_ Und wie ſonderbar
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bringe gerne das Opfer. Alſo, bitte, lade ſie umgehend | meinſt Du dazu?
zu Dir nach Berlin ein! Einen Vorwand wirſt Du
ja finden. Ich überlaſſe alles Deinem bewährten Tatkkt.
Viele Grüße Dir und Deinem lieben Mann.
voraus dankt Dir Dein alter Bruder
Im
Ferdinand.
Rangsdorf, 29. Juni.
Meine liebe, gute Schweſter!
In tiefster Not
ſchrei ich zu Dir.
Da s. B uc<. für Alles.
Heft 23.
Ö Sollte Dich aber Dein Gatte, der
Egoiſt, durchaus nicht fortlaſſen wollen, ſo ſchicke mir
auf jeden Fall die Kleine her. Ich füge ein unver-
fängliches Briefchen bei, das Du ihr vorlegen kannſt,
in dem ich die Einladung noch einmal wiederhole.
Schließlich bildet auch Lieſa allein, so jung ſie auch
iſt, die dringend nötige ſpaniſche Wand. Gerade weil
sie nichts ahnt und noch ſo unerfahren und naiv iſt,
auch weil sie sich allein natürlich langweilen würde,
Mariens höfliche Ab-
lehnung wirſt Du
ſchon erhalten haben.
Rundweg abgelehnt !
ſie mich dabei ange-
ſehen hat, als ahne
ſie etwas! Als ich
ihr zureden wollte,
sagte ſie kurz:
„Ich verstehe
nicht recht, wie die
Tante auf eine ſolch
merkwürdige Idee
kommen kann. Jett
im Sommer, wo ale
Welt aus Berlin
flieht, ladet man doch
niemand ein !“
Wie ſchade, daß
ihr den Urlaub Dei-
nes Mannes dies-
mal ſchon im Früh-
jahr an der Riviera
verlebt habt! Dahin
wäre sie vielleicht ge-
keine zehn Pferde,
das ſehe ich deutlich.
Und mir ſcheint,
daß es nicht die
Abneigung gegen
das heiße, ſommer-
liche Berlin allein
iſt ~ ~ kurz, meine
Befürchtungen ſchei-
nen schneller einzue
treffen, als ich ſelbſt
glaubte.
Gestern kam ich
zufällig früher vom
Felde zurück, als ich
tus turout tes
Telegramm, das mir
ein Bote nachge-
bracht hatte, eine
schnelle Beantwore.
tung erheiſchte. Ich
ging, um den Weg
abzukürzen, durch's
hintere Parkthor und
den Park ſelbſt, höre
leiſese Stimmenge-
flüſter am Teich und
ſehe gerade ~ ich
laſſe es mir wenig-
ſtens nicht ausreden
~ wie Fritz Marien
feurig die Hand
küßt. Als sie mich
erblickten, ließen ſie
schnell die Hände
fahren. Angeblich
las er ihr vor. Aber
sie waren beide blut-
rot und verlegen.
Ich nahm sie mit
zum Frühstück und
ging ihnen nicht mehr
von der Seite. Mein
| versäumen will, ſchließe ich.
dann sende mir Lieſa ~ aber poſtwendend, denn es
iſt Gefahr im Verzug! Da habe ich mich nun immer
damit getröſtet, daß ich mit Mädchen weniger Sorgen
und Kummer haben würde, als mit Jungens. ..
Und nun! – Wer weiß, was noch alles kommen kann!
~ Also sofort, liebe Schwester. Lieſa wird ja gern
auf einen kurzen Beſuch kommen; aber wenn ſie auch
Da ich den Poſtzug nicht
Herzliche Grüße! Tele-
graphiere Näheres!
In Eile Dein alter
nicht wollte, sie müßte.
guter Fritz sattelte
denn auch bald ſei-
nen Braunen und : :
trottete ab. Aber ich kann doch nicht den ganzen Tag
daheim bleiben und meine Geschäfte vernachläſsigen! Da
iſt mir nun eine andere Idee gekommen. Was meinſt
Du, wenn Du mit Liesa einige Wochen hierher kämeſt ?
Da wäre denn eine spaniſche Wand gezogen, die der
Herr Lieutenant nicht beiseite ſchieben könnte. Die
paar Wochen Riviera können Dir unmöglich eine ge-
nügende Erholung gewesen ſein, und Du biſt vielleicht
irch. dem heißen, ſtaubigen Berlin für einige Zeit zu
entrinnen.
Daß ich zugleich Lieſa wieder 'mal bei mir hätte,
würde mich und wohl auch das Mädel freuen. Was
Ausnehmen von Raubvogeklneſtern in Norddeutſchkand. Nach einer Originalſkizze von E. Hos ang. (S. 554)
wird sie ihrer Schwester nicht von der Seite weichen.
Und für sie selbſt bildet wiederum Marie eine Schut-
wand gegen irgend welche Anfechtungen. Außerdem
hat die Kleine kaum die Kinderſchuhe ausgetreten; und
Fritz iſt ja ſchließlich kein Don Juan, der nun plötz-
lich seine Neigung ein Haus weiter trägt, Zudem
erwähnte er Liesas ſo wenig und stets nur ſo, wie
man von einem anmutigen Kinde spricht, hat sich ja
anscheinend auch so wenig bei euch blicken laſſen, daß
in der Beziehung nichts zu fürchten iſt.
Am liebsten wäre es mir freilich, Du kämeſl ſelber.
Wenn das nicht geht oder wenigstens nicht sofort geht,
Ferdinand.
Rangsdorf, 3. Juli.
Meine liebe Julie!
Gott sei Danl,
daß Lieſa hier iſt!
Das war wirllich ein
gescheiter Einfall von
mir, der ja autch
Deine Zuſtimmung
im vollsten Maße
gefunden hat. Es
iſt zwar ſehr bedauer-
lich, daß Dein Mann
Dich durchaus nicht
fortlaſſen wollte ~
seinem Standpunlt
aus übrigens nicht
verdenken kann; aber
. Lieſa füllt ihre Be-
stimmung als ſpa-
niſche Wand ganz
vortrefflich aus.
Als die erſten
Begrüßungen, die
erſte Freude des
Wiederſehens vor-
über waren, nahm
ich ſie mir beiſeite
und machte ihr einige
verſtectſe Andeu-
tungen. Sie ſchien
mich anfangs gar
nicht zu verſtehen.
Sie iſt wirklich noch
ein ganz naives
Ding, die wohl am
liebſſen noch mit
Puppen ſpielen
würde, wenn ſie ſich
nicht ſchämte. Wirk-
lich rührend! Und
Y t Merent
Dir, meine liebe
Schwester, wirllich
großen Dank ſchul-
dig, daß ihr ſie mir
in dieſer kindlichen
Unbefangenheit und
Unwissenheit erhal-
ten habt.
denn immer dabei
sein, wenn Fritz hier
iſt?" fragte sie mich,
als ich ihr ziemlich
verlegen und unbe-
holfen die Sache zu
erklären verſucht
hatte, und dabei traf
mich ein so fragen-
der, unſchuldiger
Kinderblick ihrer gro-
ßen blauen Augen.
Und nun sage man
noch, es gebe keine
Kinder mehr, und
sie würden heute viel
früher reif, als che-
dem. Gerade das
Gegenteil iſt der
Fall. Wenn ich an
jzſett Iuseabseit zurückdenke. . . . Doch ich will nicht ab-
chweifen. ;
Kurz alſo ~ ich machte ihr die Sache so einiger-
maßen begreiflich. Sie lachte zwar immer und meinte,
Fritz -= in ihrer Unbefangenheit nennt sie ihn wie vor
zehn, zwölf Jahren noch immer Fritz und läßt sich das
nicht ausreden ~ sie meinte alſo, Fritz ſei doch un-
gefährlich. Den halte sie wie früher für einen guten,
dummen Jungen. Daß er einen Säbel an der Seite
und einen Schnurrbart unter der Nase habe, ändere
doch daran wahrlich nichts.
Das dumme, gute Kind! ~ Und außerdem ſei doch
was ich ihm von
„Warum ſoll ich
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bringe gerne das Opfer. Alſo, bitte, lade ſie umgehend | meinſt Du dazu?
zu Dir nach Berlin ein! Einen Vorwand wirſt Du
ja finden. Ich überlaſſe alles Deinem bewährten Tatkkt.
Viele Grüße Dir und Deinem lieben Mann.
voraus dankt Dir Dein alter Bruder
Im
Ferdinand.
Rangsdorf, 29. Juni.
Meine liebe, gute Schweſter!
In tiefster Not
ſchrei ich zu Dir.
Da s. B uc<. für Alles.
Heft 23.
Ö Sollte Dich aber Dein Gatte, der
Egoiſt, durchaus nicht fortlaſſen wollen, ſo ſchicke mir
auf jeden Fall die Kleine her. Ich füge ein unver-
fängliches Briefchen bei, das Du ihr vorlegen kannſt,
in dem ich die Einladung noch einmal wiederhole.
Schließlich bildet auch Lieſa allein, so jung ſie auch
iſt, die dringend nötige ſpaniſche Wand. Gerade weil
sie nichts ahnt und noch ſo unerfahren und naiv iſt,
auch weil sie sich allein natürlich langweilen würde,
Mariens höfliche Ab-
lehnung wirſt Du
ſchon erhalten haben.
Rundweg abgelehnt !
ſie mich dabei ange-
ſehen hat, als ahne
ſie etwas! Als ich
ihr zureden wollte,
sagte ſie kurz:
„Ich verstehe
nicht recht, wie die
Tante auf eine ſolch
merkwürdige Idee
kommen kann. Jett
im Sommer, wo ale
Welt aus Berlin
flieht, ladet man doch
niemand ein !“
Wie ſchade, daß
ihr den Urlaub Dei-
nes Mannes dies-
mal ſchon im Früh-
jahr an der Riviera
verlebt habt! Dahin
wäre sie vielleicht ge-
keine zehn Pferde,
das ſehe ich deutlich.
Und mir ſcheint,
daß es nicht die
Abneigung gegen
das heiße, ſommer-
liche Berlin allein
iſt ~ ~ kurz, meine
Befürchtungen ſchei-
nen schneller einzue
treffen, als ich ſelbſt
glaubte.
Gestern kam ich
zufällig früher vom
Felde zurück, als ich
tus turout tes
Telegramm, das mir
ein Bote nachge-
bracht hatte, eine
schnelle Beantwore.
tung erheiſchte. Ich
ging, um den Weg
abzukürzen, durch's
hintere Parkthor und
den Park ſelbſt, höre
leiſese Stimmenge-
flüſter am Teich und
ſehe gerade ~ ich
laſſe es mir wenig-
ſtens nicht ausreden
~ wie Fritz Marien
feurig die Hand
küßt. Als sie mich
erblickten, ließen ſie
schnell die Hände
fahren. Angeblich
las er ihr vor. Aber
sie waren beide blut-
rot und verlegen.
Ich nahm sie mit
zum Frühstück und
ging ihnen nicht mehr
von der Seite. Mein
| versäumen will, ſchließe ich.
dann sende mir Lieſa ~ aber poſtwendend, denn es
iſt Gefahr im Verzug! Da habe ich mich nun immer
damit getröſtet, daß ich mit Mädchen weniger Sorgen
und Kummer haben würde, als mit Jungens. ..
Und nun! – Wer weiß, was noch alles kommen kann!
~ Also sofort, liebe Schwester. Lieſa wird ja gern
auf einen kurzen Beſuch kommen; aber wenn ſie auch
Da ich den Poſtzug nicht
Herzliche Grüße! Tele-
graphiere Näheres!
In Eile Dein alter
nicht wollte, sie müßte.
guter Fritz sattelte
denn auch bald ſei-
nen Braunen und : :
trottete ab. Aber ich kann doch nicht den ganzen Tag
daheim bleiben und meine Geschäfte vernachläſsigen! Da
iſt mir nun eine andere Idee gekommen. Was meinſt
Du, wenn Du mit Liesa einige Wochen hierher kämeſt ?
Da wäre denn eine spaniſche Wand gezogen, die der
Herr Lieutenant nicht beiseite ſchieben könnte. Die
paar Wochen Riviera können Dir unmöglich eine ge-
nügende Erholung gewesen ſein, und Du biſt vielleicht
irch. dem heißen, ſtaubigen Berlin für einige Zeit zu
entrinnen.
Daß ich zugleich Lieſa wieder 'mal bei mir hätte,
würde mich und wohl auch das Mädel freuen. Was
Ausnehmen von Raubvogeklneſtern in Norddeutſchkand. Nach einer Originalſkizze von E. Hos ang. (S. 554)
wird sie ihrer Schwester nicht von der Seite weichen.
Und für sie selbſt bildet wiederum Marie eine Schut-
wand gegen irgend welche Anfechtungen. Außerdem
hat die Kleine kaum die Kinderſchuhe ausgetreten; und
Fritz iſt ja ſchließlich kein Don Juan, der nun plötz-
lich seine Neigung ein Haus weiter trägt, Zudem
erwähnte er Liesas ſo wenig und stets nur ſo, wie
man von einem anmutigen Kinde spricht, hat sich ja
anscheinend auch so wenig bei euch blicken laſſen, daß
in der Beziehung nichts zu fürchten iſt.
Am liebsten wäre es mir freilich, Du kämeſl ſelber.
Wenn das nicht geht oder wenigstens nicht sofort geht,
Ferdinand.
Rangsdorf, 3. Juli.
Meine liebe Julie!
Gott sei Danl,
daß Lieſa hier iſt!
Das war wirllich ein
gescheiter Einfall von
mir, der ja autch
Deine Zuſtimmung
im vollsten Maße
gefunden hat. Es
iſt zwar ſehr bedauer-
lich, daß Dein Mann
Dich durchaus nicht
fortlaſſen wollte ~
seinem Standpunlt
aus übrigens nicht
verdenken kann; aber
. Lieſa füllt ihre Be-
stimmung als ſpa-
niſche Wand ganz
vortrefflich aus.
Als die erſten
Begrüßungen, die
erſte Freude des
Wiederſehens vor-
über waren, nahm
ich ſie mir beiſeite
und machte ihr einige
verſtectſe Andeu-
tungen. Sie ſchien
mich anfangs gar
nicht zu verſtehen.
Sie iſt wirklich noch
ein ganz naives
Ding, die wohl am
liebſſen noch mit
Puppen ſpielen
würde, wenn ſie ſich
nicht ſchämte. Wirk-
lich rührend! Und
Y t Merent
Dir, meine liebe
Schwester, wirllich
großen Dank ſchul-
dig, daß ihr ſie mir
in dieſer kindlichen
Unbefangenheit und
Unwissenheit erhal-
ten habt.
denn immer dabei
sein, wenn Fritz hier
iſt?" fragte sie mich,
als ich ihr ziemlich
verlegen und unbe-
holfen die Sache zu
erklären verſucht
hatte, und dabei traf
mich ein so fragen-
der, unſchuldiger
Kinderblick ihrer gro-
ßen blauen Augen.
Und nun sage man
noch, es gebe keine
Kinder mehr, und
sie würden heute viel
früher reif, als che-
dem. Gerade das
Gegenteil iſt der
Fall. Wenn ich an
jzſett Iuseabseit zurückdenke. . . . Doch ich will nicht ab-
chweifen. ;
Kurz alſo ~ ich machte ihr die Sache so einiger-
maßen begreiflich. Sie lachte zwar immer und meinte,
Fritz -= in ihrer Unbefangenheit nennt sie ihn wie vor
zehn, zwölf Jahren noch immer Fritz und läßt sich das
nicht ausreden ~ sie meinte alſo, Fritz ſei doch un-
gefährlich. Den halte sie wie früher für einen guten,
dummen Jungen. Daß er einen Säbel an der Seite
und einen Schnurrbart unter der Nase habe, ändere
doch daran wahrlich nichts.
Das dumme, gute Kind! ~ Und außerdem ſei doch
was ich ihm von
„Warum ſoll ich