get 22.
das Stück Carbid in der breiten Spitze liegt und durch
ein dünnes Sieb von dem Waſſer getrennt wird. Läßt
man das Carbid unten und gießt oben das Waſſer
gauyf, so entwickelt ſich Gas, und die Lampe brennt.
S racdll die Lampe ausgehen, dann dreht man das Ge-
fäß, welches so ausgewogen ist, daß es genau gleich-
gewichtig um eine Achse ſchwingt, ſo herum, daß das
Carbid nach oben kommt. Das Waſßsſer bleibt dann
unten, kommt mit dem Carbid nicht mehr in Berüh-
rung, und die Gasentwickelung hört von ſelbſt auf.
Um den Fachleuten einen Ueberblick über die Ace-
tylengasinduſtrie zu verſchaffen, wurde im Monat März
1898 in Berlin eine Acetylengasaussſtellung veranſtaltet,
welche aus ganz Deutſchland, Frankreich, der Schweiz,
Oesterreich-Ungarn u. s. w. beschickt wurde. Es war
gewissermaßen eine Revue, die hier über die neue In-
duſtrie abgehalten wurde, und ſelbst die Fachleute waren
verblüfft über den rieſenhaften Aufschwung, den dieſe
Industrie innerhalb weniger Monate in Deutſchland
und im Auslande genommen hat. Uebereinſtimmend
aber behaupteten die Fachleute, diese Induſtrie ſtände
erſt am Anfange einer koloſſalen Entwickelung, die sich
innerhalb kürzester Zeit vollziehen würde. Aus dieſem
Grunde haben wir es für unsere Pflicht gehalten, auch
die nichtfachmänniſchen Leſer damit bekannt zu machen.
Mannigfaltiges. cnawdrue verboten.)
Zu Hauſe, ohne es zu wiſſen! ~ Der französiſche Ge-
neral Guillaume Marie Anne Brune, welcher früher Buch-
drucker gewesen war, erhielt kurz nach seiner Ernennung zum
Marschall durch Napoleon I. eines Morgens den Beſuch des
kaiserlichen Generaladjutanten Grafen Casarelli, der ihn zur
Jagd einlud. Brune, ein ſchlechter Jäger, machte Einwen-
dungen, setzte ſich aber schließlich doch zu dem Grafen in
den Wagen, und sie fuhren ab. Nachdem sie einige Stunden
in einem mehrere Meilen von Paris gelegenen Walde gejagt
hatten, sahen sie ein ſchönes Schloß vor ſich liegen, auf
welches der Adjutant sofort zuſchritt. Brune folgte, und beide
ließen sich ein bald aufgetragenes Frühstück vortrefflich mun-
den und besichtigten dann die einzelnen. Zimmer, die alle
ebenſo geschmackvoll als prächtig eingerichtet waren. Der
_ Marschall, der Casſarelli für den Schloßeigentümer hielt, schien
ganz entzückt von dessen Besitze zu sein. Als sie im Begriffe
waren , wieder in den Wagen zu steigen, meinte Casarelli:
„Wenn es Ihnen so gut hier gefällt, Herr Marſchall, warum
bleiben Sie denn nicht lieber da ?“ ;
„Aber, lieber Graf, wie dürfte ich mir gestatten, Ihnen
noch länger lästig zu fallen ?“
„Mir? Mir würden Sie nicht lästig fallen!"
.
„Aber ich kann doch nicht immer bei Ihnen in die Koſt
gehen!!
„Bei mir? Sie ſind sehr im IZrrium!“ :
„Wie sſo? Habe ich denn nicht die Ehre, auf Ihrem
F Grund und Boden zu ſtehen ?“ :
„Keineswegs !"" ;
„Bei wem bin ich denn?"
„Zu Hauſe, lieber Marſchall, in Ihrem Eigentum."
„Sehr liebenswürdig, aber in Wahrheit, Ihre Gaſtfreund-
ſchaft geht etwas zu weit; es wäre unhöflich, sie zu miß-
brauchen."
ö Êg:t ich erkläre Ihnen hiermit im Namen des Kaisers :
das Schloß gehört Ihnen. Seine Majeſtät hat mich heute
beauftragt, Sie in Ihr Eigentum einzuführen. Haben Sie
die Güte, die Schenkungsurkunde zu unterzeichnen. Sie ſind
ſchon längſt zu Hauſe gewesen, ohne es zu wissen !“ D.
Die Rechenkunſt der Eskimos. ~ Der Wortschat der
Eskimoſprachen iſt, was die Dinge der Außenwelt betrifft,
ziemlich reich. Man hat mehr als einen Namen für die Ver-
chiedenheit eines Tieres nach Geſtalt, Geschlecht und Alter,
D a s B u < f ür Alle.
für das Fischen jeder Fiſchart, für alle erdenklichen Er-
scheinungsformen von Eis und Schnee. Nur ſspärlich sind
dagegen die Ausdrücke für bloße Begriffe und Vorstellungen
vertreten und ganz besonders arm iſt der Wortvorrat für
Zahlen. Namen für Zahlen über zehn hinaus ſcheinen dem
Eskimo vollständig zu fehlen. .Für gewöhnlich zählt er nur
bis fünf oder zehn. Aber ſchon bei dieser einfachſten Addition
nennt er meiſt nicht die Zahlen, sondern gebraucht Finger
und Hände. Bei fünf hebt er die eine Hand, bei zehn beide
Hände in die Höhe; bei drei streckt er Daumen, Zeige- und
Mittelfinger der einen, bei sechs beider Hände aus. Bei
Zahlen von zehn bis zwanzig gebraucht er bereits fremde
Hilfe, er ruft den Nachbar herbei, um mit desſſen Händen die
Zahl zu vollenden. Tritt je einmal an den Eskimo die Not
' heran, sich in der „höheren Mathematik“ verständigen zu
müssen, so iſt guter Rat teuer. Er greift dann in seiner
Verlegenheit zu den sonderbarſten Mitteln.
Ein sehr ergötzliches Beiſpiel solch ſchwieriger Rechnerei
erzählte ein englischer Offizier, der an einer Polarexpedition
des Kapitän Parry teilnahm. Der Offizier befand ſich an
der Repulsebai mit einem Eingeborenen allein im Gespräch
begriffen, als ihm dieser die verhältnismäßig so einfache,
aber für ihn ungewöhnliche Zahl dreißig begreiflich machen
wollte. Zu dieſem Zwecke hielt der Eskimo zunächst beide
Hände empor, wußte aber nicht, was weiter machen, und
blickte lange ratlos umher. Endlich kam ihm die glückliche
Idee, um zehn mehr zu bekommen, die Hände des Offi-
ziers zu ergreifen. Jetzt waren es aber erſt zwanzig. Wo-
her die übrigen zehn bekommen? Die Schwierigkeit ſchien
unüberwindlich. Wiederum indesſſen kam dem Eskimo ein
rettender Gedanke. Er hielt zuerſt einen seiner Füße empor,
aber so wurden es erſt fünfundzwanzig. Um die Zahl zu
vollenden, gab ſich der Mann des eiſigen Nordens nun alle
erdenkliche Mühe, auch den anderen Fuß gleichzeitig in die
Höhezu heben undseine Anstrengungen waren überaus possierlich.
Aber das große Kunstſtück gelang nicht. Nach unglaublichen
Mühen kam endlich die Zahl dreißig durch die vier Hände
und je ein Bein der beiden Personen zu stande. So waren,
um der bösen dreifachen Zehn Ausdruck zu geben, Anſtren-
gungen notwendig geworden, wie sie in ſo hohem Grade kaum
das ſchwierigſste Reckturnen erfordert. DH.
Hoſtſpieklige Munition. ~ Im Jahre 1793 belagerten
die Engländer Pondichery von Gondeloor und von der See
her. Die unglückliche Stadt, die wegen ihrer unerſchütter-
lichen Anhänglichkeit an Frankreich berühmt geworden iſt,
verteidigte ſich mit dem Heldenmut der Verzweiflung. Vom
Vaterlande konnte sie keine Hilfe erwarten, denn dieſes war
selbſt in einen Kampf auf Leben und Tod vervitckelt.
Eines Tages waren die Bewohner der Stadt nicht mehr
im stande, das Feuer der Engländer zu erwidern. Sie
hatten allerdings noch Pulver genug übrig, doch es fehlte
' an Kugeln. Alles Eiſen, welches sich am Orte befand,
war bereits verwendet worden, ſelbſt die Gitter an den
Monumenten, die Wetterfahnen und Kreuze auf den Kirchen
hatte man in Kartätſchen verwandelt.
Es wurde ein Kriegsrat gehalten, und der Gouverneur,
sowie die alten Soldaten, welche denselben beiwohnten, weinten
vor Wut, daß sie sich ergeben müßten. In diesem kritiſchen
Moment bat ein Indier um die Erlaubnis, an die Mit-
glieder des Kriegsrates das Wort richten zu dürfen. Er
wurde hereingeführt und ſtellte ſich als Sandira Pouls, das
Oberhaupt der Sekte der Vellajas vor, der als der reichste
Mann der ganzen Stadt galt. Er verbeugte sich tief vor
der Versammlung und sprach: „Meine Herren, als ich gehört
habe, daß Ihre Munition erschöpft iſt, und Sie beſchloſſen
haben, ſich zu ergeben, habe ich fünfzig Kiſten Rupien nach
den Wällen schicken laſſen. Glauben Sie nicht, daß das aus-
gezeichnete Kugeln geben wird ?"
Dieſe Worte wurden mit lautem Beifall aufgenommen,
und der Gouverneur ſprach dem Oberhaupt der Vellajas in
herzlichen Worten seinen Dank dafür aus, daß er ſich um
das Vaterland so hochverdient gemacht habe. Ein jeder kehrte
auf seinen Poſten nach den Wällen zurück, und die Verteidi-
gung wurde mit ungeschwächten Kräften wieder aufgenommen.
Zwanzig Tage lang wurden Gold- und Silberkugeln auf die
Engländer abgeschoſſen, und auf diese Weiſe über zehn Mil-
liztet Franken aus den Schlünden der Kanonen heraus-
gefeuert. . L--u.
Yalamik, der Herdenwächter. + Im nördlichen Süd-
amerika wird ein Vogel als Schäferhund und als Beſchützer
von Hühnerhöfen verwendet. Die Bewohner von Venezuela,
Britiſch Guayana und den Gegenden am Nordufer des
Amazonenfluſſes nehmen zu dieſen Zwecken seine Dienſte in
Anspruch. Dieser merkwürdige Vogel, wissenschaftlich Psophia
erepitans, von den Indianern Yakamik genannt, bewährt
sich in seinem nicht immer leichten Amte ganz ausgezeichnet.
Sein Aussehen iſt ein dem Kranich ähnliches, nur ist er
ziemlich größer und auch hübſcher wie jener. Im wilden Zu-
stande lebt er ausſchließlich in großen Waldungen, wo er in
Trupps bis zu 200 Stück vorkommt und freiwillig seinen
Aufenthaltsort selten verläßt. Sein Gang ist für gewöhnlich
langſam, fast schwerfällig, bisweilen aber führt der Vogel
wunderliche Scenen auf, in denen er durch große Lebhaftig-
keit überraſcht. Er springt, wenn ihn seine tolle Laune an-
wandelt, hoch in die Luft, tanzt phantaſtiſche Walzer oder
macht die ausgelassenſten Sprünge die Kreuz und Quer. Im-
mer hält er dabei .den Kopf tief zur Erde. Wenn er erschrickt,
stößt er einen eigentümlich tönenden Ruf aus, der an den Klang
einer Trompete erinnert. Er heißt deswegen auch bei den Ein-
geborenen kurzweg der „Trompeter". In der Gefangenſchaft
wird der Yakamit bald zahm und gewöhnt ſich raſch an seinen
Herrn. Auch die Brut des Yakamik läßt ſich ſehr leicht aufziehen.
Mit wahrer Todesverachtung schützt der wertvolle Vogel
die ihm anvertrauten Tiere. Er zeigt einen seltenen Mut
und macht sich ſelbſt die Hunde, die sonstigen Herren über
Viehherden, gehorſam. Er führt Schafherden und Herden
von jungen Hühnern und Enten frühmorgens auf die Weide
und bringt sie immer, stolz an der Spitze voransſchreitend, des
Abends wieder wohlbehalten nach Hauſe. Kein Tier darf
ſich entfernen; er drängt und stößt es so lange, bis es wieder
zum großen Haufen zurückkehrt. Die Stimme seines Herrn
lernt der Yakamik sehr schnell unterſcheiden. Er gehorcht
seinem Gebieter rückhaltlos, folgt ihm überall hin und ſcheint
entzückt, wenn er von ihm Liebkoſungen empfängt. Er ver-
rät Traurigkeit, wenn sein Herr abwesend iſt, und bevill-
kommnet ihn, wenn er zurückkehrt, mit sichtlicher Freude. Gegen
| Hunde und Kayen, die er als Rivalen betrachtet, verhält er
ſich feindlich. Seine Eiferſucht gegen sie kennt keine Grenzen.
Sobald sich ein Hund oder eine Kate nähert, fliegt er herbei
und schlägt wie raſend mit seinen Flügeln. Was den Yata-
mik noch ganz besonders für die Bewachung von Herden ge-
eignet macht, iſt sein ausgezeichneter Orientierungsſinn. Er
findet die Richtung so leicht und sicher wie eine Brieftaube.
Selbst bei der weiteſten Entfernung täuſcht er sich niemals
über den Weg, immer kehrt er zu bestimmter Stunde mit
seiner Herde zurück. D..
Schnell gefaßt. - Der hesſiſche Dichter H. v. Wildungen
verfocht in einer Gesellſchaft mit großem Eifer die Behauptung,
daß der Kartoffelgenuß das Gedächtnis ſchwäche. Er eſse
deshalb keine Kartoffeln und lasse ſich auch nicht täuſchen,
wenn man ihm solche in irgend einem Gerichte vorſeßze, wo
ſie nicht gleich wahrnehmbar sei. Bei Tiſch wurde gleieh
darauf ein feiner Kartoffelkuchen herumgereicht, und Wildungen
aß mit Behagen von dem Gebäck, das er für eine Art Bis-
kuit hielt. Die Frau des Hauſes benahm ihm nun ſeinen
Jrrtum, und die ganze Gesellſchaft brach in ein lautes
Gelächter aus. Aber der Dichter half sich raſch aus der
Klemme. ,„Da haben wir gleich die Bestätigung meiner Be-
hauptung," rief er. „Die Kartoffeln ſind dem Verstande
ſchädlich. Kaum habe ich den Kartoffelkuchen im Magen, ſo
weiß ich ſchon nicht mehr, was ich gegesſen habe!". €. K.
Der General v. Hahr und ſeine Hchüßen. ~ Während
der Schlacht bei Bauten (1813) ritt General v. Sahr vor, um
den in ein Plänklergefecht verwickelten Schützen zu verweisen,
daß sie nicht genug auf ihre Deckung bedacht seien. Als
darauf ein alter Schütze entgegnete: „Herr General, wenn
wir uns decken ſollen, müssen Sie auch nicht hier zu Pferde
bleiben,“ rief der General: ;
„D, einen General, wie mich, bekommt der König alle
Tage wieder, ich aber nicht ſolche Schützen, wie ihr ſeid.“
Ein einstimmiges Hurra der Schützen belohnte den all-
gemein beliebten General. V.
Union Deutsche Verlagsgesellſchaft in Stuttgart, Berlin, Leipzig.
Bibliothek der Anterhaltung und des Willens.
& Bweiundzwanzigſter Jahrgang 1898. #
Mit Originalbeiträgen der bervorragenoſten Schriftſteller und Gelehrten, ſowie zablreichen Illuſtrationen.
Preis pro Band nur 75 Pfennig.
Alle 4 Wochen erſcheint ein elegant in englische Leinwand gebundener Band mit Goldrücken und Deckelpreſſung.
Die „„Bibkiothek der Anterhaktung und des Viſſens‘O wurde vor zweiundzwanzig Jahren ins Leben gerufen, um den vielen Lesern, welche gern über eine eigene Privat-
bibliothek verfügen möchten, der hohen Kosten wegen aber bis dahin von diesem
gewöhnlicher Billigkeit größte Gediegenheit des Inhaltes zu
heiten wertvolle tibliothek zu bieten. In welcher
geht am besten aus dem kolosſalen Absatz hervor, den die bisher erschienenen ſtattlichen Bände desselben gefunden haben.
. L Die „„Zibliothek der Anterhaktung und des BYViſſens'“
von Beiträgen aus allen Gebieten des ZWiſſens
mit za h lr e ich en Illuſtr ati onen.
Wunſche absehen mußten, Gelegenheit zur Erfüllung desselben zu geben. Es galt dabei, mit außer-
verbinden, um nicht nur auch dem wenigst Bemittelten die Anschaffung zu ermöglichen, sondern auch eine für alle
Weiſe dieſe Aufgabe erfüllt und mit welcher ſeltenen Anerkennung dieses Unternehmen allſeitig aufgenommen worden iſt,
enthält die neueſten bBelletriſtiſchen Erzeugniſſe unserer hervorragendſlen Schriftsteller, daneben eine große Anzahl
Dies alles wird geboten in elegant gebundenen Bänden, deren jeder MN nur 75 Pfennig YYY! kostet, ein Preis, zu welchem der Buchbinder im einzelnen noch nicht
einmal den bloßen Einband liefern könnte.
~—j Die meisten Buch- und Kolportagehandlungen, Journalexpedienten etc. nehmen Abonnements entgegen. i
das Stück Carbid in der breiten Spitze liegt und durch
ein dünnes Sieb von dem Waſſer getrennt wird. Läßt
man das Carbid unten und gießt oben das Waſſer
gauyf, so entwickelt ſich Gas, und die Lampe brennt.
S racdll die Lampe ausgehen, dann dreht man das Ge-
fäß, welches so ausgewogen ist, daß es genau gleich-
gewichtig um eine Achse ſchwingt, ſo herum, daß das
Carbid nach oben kommt. Das Waſßsſer bleibt dann
unten, kommt mit dem Carbid nicht mehr in Berüh-
rung, und die Gasentwickelung hört von ſelbſt auf.
Um den Fachleuten einen Ueberblick über die Ace-
tylengasinduſtrie zu verſchaffen, wurde im Monat März
1898 in Berlin eine Acetylengasaussſtellung veranſtaltet,
welche aus ganz Deutſchland, Frankreich, der Schweiz,
Oesterreich-Ungarn u. s. w. beschickt wurde. Es war
gewissermaßen eine Revue, die hier über die neue In-
duſtrie abgehalten wurde, und ſelbst die Fachleute waren
verblüfft über den rieſenhaften Aufschwung, den dieſe
Industrie innerhalb weniger Monate in Deutſchland
und im Auslande genommen hat. Uebereinſtimmend
aber behaupteten die Fachleute, diese Induſtrie ſtände
erſt am Anfange einer koloſſalen Entwickelung, die sich
innerhalb kürzester Zeit vollziehen würde. Aus dieſem
Grunde haben wir es für unsere Pflicht gehalten, auch
die nichtfachmänniſchen Leſer damit bekannt zu machen.
Mannigfaltiges. cnawdrue verboten.)
Zu Hauſe, ohne es zu wiſſen! ~ Der französiſche Ge-
neral Guillaume Marie Anne Brune, welcher früher Buch-
drucker gewesen war, erhielt kurz nach seiner Ernennung zum
Marschall durch Napoleon I. eines Morgens den Beſuch des
kaiserlichen Generaladjutanten Grafen Casarelli, der ihn zur
Jagd einlud. Brune, ein ſchlechter Jäger, machte Einwen-
dungen, setzte ſich aber schließlich doch zu dem Grafen in
den Wagen, und sie fuhren ab. Nachdem sie einige Stunden
in einem mehrere Meilen von Paris gelegenen Walde gejagt
hatten, sahen sie ein ſchönes Schloß vor ſich liegen, auf
welches der Adjutant sofort zuſchritt. Brune folgte, und beide
ließen sich ein bald aufgetragenes Frühstück vortrefflich mun-
den und besichtigten dann die einzelnen. Zimmer, die alle
ebenſo geschmackvoll als prächtig eingerichtet waren. Der
_ Marschall, der Casſarelli für den Schloßeigentümer hielt, schien
ganz entzückt von dessen Besitze zu sein. Als sie im Begriffe
waren , wieder in den Wagen zu steigen, meinte Casarelli:
„Wenn es Ihnen so gut hier gefällt, Herr Marſchall, warum
bleiben Sie denn nicht lieber da ?“ ;
„Aber, lieber Graf, wie dürfte ich mir gestatten, Ihnen
noch länger lästig zu fallen ?“
„Mir? Mir würden Sie nicht lästig fallen!"
.
„Aber ich kann doch nicht immer bei Ihnen in die Koſt
gehen!!
„Bei mir? Sie ſind sehr im IZrrium!“ :
„Wie sſo? Habe ich denn nicht die Ehre, auf Ihrem
F Grund und Boden zu ſtehen ?“ :
„Keineswegs !"" ;
„Bei wem bin ich denn?"
„Zu Hauſe, lieber Marſchall, in Ihrem Eigentum."
„Sehr liebenswürdig, aber in Wahrheit, Ihre Gaſtfreund-
ſchaft geht etwas zu weit; es wäre unhöflich, sie zu miß-
brauchen."
ö Êg:t ich erkläre Ihnen hiermit im Namen des Kaisers :
das Schloß gehört Ihnen. Seine Majeſtät hat mich heute
beauftragt, Sie in Ihr Eigentum einzuführen. Haben Sie
die Güte, die Schenkungsurkunde zu unterzeichnen. Sie ſind
ſchon längſt zu Hauſe gewesen, ohne es zu wissen !“ D.
Die Rechenkunſt der Eskimos. ~ Der Wortschat der
Eskimoſprachen iſt, was die Dinge der Außenwelt betrifft,
ziemlich reich. Man hat mehr als einen Namen für die Ver-
chiedenheit eines Tieres nach Geſtalt, Geschlecht und Alter,
D a s B u < f ür Alle.
für das Fischen jeder Fiſchart, für alle erdenklichen Er-
scheinungsformen von Eis und Schnee. Nur ſspärlich sind
dagegen die Ausdrücke für bloße Begriffe und Vorstellungen
vertreten und ganz besonders arm iſt der Wortvorrat für
Zahlen. Namen für Zahlen über zehn hinaus ſcheinen dem
Eskimo vollständig zu fehlen. .Für gewöhnlich zählt er nur
bis fünf oder zehn. Aber ſchon bei dieser einfachſten Addition
nennt er meiſt nicht die Zahlen, sondern gebraucht Finger
und Hände. Bei fünf hebt er die eine Hand, bei zehn beide
Hände in die Höhe; bei drei streckt er Daumen, Zeige- und
Mittelfinger der einen, bei sechs beider Hände aus. Bei
Zahlen von zehn bis zwanzig gebraucht er bereits fremde
Hilfe, er ruft den Nachbar herbei, um mit desſſen Händen die
Zahl zu vollenden. Tritt je einmal an den Eskimo die Not
' heran, sich in der „höheren Mathematik“ verständigen zu
müssen, so iſt guter Rat teuer. Er greift dann in seiner
Verlegenheit zu den sonderbarſten Mitteln.
Ein sehr ergötzliches Beiſpiel solch ſchwieriger Rechnerei
erzählte ein englischer Offizier, der an einer Polarexpedition
des Kapitän Parry teilnahm. Der Offizier befand ſich an
der Repulsebai mit einem Eingeborenen allein im Gespräch
begriffen, als ihm dieser die verhältnismäßig so einfache,
aber für ihn ungewöhnliche Zahl dreißig begreiflich machen
wollte. Zu dieſem Zwecke hielt der Eskimo zunächst beide
Hände empor, wußte aber nicht, was weiter machen, und
blickte lange ratlos umher. Endlich kam ihm die glückliche
Idee, um zehn mehr zu bekommen, die Hände des Offi-
ziers zu ergreifen. Jetzt waren es aber erſt zwanzig. Wo-
her die übrigen zehn bekommen? Die Schwierigkeit ſchien
unüberwindlich. Wiederum indesſſen kam dem Eskimo ein
rettender Gedanke. Er hielt zuerſt einen seiner Füße empor,
aber so wurden es erſt fünfundzwanzig. Um die Zahl zu
vollenden, gab ſich der Mann des eiſigen Nordens nun alle
erdenkliche Mühe, auch den anderen Fuß gleichzeitig in die
Höhezu heben undseine Anstrengungen waren überaus possierlich.
Aber das große Kunstſtück gelang nicht. Nach unglaublichen
Mühen kam endlich die Zahl dreißig durch die vier Hände
und je ein Bein der beiden Personen zu stande. So waren,
um der bösen dreifachen Zehn Ausdruck zu geben, Anſtren-
gungen notwendig geworden, wie sie in ſo hohem Grade kaum
das ſchwierigſste Reckturnen erfordert. DH.
Hoſtſpieklige Munition. ~ Im Jahre 1793 belagerten
die Engländer Pondichery von Gondeloor und von der See
her. Die unglückliche Stadt, die wegen ihrer unerſchütter-
lichen Anhänglichkeit an Frankreich berühmt geworden iſt,
verteidigte ſich mit dem Heldenmut der Verzweiflung. Vom
Vaterlande konnte sie keine Hilfe erwarten, denn dieſes war
selbſt in einen Kampf auf Leben und Tod vervitckelt.
Eines Tages waren die Bewohner der Stadt nicht mehr
im stande, das Feuer der Engländer zu erwidern. Sie
hatten allerdings noch Pulver genug übrig, doch es fehlte
' an Kugeln. Alles Eiſen, welches sich am Orte befand,
war bereits verwendet worden, ſelbſt die Gitter an den
Monumenten, die Wetterfahnen und Kreuze auf den Kirchen
hatte man in Kartätſchen verwandelt.
Es wurde ein Kriegsrat gehalten, und der Gouverneur,
sowie die alten Soldaten, welche denselben beiwohnten, weinten
vor Wut, daß sie sich ergeben müßten. In diesem kritiſchen
Moment bat ein Indier um die Erlaubnis, an die Mit-
glieder des Kriegsrates das Wort richten zu dürfen. Er
wurde hereingeführt und ſtellte ſich als Sandira Pouls, das
Oberhaupt der Sekte der Vellajas vor, der als der reichste
Mann der ganzen Stadt galt. Er verbeugte sich tief vor
der Versammlung und sprach: „Meine Herren, als ich gehört
habe, daß Ihre Munition erschöpft iſt, und Sie beſchloſſen
haben, ſich zu ergeben, habe ich fünfzig Kiſten Rupien nach
den Wällen schicken laſſen. Glauben Sie nicht, daß das aus-
gezeichnete Kugeln geben wird ?"
Dieſe Worte wurden mit lautem Beifall aufgenommen,
und der Gouverneur ſprach dem Oberhaupt der Vellajas in
herzlichen Worten seinen Dank dafür aus, daß er ſich um
das Vaterland so hochverdient gemacht habe. Ein jeder kehrte
auf seinen Poſten nach den Wällen zurück, und die Verteidi-
gung wurde mit ungeschwächten Kräften wieder aufgenommen.
Zwanzig Tage lang wurden Gold- und Silberkugeln auf die
Engländer abgeschoſſen, und auf diese Weiſe über zehn Mil-
liztet Franken aus den Schlünden der Kanonen heraus-
gefeuert. . L--u.
Yalamik, der Herdenwächter. + Im nördlichen Süd-
amerika wird ein Vogel als Schäferhund und als Beſchützer
von Hühnerhöfen verwendet. Die Bewohner von Venezuela,
Britiſch Guayana und den Gegenden am Nordufer des
Amazonenfluſſes nehmen zu dieſen Zwecken seine Dienſte in
Anspruch. Dieser merkwürdige Vogel, wissenschaftlich Psophia
erepitans, von den Indianern Yakamik genannt, bewährt
sich in seinem nicht immer leichten Amte ganz ausgezeichnet.
Sein Aussehen iſt ein dem Kranich ähnliches, nur ist er
ziemlich größer und auch hübſcher wie jener. Im wilden Zu-
stande lebt er ausſchließlich in großen Waldungen, wo er in
Trupps bis zu 200 Stück vorkommt und freiwillig seinen
Aufenthaltsort selten verläßt. Sein Gang ist für gewöhnlich
langſam, fast schwerfällig, bisweilen aber führt der Vogel
wunderliche Scenen auf, in denen er durch große Lebhaftig-
keit überraſcht. Er springt, wenn ihn seine tolle Laune an-
wandelt, hoch in die Luft, tanzt phantaſtiſche Walzer oder
macht die ausgelassenſten Sprünge die Kreuz und Quer. Im-
mer hält er dabei .den Kopf tief zur Erde. Wenn er erschrickt,
stößt er einen eigentümlich tönenden Ruf aus, der an den Klang
einer Trompete erinnert. Er heißt deswegen auch bei den Ein-
geborenen kurzweg der „Trompeter". In der Gefangenſchaft
wird der Yakamit bald zahm und gewöhnt ſich raſch an seinen
Herrn. Auch die Brut des Yakamik läßt ſich ſehr leicht aufziehen.
Mit wahrer Todesverachtung schützt der wertvolle Vogel
die ihm anvertrauten Tiere. Er zeigt einen seltenen Mut
und macht sich ſelbſt die Hunde, die sonstigen Herren über
Viehherden, gehorſam. Er führt Schafherden und Herden
von jungen Hühnern und Enten frühmorgens auf die Weide
und bringt sie immer, stolz an der Spitze voransſchreitend, des
Abends wieder wohlbehalten nach Hauſe. Kein Tier darf
ſich entfernen; er drängt und stößt es so lange, bis es wieder
zum großen Haufen zurückkehrt. Die Stimme seines Herrn
lernt der Yakamik sehr schnell unterſcheiden. Er gehorcht
seinem Gebieter rückhaltlos, folgt ihm überall hin und ſcheint
entzückt, wenn er von ihm Liebkoſungen empfängt. Er ver-
rät Traurigkeit, wenn sein Herr abwesend iſt, und bevill-
kommnet ihn, wenn er zurückkehrt, mit sichtlicher Freude. Gegen
| Hunde und Kayen, die er als Rivalen betrachtet, verhält er
ſich feindlich. Seine Eiferſucht gegen sie kennt keine Grenzen.
Sobald sich ein Hund oder eine Kate nähert, fliegt er herbei
und schlägt wie raſend mit seinen Flügeln. Was den Yata-
mik noch ganz besonders für die Bewachung von Herden ge-
eignet macht, iſt sein ausgezeichneter Orientierungsſinn. Er
findet die Richtung so leicht und sicher wie eine Brieftaube.
Selbst bei der weiteſten Entfernung täuſcht er sich niemals
über den Weg, immer kehrt er zu bestimmter Stunde mit
seiner Herde zurück. D..
Schnell gefaßt. - Der hesſiſche Dichter H. v. Wildungen
verfocht in einer Gesellſchaft mit großem Eifer die Behauptung,
daß der Kartoffelgenuß das Gedächtnis ſchwäche. Er eſse
deshalb keine Kartoffeln und lasse ſich auch nicht täuſchen,
wenn man ihm solche in irgend einem Gerichte vorſeßze, wo
ſie nicht gleich wahrnehmbar sei. Bei Tiſch wurde gleieh
darauf ein feiner Kartoffelkuchen herumgereicht, und Wildungen
aß mit Behagen von dem Gebäck, das er für eine Art Bis-
kuit hielt. Die Frau des Hauſes benahm ihm nun ſeinen
Jrrtum, und die ganze Gesellſchaft brach in ein lautes
Gelächter aus. Aber der Dichter half sich raſch aus der
Klemme. ,„Da haben wir gleich die Bestätigung meiner Be-
hauptung," rief er. „Die Kartoffeln ſind dem Verstande
ſchädlich. Kaum habe ich den Kartoffelkuchen im Magen, ſo
weiß ich ſchon nicht mehr, was ich gegesſen habe!". €. K.
Der General v. Hahr und ſeine Hchüßen. ~ Während
der Schlacht bei Bauten (1813) ritt General v. Sahr vor, um
den in ein Plänklergefecht verwickelten Schützen zu verweisen,
daß sie nicht genug auf ihre Deckung bedacht seien. Als
darauf ein alter Schütze entgegnete: „Herr General, wenn
wir uns decken ſollen, müssen Sie auch nicht hier zu Pferde
bleiben,“ rief der General: ;
„D, einen General, wie mich, bekommt der König alle
Tage wieder, ich aber nicht ſolche Schützen, wie ihr ſeid.“
Ein einstimmiges Hurra der Schützen belohnte den all-
gemein beliebten General. V.
Union Deutsche Verlagsgesellſchaft in Stuttgart, Berlin, Leipzig.
Bibliothek der Anterhaltung und des Willens.
& Bweiundzwanzigſter Jahrgang 1898. #
Mit Originalbeiträgen der bervorragenoſten Schriftſteller und Gelehrten, ſowie zablreichen Illuſtrationen.
Preis pro Band nur 75 Pfennig.
Alle 4 Wochen erſcheint ein elegant in englische Leinwand gebundener Band mit Goldrücken und Deckelpreſſung.
Die „„Bibkiothek der Anterhaktung und des Viſſens‘O wurde vor zweiundzwanzig Jahren ins Leben gerufen, um den vielen Lesern, welche gern über eine eigene Privat-
bibliothek verfügen möchten, der hohen Kosten wegen aber bis dahin von diesem
gewöhnlicher Billigkeit größte Gediegenheit des Inhaltes zu
heiten wertvolle tibliothek zu bieten. In welcher
geht am besten aus dem kolosſalen Absatz hervor, den die bisher erschienenen ſtattlichen Bände desselben gefunden haben.
. L Die „„Zibliothek der Anterhaktung und des BYViſſens'“
von Beiträgen aus allen Gebieten des ZWiſſens
mit za h lr e ich en Illuſtr ati onen.
Wunſche absehen mußten, Gelegenheit zur Erfüllung desselben zu geben. Es galt dabei, mit außer-
verbinden, um nicht nur auch dem wenigst Bemittelten die Anschaffung zu ermöglichen, sondern auch eine für alle
Weiſe dieſe Aufgabe erfüllt und mit welcher ſeltenen Anerkennung dieses Unternehmen allſeitig aufgenommen worden iſt,
enthält die neueſten bBelletriſtiſchen Erzeugniſſe unserer hervorragendſlen Schriftsteller, daneben eine große Anzahl
Dies alles wird geboten in elegant gebundenen Bänden, deren jeder MN nur 75 Pfennig YYY! kostet, ein Preis, zu welchem der Buchbinder im einzelnen noch nicht
einmal den bloßen Einband liefern könnte.
~—j Die meisten Buch- und Kolportagehandlungen, Journalexpedienten etc. nehmen Abonnements entgegen. i