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Heft 9.

Das Buch für Alle.

. 7



das eine Ende meines Strickes dort oben und werft
das andere herab.“

Ich that, wie er wünſchte. Schnell band er an das
ihm zugeworfene Strickende den Kopf und das Fleiſch
des erlegten Wildſchafes. „So! Jett wartet, bis ich
bei Euch bin. Allein würdet Ihr Eure Laſt haben,
die Ladung hinaufzuziehen, denn ich wette, der Kopf
mit dem Gehörn allein wiegt gewiß ſechzig Pfund.“
Raſch schritt er dann nach der Stelle, wo er mir ein
Hinaufklimmen aus dem Felſenkeſſel als möglich be-
zeichnet hatte. „Nun haltet den Daumen für mich,“
rief er noch vorher, „die Geschichte iſt heiklig!“ Und
ſchon begann er ſeinen Aufstieg.

Im Felsſpalt, gegen deſſen Wände er sich mit
Armen und Beinen stemmte und ſich ſo emporarbeitete,
kam er ziemlich gut vorwärts; dann aber begann für
ihn ein Weg an den eiſigen, glatten Felszacken hinauf,
bei dem mir immer und immer wieder der Atem ſtockte,
während ich zugleich seine Meisterſchaft im Klettern
ansiaunen mußte. Oft hing er nur an einem Arme,
oft schien ein Fuß, -auf den er ſich allein verlassen
mußte, kaum an einem Stützpunkt zu haften, mehrfach
vermochte er nur durch einen verwegenen Sprung den
nächſten Halt zu gewinnen. Fand er irgend eine
Stelle, wo er einigermaßen sicher stand oder ſich sicher
feſthalten konnte, so erholte er ſich eine kurze Weile,
um dann aufs neue seinen beſchwerlichen und gefahr-
vollen Weg fortzuſetzen.

So hatte er etwa drei Viertel der Höhe erreicht,
als ich bemerkte, daß ihn die größte Schwierigkeit noch
oben, dicht am Rande der Felswand, erwartete, die
dort wie ein vorſpringendes Dach geformt war. Ohne
Hilfe kam er an jener Stelle niemals hinauf.

Ich band das Ende des Strickes an einen Salbei-
strauch und eilte nach der anderen Seite des JFelſen-
keſſels, wo Johnny Dickſon emporklomm. Hier kroch
U hit an den Abgrund heran und blickte über den

and.

Etwa zehn Meter war Dickſon noch von mir ent-
fernt. Sein Atem flog; ſeine Bruſt keuchte. Von den
Jingern rann ihm das Blut, und ſein ſchweißtriefendes
Geſicht dampfte. :

„Nehmt Euch nur Zeit!“ rief ich ihm voll Mitleid zu.

„Verwünſcht saure Arbeit!“ stieß er hervor, doch
kletterte er unaufhaltſam weiter, bis er oben unter
dem vorspringenden Rande, wo er einen Arm um einen
Felszacken schlang, anlangte.

„Ganz fertig!“ murmelte er, und vollständig er-
ſchöpft ließ er den Kopf sinken.

Wohl fünf Minuten hing er so mehr, als er stand,
denn kaum berührte sein einer Fuß eine kurze, wenige
Centimeter tiefe Rille im Gestein. Dann aber er-
tögthte mit der ihm zurückkehrenden Kraft ſein Humor
wieder.

„Ja, alter Freund, da wären wir nun!“ meinte
er. „Aber wenn Ihr mir nicht noch einmal behilflich
ſein könnt, so gilt die mir vorhin gütigst geſchenkte
Freikarte fürs Dasein nicht viel, und ich glaube, meine
vorherige Lage hätte ich noch vorgezogen. Dort wäre
ich doch hängen geblieben bis zum letten Schnaufer;
hier stürze ich vorher vor Ermattung ab und werde
dort unten mit meinen zweihundertunddreizehn Knochen
auseinanderfliegen wie eine plazende Granate.“

„Seid ohne Sorge, ich helfe Euch!“ erwiderte ich.

„In welcher Weiſe?“ fragte er gespannt.

„Das werdet Ihr ſehen, sobald Ihr wieder ge-
Fögtt§ bet Krajten Je. warts! Ich sehne mich ver-
teufelt danach, wieder feſten Grund unter den Füßen zu

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ha etwas zu entgegnen, legte ich mich nieder,
klammerte meine Arme um ein aus dem Boden her-





vorragendes Felssſtück und ließ meine Beine über den
Heut ver Felswand baumeln. „So! Nun klettert an
mir hinauf.“

„TLhe devil! Ihr ſseid ein guter Kerl und

„Macht keine Redensarten, sondern beeilt Euch,“
unterbrach ich ihn ungeduldig. Mir war durchaus
nicht behaglich zu Mute. :

Ich hörte ihn einigemal tief aufatmen.

„Los also !“ sagte er dann mit einem lauten Seufzer,
und gleich darauf ſchlangen ſich ſeine Arme um meine
Beine. „Jett haltet fest!“

„All right!l* Ich fühlte einen starken Ruck, und
nun mußte ich alle Kraft aufwenden, um mich zu halten.

Eine endlos erſcheinende Minute verrann, während
Johnny Dickson sich laut keuchend an mir abmühte,
die Höhe zu gewinnen.

Glücklich gelang es. Als er oben war, zog er mich
noch von dem Abgrunde fort; dann warf er ſich auf
den Boden nieder, streckte Arme und Beine von ſich
und ſchloß die Augen.

Auch ich blieb einige Zeit, mehr durch die Auf-
regung als durch körperliche Ueberanstrengung ermattet,
liegen. Als ich mich dann erhob, hatte Johnny Dic-

son das Bewußtsein verloren, und erſt nach längerer
Mühe vermochte ich ihn wieder zu erwecen.

Er stützte sich auf den Ellbogen und ſchaute ver-
wundert um sich. „The devil! Wo bin ich?“ mur-
melte er. „Ah, jetzt weiß ich es ~ der lettte Reſt war
das Schlimmste von der ganzen Kletterei." Er richtete
sich vollends auf und reckte die Arme. ,Einigemal
war es mir, als wollten mir die Sehnen reißen.
Na! Es iſt ja noch alles gut abgelaufen, und das ist
die Hauptſache. Kommt! Die Sonne ſcheint heute
Vorſpann genommen zu haben. Wenn wir uns nicht
sputen, wird es Nacht, bevor wir zu unſeren Pferden
kommen.“ Wir begaben uns nach der anderen Seite
des Kesſels und zogen aus diesem das an dem Strick
befestigte Fleiſch und den Bockskopf empor. Johnny
Dickson belud sich mit letzterem; ich nahm das Fleiſch
auf die Schulter, und raſch traten wir den Heim-
weg an. : ;

Das Steigen und Klettern wurde meinem Begleiter,
der höchſt ermattet nach der übermenſchlichen An-

strengung war, was er jedoch nicht eingeſtehen wollte,
ſehr ſchwer, und der Tag neigte sich ſeinem Ende zu,
als wir noch etwa eine halbe Stunde von unserem
Ziel entfernt waren. Wir hatten ſoeben wieder die
Höhen erreicht, als die Sonne wie ein glühender Ball
am Horizont verſank. Nie werde ich das herrliche
Bild vergeſſen, was sich mir in jenen Augenblicken bot.
Feurig glänzten die westlichen Firnen, und wie flim-
merndes Gold erſchienen die übrigen ſchneeigen Berge.
Plötzlich färbten sie sich purpurn, anfangs leuchtend,
dann dunkler und dunkler, worauf die Färbung ver-
blaßte und der Schnee im Scheine der zahlreich am
klaren Himmel aufblitzenden Sterne blauweiß ſchim-
merte. Eine kurze Weile leuchteten noch im Weſten
die Ränder einiger höheren Berggipfel glühendrot; dann
hüllten auch sie ſich in Nacht.

Fröhlich wieherte mir meine Kitty entgegen, als
wir endlich bei ihr und dem Pferde meines Gefährten
anlangten. Schnell war ein Feuer entzündet, und bald
brodelte in einem Keſſel das Wasſer zu einem kräftigen
Whiskygrog, der uns zu unserem aus Brot und Speck
beſtehenden Abendimbiß vortrefflich mundete.

Nachdem wir gesättigt waren, begaben wir uns
zur Ruhe. Schon lagen wir einige Zeit in unsere
Büffelfelle und Decken gerollt, den Sattel als Kopf-
kiſſen unter unserem Haupte, da richtete ſich Johnny
Dickson noch einmal auf.

„Hört, Freund !“ sagte er, mir die Hand reichend,
„ich bin ein leichtſinniger, selbstſüchtiger Kerl; aber































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gang 1897 des „Buches für Alle" eine von der b

 q. herſtellen lassen.

lj . und glauben, daß dieselbe jedem Besteller die Freude an uns
2 ) | schafft ſich damit einen Prachtband von dauerndem Werte.
. (5 : die Einbanddecke in gleicher Ausstattung und zum gleichen Preis

. verlangen; der Besteller iſt dann berechtigt, jede andere zurü

Gefälliger Beachtung empfohlen!



gewiſſe Grundſätze habe ich dennoch, und da ist mir
soeben durch den Sinn gefahren, daß es für einen
richtigen Jäger eigentlich Pflicht und ſelbſtverſtändlich
iſt, ſeine Beute sofort tot niederzuſtrecken. Mein Schuß
war also nicht des Rühmens wert; den Eurigen aber
macht Euch nicht so leicht jemand nach, und abgesehen
davon, daß Ihr mir damit das Leben rettetet, gehört
Euch auch das Bocksgehörn. Denn nur Jhr thatet
heute einen Meisterſchuß. “

Dieſes Zugeſtändnis iſt dem braven Tickson sicher-
lich noch schwerer gefallen als seine heutige Kletterpartie.



Mannigfalkiges. (gzugvrus verboten.)

Ein Sträfking aks Millionär. ~ Im Jahre 1806 wurde
in London ein gewisser George Andrews wegen mehrfacher
schwerer Verbrechen zur lebenslänglichen Deportation nach
Vandiemensland, heute Tasmanien, verurteilt und mit dem
Bemerken dorthin eingeliefert, daß er arbeitsſcheu und un-
verbesserlich ſei. Der Gouverneur der Sträflingskolonie aber
brachte es dahin, daß Andrews einer der fleißigsten Ar-
beiter, schließlich sogar Kommandant eines Trupps von
Schickſalsgenoſſen wurde. Als solcher wirkte er nun wahre
Wunder. Große Strecken Landes wurden unter seiner Leitung
urbar gemacht und Erfolge erzielt, daß der Gouverneur An-
drews aufforderte, sich von ihm eine Belohnung zu erbitten.
„Schenkt mir die Moräſte, an deren Austrocknung Jhr ver-
zweifelt," sagte Andrews, und als sein Wunsch gewährt wurde,
ging er sofort ans Werk. Freilich war dies eine äußerſt
ſchwierige Arbeit, und es dauerte über zwanzig Jahre, bis er
damit zu stande kam, allein er beſaß schließlich die dem Sumpfe
abgewonnenen Ländereien, für die ihm sofort 100,000 Pfund
Sierling (über 2 Millionen Mark) geboten wurden. JInfolge-
deſſen kam Andrews um ſeine Begnadigung, reſpettive die
Erlaubnis zur Rückkehr nach England ein. Jm Jahre 1839
erhielt er dieselbe und betrat 1840 den Boden der Heimat
wieder, die ihn einst mit Recht verſtoßen hatte, um fortan
als steinreicher Mann in London zu leben. R. M.
Aufbruch zur Iagd betitelt sich eines der vortreff:
lichſten Gemälde, die aus Franz v. Defreggers Meisterhand
hervorgegangen sind. Der berühmte Tiroler Künſtler be-

. | thätigt ja seine eigenartige Begabung nie glänzender, als wenn

er seine Vorwürfe dem ihm so bekannten Leben der Aelpler
entnimmt. Dies offenbart sich im „Aufbruch zur Jagd“ in
vollem Maße. Dieses friſche dralle „Deandl“, das da mit
ſchalkhaftem Lächeln und einem Händedruck von dem alten
Jörſter Abſchied nimmt, der prächtige Alte selbſt und ſein
danebenstehender Sohn, der die Nandl oder Vroni mit einem
so sprechenden, gar mancherlei verratenden Blicke anschaut,
sind Geſtalten von einer Naturwüchsigkeit und einem inneren
Leben, daß man bei Betrachtung des Bildes meint, sie
müßten zu sprechen und sich zu bewegen beginnen. Die
Union Deutsche Verlagsgesellſchaft stellt das prächtige Bild
in künſtleriſch ausgeführtem Kupferstich dem Publikum zu
dem außerordentlich billigen Preiſe von 1 Mark 50 Pfennig
zur Versügung. Wir machen auf den diesem Hefte beiliegen-
den Bestellzettel aufmerksam. Das Bild wird für jedermann
einen wertvollen Zimmerschmuck bilden. F. Z.

Kurz und bündig. + Ein Landpfarrer auf einer gering
dotierten Stelle, deſſen Ernte auf den Pfarrgrundſtücken durch
Hagelſschlag vernichtet worden war, richtete, als überdies noch
ein strenger Winter eintrat, an den Fuldaer Fürstbiſchof Hein-
rich Vll. (1759-1788) ein mehrere Bogen umfassendes
Schriftstück, in welchem er seine Not in grellen Farben ſchil-
derte, jedoch aus übergroßer Bescheidenheit unterließ, am
Schlusſe das wirkliche Gesuch anzubringen. Der Fürstbiſchof,
welcher kein Freund von langen Schreibereien war, ließ ihm
das Schriftstück mit dem Bedeuten zurückstellen, sich kurz zu
fassen und anzugeben, was er eigentlich wolle. Hierauf reichte
der Pfarrer ein anderes Schreiben ein, welches nur aus zwei
Zeilen ~ wie folgt — bestand :

„Gnädigster Biſchof und Fürſt!
Mich friert, hungert und dürſt'’."

Heinrichs Beschluß lautete darauf alſo : „Vorläufig zwei
Klafter Holz, vier Malter Korn zur Steuer der Not, einen Eimer
Wein aus dem Hofkeller zur Stärkung." R. v. V.







Um den Anforderungen einer neuen Geschmacksrichtung Rechnung zu tragen, haben wir für den abgeſchloſſenen Jahr-

isherigen gänzlich verschiedene neue prachtvolle

Öriginal-Linbanddecke

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><zuweisen. Zeichnung und künstleriſche Form dieser Decke ſind unser
| alkeiniges Eigentum, das von niemandem nachgeahmt werden darfz zur Vermeidung von Verwechslungen laſſen wir jede Decke
| auf der Innenseite mit dem Stempel „DOriginal-Einbanddecke der Verlagsbuchhandlung Union Deutſche Verlagsgeſellſchaft“" rerſehen.

Zu den früheren Jahrgängen sind die bisherigen braunen Cinbanddecken zum selben Preiſe zu beziehen.
Bestellungen nehmen alle Buchhändler, Journalexpedienten, Buchbinder, Kolporteure, sowie diejenigen Voten an, welche

die Hefte des gegenwärtigen Jahrgangs ins Haus bringen.

Zinion Deutſche Verlagsgelellſchaft in Stuttgart, Werkin, Deipzig.






 
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