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gHeft 23.

mit Recht darauf, inwieweit die Beteiligten die Kap er ei |

Gegners zu Hilfe ziehen werden, und die Frage nach |

dem heutigen Stand beider Kriegsmittel iſt daher gegen-
wärtig für alle gebildeten Leſer von höchſtem Interesse.
Betrachten wir einmal zuerſt die Kaperei.

Während in den Landkriegen nach dem Völkerrecht

das Privateigentum geachtet wird, und selbſt das Staats-

eigentum des Feindes nur insoweit zerſtört oder mit
Beſchlag belegt wird, als es der Kriegszweck erfordert,
iſt man in Hinsicht auf den Seekrieg noch nicht zu einer
gleichen allgemein anerkannten Uebereinkunft gelangt.
Nach dem Seekriegsrecht iſt auch das Privateigentum aller
Einwohner des gegneriſchen Staates, ſoweit es auf dem
Waſſer ſchwimmt, verfallen. Beide Teile ſind berechtigt,
alle Schiffe, die unter feindlicher Flagge fahren, fortzu-
nehmen und sich auch die geſamte Ladung anzueignen.
Selbst Schiffe mit neutraler Flagge, also solche, die nicht
einer der kriegführenden Parteien angehören, können von
jedem Kriegsſchiffe der Kriegführenden auf hoher See

angehalten werden, um zu unterſuchen, ob sie nicht-

Kriegskonterbande an Bord haben. Darunter verſteht
man Waffen, Munition, Pferde und Material zur
Pulverfabrikation. Man nennt dies Verfahren Kaperei.
Der Schaden, der durch solche Kaperei einem Staate
zugefügt wird, iſt ungeheuer. Es können durch voll-
ſtändige Unterbindung des Seehandels sowie durch die
Fortnahme der Schiffe im Werte von vielen Millionen
einem der kriegführenden Staaten Wunden geschlagen
werden, von denen er sich nicht wieder erholt.



Das. Buch füx Alle.

559

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und die Block ad e zur Schädigung des Handels des | aur ut. Keics puheh hen operetnugten Fractet te tagilhen Hattzl tube wur. zie Kaperfhthe hee

Kaperei, die durch Privatſchiffe. Bis zum Jahre 1856
hatten alle kriegfsührenden Staaten das Recht, an unter-
nehmungsluſtige Kapitäne „Kaperbriefe" auszugeben.
Auf Grund eines ſolchen Kaperbriefes empfing der
Kapitän das Recht, alle Schiffe der gegnerischen Partei
fortzunehmen und zu vernichten, oder ſie in den nächſten

Hafen zu bringen und dort als Beute zu verkaufen.

Die kokloſſale Einnahme, welche aus diesem Kapern von
Privatſchiffen dem unternehmungsluſtigen Kapitän ent-
standen, wurden Veranlaſſung, daß ſich ſtets zahlreiche
Bewerber um Kaperbriefe meldeten, und daß ſo der
kriegführende Staat eine große Hilfe im Seekriege durch
Privatunternehmer erhielt. Es ſind aber mit dieſer
Privatkaperei ſo viel Ungerechtigkeiten, Roheiten und

. Grausamkeiten verbunden, die Kaperei ähnelt so sehr
in den meiſten Fällen der Seeräuberei, daß die Kultur-

staaten im Jahre 1856 in Paris zuſammentraten und
dort beſchloſſen, es sollte gegen das Völkerrecht ſein,
wenn irgend ein Staat in einem der nächſten See-

kriege einem Privatunternehmer einen Kaperbrief er-

teilen würde.

Sämtliche Kulturſtaaten ſchloſſen sich dieſem Ab-
kommen an, nur die Vereinigten Staaten von
Nordamerika und Spanien verweigerten
den Beitritt. Acht Jahre später sollten die Ver-
einigten Staaten am eigenen Leibe empfinden, wie

thöricht sie gehandelt hatten. Der Kampf zwiſchen

den Nord- und Südstaaten brach aus, und dem nord-





Südſtaaten der größte Schaden zugefügt.

Aelteren Leſern wird noch die Geſchichte des be-
rühmten Kaperſchiffes „Alabama“ in Erinnerung
sein, welches in England erbaut wurde und im Auf-
trage der Südstaaten auf alle nordamerikaniſchen Han-
delsſchiffe im Atlantiſchen Ozean Jagd machte. Die
„Alabama“ fügte den Nordſtaaten in einem Monat
ungefähr einen Schaden von 30 Millionen Mark zu
und machte sich ſo gefürchtet, daß kein nordamerika-
niſches Schiff mehr wagte, über den Atlantiſchen Ozean
zu fahren. Die Nordſtaaten mußten ſchließlich einen
ähnlich tüchtigen Kaper ausrüſten und zum Aussuchen
der „Alabama“ ausſchicken. Nachdem dieſe durch kaum
glaubliche Liſten längere Zeit allen Nachforſchungen
entgangen war, kam es endlich am Ausgang des Hafens
von Cherbourg zwiſchen der „Alabama“ und dem nord-
amerikaniſchen Kaper zu einem Gefecht, in welchem die
„Alabama“ unterging. Es wird den Leſern erinner-

lich sein, daß dann noch jahrelang ein heftiger Streit

zwischen Nordamerika und England beſtand, weil die
„Alabama“ in England erbaut worden war, und Eng-
land dadurch die Neutralität verlegt hatte. Es trat
endlich ein Schiedsgericht zuſammen, und dieses ver-
urteilte England dazu, mehr als 70 Millionen Mark
Schadenerſatz an die Vereinigten Staaten zu zahlen.

Das Abkommen der übrigen Kulturmächte in Paris
hat nun für den Fall eines Krieges feſtgeſett, daß nur
Krieg s ſchiffe die Handelsſchiffe der feindlichen Nation
kapern und als „Priſe“ aufbringen dürfen, Privat-





Anſicht von

kaperei aber unzulässig iſt. Es wurde ferner feſigeſetztt,
daß der Grundſatz: „Frei Schiff + frei Gut“ gelten
soll, und dadurch wurde eine der wichtigsten Streitig-
keiten im Seekriege beſeitigt. Denn dieſer Grundsatz
beſagt, daß die neutrale Flagge das Gut deckt, alſo
auch Waren aus den kriegführenden Ländern, sofern
sie unter neutraler Flagge verſchifft werden, nicht weg-
genommen werden dürfen, es ſei denn Kriegskonterbande.
Nehmen wir zum Beispiel an, ein ſpaniſcher Kreuzer
halte auf hoher See ein deutſches Schiff an, welches
mit amerikanischen Waren beladen sei oder mit Waren,
welche einem amerikanischen Verfrachter gehören : vor
dem Jahre 1856 war das ſpaniſche Kriegsſchiff be-
rechtigt, von dem deutſchen Schiff die dem amerika-
niſchen Verfrachter gehörigen Waren herunter zu neh-
men und zu vernichten, weil noch der Grundſat galt:
„Frei Schiff –~ unfrei Gut“, ſeit 1856 aber würde
Spanien sich nicht an amerikaniſchem Gut vergreifen
dürfen, ſobald dasſelbe durch die deutſche Flagge gedeckt
iſt, denn Deutſchland würde sich das nicht gefallen
laſſen. Das deutſche Schiff iſt frei gegenüber dem
spaniſchen Kriegsſchifkf, demnach sind auch alle Güter,
die es führt, frei und können nicht fortgenommen
werden, ausgenommen es handle sich um die bereits
erwähnten Kriegskonterbande, welche auch auf jedem
neutralen Schiffe durch ein Kriegsſchiff der beteiligten
Mächte konfisziert werden darf.
Obwohl, wie gesagt, Spanien und Amerika dem Ver-

trag von 1856 nicht beigeltstet ſind, haben doch beide
bereits amtlich kundgegeben, daß sie ſich zu dem oben
erwähnten Grundsatze bekennen. Amerika hat sogar
ſchon erklärt, es würde auf die Privatkaperei ver-
zichten, falls Spanien das gleiche thue. Spanien aber

ſchiffe zu machen.











Wei-hai-wei, der neuen engliſchen Niederkaſſung in China. (S. 558)

iſt nicht dazu geneigt, und so ſcheint es, daß auch dies: |

mal die Privatkaperei mit all ihrer Barbarei wieder
Platz greifen werde. Man kann ſich kaum eine Vorſtellung

machen, wie ungeheuren Schaden derartige Kaper verur-

sachen. Es seien hier nur einige geschichtliche Beispiele
s c hure. 1.291
Harnisch gebracht hatten, kreuzten die Kaper auf allen Welt-
meeren, und beſonders die engliſchen Kaper zeichneten
ſich im Kriege gegen Frankreich aus. Ein Privatkaper,
der „Prinz Friedrich“, nahm zwei große franzöſiſche
Handelsschiffe, eines von vierhundert, das andere von
fünfhundert Tonnen, weg, und ſchleppte sie als Beute
nach dem Hafen von Bristol, wo die Schiffe verkauft
wurden. Sie waren mit ſo koſtbarer Ladung verſehen
und führten ſo viel bares Geld mit, welches von In-
dien nach Frankreich geſchickt wurde, daß der Kapitän
auf seinen Anteil 14 Millionen Markt erhielt. Jeder
der an Bord befindlichen Matrosen bekam 17,000 Mark.

Ein ſolcher Erfolg führte natürlich Tauſende von Aben- |

teurern der englischen Marine zu, welche darauf brannten,
als Kaper Jagd auf franzöſiſche und sſpaniſche Handels-
Ein anderer Kaper brachte dem
Kapitän 800, 000 Markt, der erſte Offizier erhielt 150,000,
jeder Deckoffizier 40,000, jeder Seekadett 16,000 und
jeder Matroſe 10,000 Mark von der Beute.

Gleiches Glück wie die Privatkaper entwickelten
auch die engliſchen Kriegsſchiffe, und der „Pallas“ ge-
lang es im Jahre 1797, hintereinander mehrere spa-
nische Priſen zu nehmen, deren Wert 6 Millionen
Mark betrug. Der Kommandant der „Pallas“, ein
Lord Cochrane, erhielt auf seinen Anteil allein andert-
halb Millionen Mark.



Aber auch ungeheuerliche Nichtswürdigkeiten wurden
von Kapern verübt, und ein ſolcher Fall aus derſelben
Zeit mag nachfolgend erzählt werden. Das ameri-
kaniſche Schiff „Enterprise“ segelte im Jahre 1795 von

Hamburg nach Surinam. Unterwegs bemerkte es die.

Notſignale eines Schiffes und ſäumte nicht, ihm Hilfe
zu bringen. Es war das engliſche Tranzportſchiſf
„Jſabella“, Kapitän Polter, zur Ueberfahrt von Truppen
nach Barbadoes beſtimmt, welches nun von dem Ame-
rikaner in Schlepptau genommen wurde. Kaum war
der Engländer außer Gefahr, so zeigte er einen Kaper-
brief vor und erklärte seinem Retter, er halte deſſen
Ladung für feindliches Eigentum und werde ſie des-
halb nach Teneriffa bringen. In Teneriffa ward das
Schiff des Engländers für so ſchlecht erkannt, daß
es nicht ferner der See anvertraut werden konnte.
Darauf ging Kapitän Polter mit seinen Truppen an
Bord der „Enterpriſe", zog die engliſche Flagge auf
und führte das Schiff nach Barbadoes, wo es infolge
der schlechten Wirtschaft des Kapitäns ſehr ruiniert
ankam. Die Vizeadmiralität in Barbadoes sprach Schiff
und Ladung frei. Der Amerikaner verlangte nun
Schadenersaß. Man gab ihm zur Antwort, das werde
nichts helfen, der ſaubere Kapitän habe sich inzwiſchen
aus dem Staube gemacht und besitze im Bezirke des
Gerichtes auch kein Eigentum. Der Gesſamtſchaden be-
lief sich auf über 11,000 Pfund Sterling, gleich 220,000
Mark. Der Amerikaner ſuchte Gerechtigkeit in London.
Die Advokaten gaben ihr Gutachten dahin ab, der
englische Kaper habe ohne Zweifel sehr unrecht gehan-
delt, aber es sei in Barbadoes unrichtig verfahren worden,
dort hätte Schadenerſat geſucht werden müſsen; ein
englisches Gericht könne die Sache jett nicht aufnehmen,


 
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