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innten die neuzeitlichen Forderungen gegenüber der

Teil der badiſchen Grenze an das Ausland, nicht bloß,

468

Da s B uch für Alle.

Heft 20.



























Vor fünfzig Jaljmren.
Bilder aus der Revolutionszeit von 1848.

Von Fr. Regensberg.
; (Nachdruck verboten.)
IV. Der „„Völkerfrübking“ in Baden.
: (Siehe die beiden Porträts auf Seite 483 und das Bild auf Seite 484.)
m Tage nach dem für Berlin so verhängnisvollen
N' März (vergl. Heft 18), am Sonntag den |
19. März -
1848, fand zu
Offenburg in Ba-
den eine große
Volksverſammlung
ſtatt. „Die frei-
heitlichen Beſtre-
bungen des badi-
schen Volkes ent-
behren der Eini-
gung, " hieß es in
dem dazu einla-
denden gedruckten
Aufrufe. „Die
Aufregung äußert
ſich teilweise in be-
klagenswerten
Ausbrüchen. Die
Feinde der Frei-
heit und des Va-
terlandes treten
zwar im Augen-
blick nicht offen
auf, können aber
leicht wieder ihre
Macht entwickeln.
Unter diesen Um-
ſtänden iſt zum
Schutz der öffent-
lichen Ordnung
und der Rechte des
Volkes ein Zuſam-
mentreten aller
Freunde des Va-
terlandes notwen-
dig, wenn ſich nicht
der gute Geiſt zer-
ſplittern oder gar
von feindſeligen
Umtrieben unter-
drückt sehen ſoll. “
Unter allen
deutſchen Staaten
herrſchte in vor-
märzlicher Zeit das
j cetahe se
Schon ſeit dreißig
Jahren besaß das
Großherzogtum
gleich dem benach-
barten Württem-
berg eine Verfas-
ſung mit Stände-
kammern, und
gegen die reaktio-
nären Beſtrebun-
gen der Regierung
war eine liberale §
Opposition. die YU
ganz hervorra-
gende Männer in
ihren Reihen
zählte, mit Ent-
ſchiedenheit und
Erfolg aufgetreten.
Ein Teil dieſer
Opposition war re- >
publikaniſch, hatte_eôe—_e V E-
aber bisher Schul- D :
ter an Schulter mit
den monarchiſch-
konstitutionell Ge-



Reaktion und dem Bureaukratismus vertreten.
Vor fünfzig Jahren ſstieß bekanntlich ein großer

wie noch heute, an die Schweiz, ſondern im Nordwesten
auch an Frankreich, und die von dieſen beiden Ländern
gauszgehenden radikal-republikaniſchen Strömungen mußten
daher auf dem ſo nahen badiſchen Gebiet éine besonders
erregende Wirkung ausüben. Als die Kunde von dem
ungeheuren Umſchwung der Dinge bei den unruhigen
Nachbarn jenseits des Rheines einlief, wo die Februar-
revolution sich damit begnügte, den „Bürgerkönig“ aus
dem Lande zu treiben, während die große Revolution
seinen Vater auf das Schafott geſchleppt hatte, und



wo nun eine proviſoriſche Regierung an der Spitze des
Staates stand, die neben den gemäßigten Republikanern,
wie dem greiſen Dupont de l'Eure (geb. 1767) und
dem berühmten Dichter Lamartine, auch Sozialisten
wie Louis Blanc und Ledru.Rollin umfaßte, verfielen
in Deutſchland zahlreiche ſchwärmeriſche Naturen und
unpolitiſche Köpfe auf die Idee der Errichtung einer
univerſellen, europäiſchen Republik mit der Deviſe:
Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit! Die in den

_

meiſten Ländern Schlag auf Schlag einander folgenden |

Volkserhebungen bestärkten diese Schwärmer in ihren



HKaninchenjagd. (S. 487)

Hoffnungen, und eine von Paris aus betriebene Pro-
paganda ſchürte dies revolutionäre Feuer. Sie ver-
breitete republikaniſche Ideen als Reizmittel für die
unteren Klassen, deren durchweg traurige und bedrückte
Lage es begreiflich genug machte, wenn sie ſich jenen
zzugts zeigten. Das Jollte sich auch in Baden er-
weiſen.

Hier hatte Großherzog Leopold ſchon Ende 1846
einen der vormaligen Führer der Landtagsoppoſition,

HBekk, zum Minister des Innern ernannt und damit

den konſstitutionellen Liberalismus an die Spitze der
Geſchäfte gebracht; hier war manches bereits erreicht,
was die Bevölkerung der übrigen deutſchen Staaten
sich 1848 als „Märzerrungenſchaften“ erſt erkämpfen



mußte. Schon am 27. Februar dieſes Jahres hatte in
Mannheim unter Karl Mathys Vorsitz eine Volksver-

sammlung stattgefunden, welche jene vier Forderungen auf. _

stellte: Preßfreiheit, Schwurgerichte, Volksbewaffnung
und Einrichtung eines deutſchen Parlaments, die dann ihren
Rundgang durch ganz Deutſchland machten. Als hierauf
die Märzbewegung namentlich in der badiſchen Haupt-
ſtadt Karlsruhe sehr stürmiſch einsetzte, erklärte ſich die
Regierung ſowohl mit dieſen Wünſchen einverſtanden,
als auch mit den Forderungen, die von der äußersten

| Linken der Zweiten Kammer eingebracht und von der

Verſammlung
selbſt fast einstim-
mig angenommen
wurden. :

Am 5. März
traten zu Heidel-
berg einundfünf-
zig „Vaterlands-
| freunde“ aus faſt
/ allen Gauen

Deutſchlands, die

gewissermaßen die

Blüte des liberalen

Bürgertums dar-

stellten, zu einer

Beratung zuſam-

men; auch die

Führer der badi-

ſchen Radikalen

fehlten nicht: G u-

ſtavv.Struve,

der Herausgeber
des g„Deutſchen

Zuſchauers“n. in

Mannheim, und

sein Freund, der

leidenſchaftliche,
ehrgeizige und hin-
reißend beredte

Mannheimer Ad-

vokat Fri edri ch

Hecker (siehe die

beiden Porträts

auf S. 483), ſo-
wie der greiſe Op-
poſitionsführer seit

1822, Adam v. Ih-

stein und der Ad-

vokat Lorenz Bren-
tano. Man be-
ſchloß. in erſter
| Linie, auf die
MM, raſcheEinberufung -

' eines deutſchen
Parlaments hin-
zuwirken, ſchon

ner des öffentli-
cen HVertrauens
aus ganz Deutſch-
land zu verſam-
meln, um dieſe
wichtige Angele-
genheit weiter zu
beraten. Es wurde

Durchführung die-
ser Beſchlüſse nie-
dergeſettt, beſtehend
aus Heinrich v. Ga-
gern und Römer,
dem Readikalen
p. Itſtein und
den Liberalen Karl
Welcker, Binding,
Stedtmann und
Willich. Dieser
Ausschuß berief
tat.
vorbereitende Ver-
sammlung das ſo-
genannte Vor-
parlament auf den 31. März nach Frankfurt a. M.

Es gewann zuerſt den Anſchein, als solle die Be-

wegung in Baden einen friedlichen Verlauf nehmen,

indem auch die Radikalen ihre Bereitwilligkeit erklärten,
sich den künftigen Beſchlüſſen des verfaſſunggebenden
deutschen Parlaments unterwerfen zu wollen. Leider
erwies sich das als eine Täuſchung. -

Zunächſt begann es auf dem Lande hie und da
bedenklich zu gären. Im Odenwald und Taubergrund,
wo im 16. Jahrhundert der fränkiſche Bauernkrieg ge-
wütet hatte, im Kraichzau und am Neckar überfielen
die Bauern die Schlöſſer ihrer Feudalherren, von
deren Beamten sie vielfach arg bedrückt wurden, und

verbrannten die Akten. Doch wurde die Ordnung raſch

vorher aber Mäan.

ein Ausſchuß zur
 
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