512
D.a s Buch für Alle.
Heft 21.
und erregter tönt der Falzgesang des Hahnes, .
und prächtiger mit jedem Äugenblick entwickelt
sich das Bild des leidenſchaftlichen Tieres.
Schon unterscheidet der Jäger die Zeichnung
des Gefieders, feurig leuchten ihm die roten
Augenbogen, die „Roſen“, entgegen, und
ſchneeweiß schimmern die „Spiegel“ derhängen-
den, zitternden Schwingen. .
Da läßt sich von der nahen Lichtung
ein leiſes, mahnendes Glucken vernehmen, der
Hahn verſtummt inmitten des beginnenden
Klippens; eine Weile schweigt er, dann hebt
er von neuem ſein Falzlied an ſein lettes!
Denn auch der Jäger hat jene Mahnung ver-
standen. Langsam führt er die Büchſe zur
Wange ~ eine Sekunde noch + dann tracht.
der Schuß, und
„Rings der Hall die Vöglein weckt,
Die schlafend in Buſch und Baum versteckt,
Und keines von ihnen bekümmert der Tod,
Sie alle friſch grüßen das Morgenrot,"
wie Vater Kobell einst gesungen, der auch
seine Herzensfreude daran hatte, wenn der
stattliche Vogel niedersſtürzte durch das bre-
chende Gezweig.
Mit hellem Jauchzer springt der Jäger
auf seine Beute zu; erſt wird das erlegte
Wild nach Alter, Gewicht und Schönheit mit
Bedacht geschätt; dann heißt es, zur Raſt
ein behagliches Plätzchen suchen, und die
Pfeife wird in Brand gesteckt.
Ringsumher erwacht allmählich der volle
Tag. Rotes Licht übergießt den Himmel und
flutet durch den Bergwald, um wieder zu
erblaſſen vor den lichtſprühenden Strahlen,
die von Osten her emporſchießen über das
Firmament; die ſchneebedeckten Felſenhäupter,
hinter welchen die Sonne emportaucht, ſehen
ſich an, als trüge jedes von ihnen eine Rieſenkrone aus
weißglühendem Erz.
Ein blendendes Leuchten und Flimmern webt durch
das knoſpende Gezweig der Bäume und über den Moos- [| Ast.
Iranz Graf v. Thun und Hohenſtein,
der neue öſsterreichiſche Miniſterpräſident. (S. 510)
schmilzt, in bunten Farben funkeln.
Ein Flattern, Viſpern und Zwitſchern von Ast zu
Draußen auf der Rodung klingt aus dem dichten,
Eine Holzbahn in Neuſchottland.
ſchon leicht ergrünenden Heidelbeerkraut das
Glucksen der Auerhennen, und mit ſchnalzen-
dem Krächzen streicht eine verspätete Schnepfe
über die niederen Büſche; vom tieferem Hang
empor tönt das Gurren einer wilden Taube,
die erſt vor wenigen Tagen von der Wan-
derſchaft zurückgekehrt, und aus dem höheren
Tann hernieder hallt der melancholiſche Schrei
des Schwarzſspechtes, wechſelnd mit dem emſi-
gen Hämmern und Scheiten des fleißigen
Vogels.
Lautloſen Trittes zieht ein Reh aus dem
Dickicht, windend und ſichernd mit erhobe-
nem „Grind“. Lange steht es, die ſchillernden
„Lichter“ in Neugier auf die regungsloſe Ge-
ſtalt des Jägers gerichte. Dann trippelt
es weiter, um draußen auf der Rodung die
warme Sonne zu ſuchen und die erſten zarten
Grasspitzen, die der Frühling ihm beſchert.
Nun wird der Heimweg angetreten, und
fröhliche Lieder, mit halblauter Stimme hin-
ausgesungen in den leuchtenden Morgen,
kürzen den langen Weg. —
So willkommen glatt und ſauber geht
die Sache freilich nicht immer ab. Gar oft
verdirbt die Bosheit des Wetters dem Jäger
nach schwerer Mühe die ganze Jagd. Oder
es will der Hahn trotz aller Gunst der Wit-
terung nicht falzen; und da läßt er sich nicht
einmal fragen, weshalb er nicht will . . . er
macht ſich eben unsichtbar. Häufig auch
bringt sich der Jäger durch eigene Schuld um
den erhofften Erfolg; ein Schritt zuviel beim
„Anspringen“, eine unvorsichtige Bewegung
während der Pauſen, und der Hahn ist
„vergrämt"“ ; da heißt es dann vor dem miß-
trauiſch gewordenen Vogel stehen wie eine
Mauer, oft durch lange, endlos ſcheinende
möchten; ein vorzeitiges Ermüden, ein einziges Wanken,
und der Hahn q,reitet“" dem Jäger vor der Nase davon.
| grund, auf dem die Tautropfen, zu denen der Reif zer- | Minuten, ob einem auch die Knochen im Leibe zerbrechen
| Manchmal auch gelang das Anſspringen trefflich, man
Originalzeichnung von J. Scotti. (S. 511)
D.a s Buch für Alle.
Heft 21.
und erregter tönt der Falzgesang des Hahnes, .
und prächtiger mit jedem Äugenblick entwickelt
sich das Bild des leidenſchaftlichen Tieres.
Schon unterscheidet der Jäger die Zeichnung
des Gefieders, feurig leuchten ihm die roten
Augenbogen, die „Roſen“, entgegen, und
ſchneeweiß schimmern die „Spiegel“ derhängen-
den, zitternden Schwingen. .
Da läßt sich von der nahen Lichtung
ein leiſes, mahnendes Glucken vernehmen, der
Hahn verſtummt inmitten des beginnenden
Klippens; eine Weile schweigt er, dann hebt
er von neuem ſein Falzlied an ſein lettes!
Denn auch der Jäger hat jene Mahnung ver-
standen. Langsam führt er die Büchſe zur
Wange ~ eine Sekunde noch + dann tracht.
der Schuß, und
„Rings der Hall die Vöglein weckt,
Die schlafend in Buſch und Baum versteckt,
Und keines von ihnen bekümmert der Tod,
Sie alle friſch grüßen das Morgenrot,"
wie Vater Kobell einst gesungen, der auch
seine Herzensfreude daran hatte, wenn der
stattliche Vogel niedersſtürzte durch das bre-
chende Gezweig.
Mit hellem Jauchzer springt der Jäger
auf seine Beute zu; erſt wird das erlegte
Wild nach Alter, Gewicht und Schönheit mit
Bedacht geschätt; dann heißt es, zur Raſt
ein behagliches Plätzchen suchen, und die
Pfeife wird in Brand gesteckt.
Ringsumher erwacht allmählich der volle
Tag. Rotes Licht übergießt den Himmel und
flutet durch den Bergwald, um wieder zu
erblaſſen vor den lichtſprühenden Strahlen,
die von Osten her emporſchießen über das
Firmament; die ſchneebedeckten Felſenhäupter,
hinter welchen die Sonne emportaucht, ſehen
ſich an, als trüge jedes von ihnen eine Rieſenkrone aus
weißglühendem Erz.
Ein blendendes Leuchten und Flimmern webt durch
das knoſpende Gezweig der Bäume und über den Moos- [| Ast.
Iranz Graf v. Thun und Hohenſtein,
der neue öſsterreichiſche Miniſterpräſident. (S. 510)
schmilzt, in bunten Farben funkeln.
Ein Flattern, Viſpern und Zwitſchern von Ast zu
Draußen auf der Rodung klingt aus dem dichten,
Eine Holzbahn in Neuſchottland.
ſchon leicht ergrünenden Heidelbeerkraut das
Glucksen der Auerhennen, und mit ſchnalzen-
dem Krächzen streicht eine verspätete Schnepfe
über die niederen Büſche; vom tieferem Hang
empor tönt das Gurren einer wilden Taube,
die erſt vor wenigen Tagen von der Wan-
derſchaft zurückgekehrt, und aus dem höheren
Tann hernieder hallt der melancholiſche Schrei
des Schwarzſspechtes, wechſelnd mit dem emſi-
gen Hämmern und Scheiten des fleißigen
Vogels.
Lautloſen Trittes zieht ein Reh aus dem
Dickicht, windend und ſichernd mit erhobe-
nem „Grind“. Lange steht es, die ſchillernden
„Lichter“ in Neugier auf die regungsloſe Ge-
ſtalt des Jägers gerichte. Dann trippelt
es weiter, um draußen auf der Rodung die
warme Sonne zu ſuchen und die erſten zarten
Grasspitzen, die der Frühling ihm beſchert.
Nun wird der Heimweg angetreten, und
fröhliche Lieder, mit halblauter Stimme hin-
ausgesungen in den leuchtenden Morgen,
kürzen den langen Weg. —
So willkommen glatt und ſauber geht
die Sache freilich nicht immer ab. Gar oft
verdirbt die Bosheit des Wetters dem Jäger
nach schwerer Mühe die ganze Jagd. Oder
es will der Hahn trotz aller Gunst der Wit-
terung nicht falzen; und da läßt er sich nicht
einmal fragen, weshalb er nicht will . . . er
macht ſich eben unsichtbar. Häufig auch
bringt sich der Jäger durch eigene Schuld um
den erhofften Erfolg; ein Schritt zuviel beim
„Anspringen“, eine unvorsichtige Bewegung
während der Pauſen, und der Hahn ist
„vergrämt"“ ; da heißt es dann vor dem miß-
trauiſch gewordenen Vogel stehen wie eine
Mauer, oft durch lange, endlos ſcheinende
möchten; ein vorzeitiges Ermüden, ein einziges Wanken,
und der Hahn q,reitet“" dem Jäger vor der Nase davon.
| grund, auf dem die Tautropfen, zu denen der Reif zer- | Minuten, ob einem auch die Knochen im Leibe zerbrechen
| Manchmal auch gelang das Anſspringen trefflich, man
Originalzeichnung von J. Scotti. (S. 511)