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528

Da s Bu < f ür Alle.

Hrcſt 22.



gesprochen wurde, auch ein Elsäsſſer, der wohl schon seit Tagen kein Wort
mehr gesagt hatte. Er war ein vierſchrötiger, robuſter Menſch,
Hitze und das Elend hatten auch an ihm gezehrt. Nun ſah man wohl
noch, daß der Mann früher ein Hüne von Gestalt und ein Rie
an Kraft und Körperumfang gewesen sein mochte, jetzt aber
hingen die Glieder ſchlaff und traftlos herab, ſeine Beine

zitterten und ſchlotterten beim Gehen, und sein Geſicht
war grauenerregend fahl und runzlich geworden.
Seine blauſchwarzen Lippen bewegten sich von Zeit

zu Zeit, als ob er etwas hätte ſagen wollen,
und seine Augen, die blutunterlaufen, rot-

gerändert und entzündet waren, schickten
manchmal Blicke aus, vor denen man
erſchrecken konnte. Blicke, die von

einer Qual und Verzweiflung des
Unglücklichen erzählten, die nur in
einer von Reue und Gewissensqual
zerfleiſchten Bruſt wohnen konnten.

Dieser Mann war Jakob Hinze,
der Schmied aus Mülhauſen.

Er verkehrte mit niemand. In
der ganzen Truppe gab es keinen
verſchloſſeneren, einſameren Men-
ſchen als ihn. Wochenlang hörte
niemand ein Wort von ihm. Alle
fürchteten und mieden ihn, denn
er war als ein gewaltthätiger,
unheimlicher Geſelle bekannt, mit
dem sich niemand gern einließ.

Plötlih, © es war in den
Abendstunden deſſelben Tages, und
die Sonne ſchon gesunken ~ ſtieß
Jakob Hinze einen laut gellenden,
markerſchütternden Schrei aus und
warf ſich halb wahnsinnig vor
Durſt und Hitze zu Boden. Es

_ war ein so gräßlicher Schrei, daſz

die Nächstſtehenden entsettt aus-
wichen und in einiger Entfernung
ſtehen blieben, um zu sehen, was
aus dem Unglücklichen wohl wer-
den möchte.

Dieser wand ſich zunächſt einige
Sekunden, wie es ſchien, unter
furchtbaren körperlichen Schmerzen
und Krämpfen, in dem heißen
Sand hin und her wie ein Wurm,
und lag endlich röchelnd und mit
heftig arbeitender Briuſſt still. Zwei
Landsleute näherten sich ihm mit-























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419 Monsieur G. „dterve r- e

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Viedergabe der vermittecs Grapholypie Kopierten Vorderſeile eines Mriefnmſchsages. (S. 530)

leidig und trugen ihn etwas abseits, wo ein Grabmal etwas aus dem
aber die ff Sande hervorragte, das fromme Mohammedaner in dieser Einöde einem
ihrer Marabuts oder Heiligen errichte. Das Grabmal bestand aus
ſe : weiter nichts als aus zwei Steinen, von denen der eine wage-
, recht, der andere senkrecht über dem Grabe lag. Aber es war
ADD doch etwas, was an einen Ruheplatz erinnerte, und die beiden
M >.; eo Elsäſſer glaubten ihrem Landsmann den letzten Liebes-
i e. '.; ML dienſt erweiſen zu müssen, indem ſie ihn an dieſen Ort

. Vr 71. [F 2, Us z, ü Vr t.. :Fy trugen; wo er ſterben konnte. .
M '“zi§z "g.; . Et Das ſchien denn auch ziemlich raſch zu ge-
) 's. schehen. Die wenigen Augenblicke, die seine
J beiden Landsleute noch bei ihm ausharren
durften, lag der Fiebernde ruhig und
röchelnd da. In dem Moment aber,

als sie ihn ſeinem Schicksal über-
laſſen wollten, um der Truppe
nachzueilen, schien ein neuerKrampf-
anfall über ihn zu kommen.

„Bleib, Rudolf,“ ſtöhnte er
in ſeiner Todesangst mühſam her-
vor, „bleib, oder du biſt hier und
dort verdammt in alle Ewigkeit."
Neue Krämpfe ſchüttelten ihn, er
verlor das Vewußtsein, und nur
die entsetzlichen Zuckungen, die
dcn ganzen Körper verzogen und
das Gesicht entſtellten, zeigten, daß
noch Leben in ihm war.

Dereine derSoldatenhattenoch
etwas in Schnaps aufgelöſtes Chi-
nin in seiner Flaſche, und verſuchte
dcm Sterbenden einige Tropfen
davon einzuflößen. Aber es ging

nicht. Hinze preſtte wie im Starr-

[rampf die Zähne aufeinander, daß
sie knirſchten. :
„ZJehügehe,! ſagte der andere,
„ich kann das nicht sehen. Es iſt
zu gräßlich, wenn ein so ſtarker
Körper vom Tod zermalmt wird.“
Allein wollte der andere auch
nicht bei dem bewußtlos daliegen-
den Kameraden bleiben. Er fürch-
lete ſich. So gingen die beiden
sert und ließcn den Unglücklichen
allein in ſeinem ungeheuren Sand-
agrabe liegen. Es war schon finster.
Weit konnte die Truppe nicht-

mehr marschieren. Vielleicht knnte..

man in der Nacht noch einmal



Iikußübergang von reitender Arlilkerie mitteks Falt- und gewöhnlichen Wooken. Originalzeichnung von A. Wald. (S. 530)
 
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