Ein anderer, ein New Yorker, mühte sich lange mit der
Erfindung eines neuen Eisbrechers ab und verfertigte ſchließ-
lich ein kleines zierliches Modell eines solchen Apparats, der,
sehr groß und ſchwer aus Schmiedeeisen konstruiert, im Winter
vorne an den Schiffen befestigt werden sollte. Ein oberer
Hebelarm ſollte, wie ein Hammer wirkend, auf das Eis
niederſchlagen und es zertrümmern, ein unterer die Eis-
trümmermassen seitwärts drücken, unterdesſſen das Fahrzeug
langſam vorwärts dampfte. Sachverſtändige bewieſen ihm
unwiderleglich das Unpraktiſche seiner Erfindung. Nimmer-
mehr könne auf solche Weiſe durch halbmeterdickes Eis eine
Fahrrinne gebrochen werden. Da ging er in ſich, änderte
sein Modell ab und machte es noch viel kleiner, ſo daß man
das Ding bequem in der Taſche tragen konnte, und brachte
auf solche Weise einen ganz neuartigen, äußerst praktischen
Patentnußknacker glücklich zu ſtande, der in Nordamerika, wo
von alt und jung so viele Nüsse geknackt und verspeist
werden, vielen Beifall fand und während langer Jahre in
zahlloſen Exemplaren verkauft wurde, bis ein noch besser
konstruierter, von einem anderen Genie erfundéner Nußknacker
ihn allmählich verdrängte. Aber mittlerweile hatte der erſteré
Erfinder sich bereits ein großes Vermögen érwcrben. So
war also aus einem riesigen Eisbrecher ein winziger Nuß-
knacker geworden. ... |
Ein dritter Amerikaner, der in Pittsburg ivohnte, erfand
ein nieues Schnellfeuergeſchütz, eine Art Kugelspritße, uiid zwar
eine solche von gräßlichſter und mörderiſchſter Konſtruktion,
wie er behauptete. Allein vori Kriegsdepartenient, bei welcheni
er seine Beschreibung und ein kleines Modell zur Prüfung
einreichte, wurde ihm höflich bedeutet, daß seine neue Kugel-
spritze zwar recht ſinnreich erdacht, aber doch nicht praktisch
und auch nicht fürchterlich genug sei, um in einem modernen
Dvyuattit: und Melinitkriege zweckmäßige Verwendung finden
zu können. :
Dies Mißgeschick machte ihn zuerſt ganz intélancholisch.
Glücklicherweiſe hatte er eine vernünftige Frau und die ſagte
zu ihm: „Tröſte dich, lieber John! Gott sei Dank, daß és
so gekommen iſt. Ich bin wirklich recht froh darüber. Anderen-
falls hättest du ja vielleicht lebenslang von den ſchrecklichsten
Gewiſsensbiſssen gefoltert werden können, wenn durch deùite
Schuld eine ganze Menge ſolcher gräßlichen Mordmaſchinen
in den zukünftigen fürchterlichen Kriegen in Gebrauch: ge-
langen würden, um Tauſenden von bejammernswerten Sol-
daten das Lebenslicht auszublaſen. Willst du durchaus eine
neue Mordmaſchine zu deinem ewigen Ruhme erfinden, so
erſinne eine ſolche zur gründlichen Vertilgung der zahllosen
Flöhe, Schaben und Wanzen, die in unſerer Mietwohnung
ihr heilloſes Wesen treiben und die ich bisher vergebens aus-
zurotten versucht habe. Vielleicht könnte dein Kugelspritzen-
modell zu einem zweckmäßigen Jnsektenpulverſtreu- oder Spritz-
modell umgeändert werden.
Dieser geniale weibliche Einfall erſchien dem Erfinder der
Kugelsprite wie ein helles Licht in der Finsternis seines Trüb-
sinns. :
Kurz entſchloſſen warf er das Schnellfeuergeſchützmodell
in die Rumpelkammer und machte sich mit allem Eifer an
die Erfindung einer verbesserten Jnsektenpulverstreuſprite.
Trefflich gelang ihm das Werk und er erwarb ſich viele Dollars
und Ruhm, ja den Dank ganz Nordamerikas, wo es bekannt-
lich Flöhe, Wanzen, Moskitos und sonstiges Ungeziefer in
ungezählten Maſsen giedt. . V. -
Der ſonderbare Faſſagier. ~ Unter den Reisenden, die am
Morgen eines Septembertages 1828 im Poſtwagen von Enſom
nach London fuhren, befand sich auch ein Mann, der, in
. einen großen Mantel gehüllt, den Hut über das Geſicht ge-
zogen und die Hände über den Unterleib gekreuzt, anscheinend
schlafend, in einer Ecke des Gefährtes lehnte. Anfangs fand man
dies in der Annahme, der Passagier habe in der vergangenen
Nacht wenig Schlaf gefunden und ſuche nun das Verſäumte
nachzuholen, ganz natürlich. Als jedoch die Fahrt ſchon nahe
' an zwei Stunden gedauert, ohne daß der Mann auch nur
die leiſeſte Bewegung gemacht hatte, wurde die Reiſegeſell-
schaft von einem unheimlichen Gefühle erfaßt, und einer aus
ihrer Mitte wandte sich an den Kondukteur mit der Auffornhee..
rung, den Schläfer zu wecken. :
Das wird nicht gehen," erwiderte der Roſ-elenker.
„Dieser Gentleman hat gestern leider ein kleines Malheur
gehabt. .. .'
„So? Was iſt ihm denn geschehen? Ist er angefallen
worden, hat er sich geprügelt oder iſt er betrunken ?“ fragten
die Reiſenden durche inandnen. .
„Ach nein," antwortete der Kondukteur mit größter Ruhe.
„Dieser Gentleman ist geſtern in Epſom gehenkt worden, und
reiſt nun nach London zu einem Arzte, dem er ſeinen Körper
vermacht hat."
Man kann ſsſich leicht vorſtellen, welche Wirkung diese
Mitteilung auf die Reiſenden machte. Im Nu war der
Wagen leer, und der Gehenkte der einzige Paſſagier, den an
diesem Tage die Epſomer Poſt nach London beförderte. R. M.
Ein ſektener Vogel. + Ein ruſſiſcher Großfürſt befand
sich zu Anfang dieses Jahrhunderts bei einem kleinen, deut-
schen Herrſcher zu Gaſte. Das ruſſiſche Reichswappen iſt be-
kanntlich der doppelköpfige Adler, und diesen hatte der junge
Prinz in seiner Heimat auf den verschiedenſten Gegenständen
oftmals gesehen.
; . g beit nahm der Großfürsſt, der nicht sehr begabt
und in seiner Erziehung etwas vernachläsſſigt war, an einer
Jagd seines Wirtes teil und schoß bei dieser Gelegenheit
einen großen Vogel. Er fragte den Förſter, in deſſen Ve-
gleitung er sich befand, was denn das für ein merkwürdiges
Tier sei? |
„Das iſt ein Adler, kaiſerliche Hoheit," lautete die
Antwort. |
Der Großfürſt wandte sich zornig um und versetzte: „Un-
sinn, wie kann das ein Adler sein, er hat doch nur einen
Kopf !!. ; L-_n.
Nen bearbeitet und bis auf die Gegenwart fortgeführt
von
Profeſſor Wilhelm Müller.
Dritte Auflage. Mit zahlreichen Illuſtrationen und Harken.
Das Werk erſchien in folgenden Ausgaben: in 66 Lieferungen à 40 Yf., in 12 broſchierken Wänden à M. 2.20 und in 6 elegant gebundenen Bänden à M. 6.
c.
Beckers Weltgeſchichte iſt eines der ältesten Geschichtswerke. Durch ein Jahrhundert hindurch iſt das Werk bekannt, und stets hat es seinen alten guten Ruf zu bewahren
gewußt. Denn ſo viel neue und zum Teil wertvolle Bearbeitungen der Weltgeschichte auch im Laufe der letten Jahrzehnte erſchienen ſ
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ind, in einer Hinsicht ſteht das urſprüngliche Beckerſche
Werk heute noch unübertroffen, ja unerreicht da: in der außerordentlich faßlichen, anſprechenden und fesſelnden Darstellung, welche die geſamte Weltgeſchichte mit der Anſchaulichkeit von
Wandgemälden vor dem Leſer aufrollt und dasselbe zu einem Lieblingsbuche des deutſchen Volkes, zu einem Bildungsmittel erſten Ranges für alt und jung gemacht hat. _
Diesen Vorzug des berühmten Beckerſchen Original-Werkes zu erhalten und unter Berückſichtigung der neueſten Forſchungen auf die Höhe der heutigen Geschichtswissenschaft zu
bringen, war die Aufgabe, welche der Bearbeiter der vorſtehenden Ausgabe, Brofeſſor 2Ii»khelm Müller, ſich gestellt und welche er glänzend gelöſt hat. .
Für alt und jung ist das Werk pasſend und geeignet, zu denjenigen Werlen gezähſôt zu werden,. die in der Bibkiothek des deulſchen Hauſes den erſten D'latß einnehmen.
. Union Deutſche Verlagsgeſselſchaft in Ütuttgart, Berlin, Zeiptig.