fönnen.
Heft 23.
Da s B u <B für A lle.
565
interessierte ſich besonders lebhaft für die amerikanische Cou-
ſine und enthüllte ihr alle seine Zukunftspläne.
„Wenn ich Kaiser sein werde, Couſine Käthe, ſchenke ich
Ihnen ein Schloß, und alles, was sich Ihr Herz nur wünſchen
kann," sagte er oft zu ihr. Es blieb indeſſen beim Versprechen.
Später diente Achilles in der amerikaniſchen Armee und
kämpfte gegen die Indianer Floridas. Er ſchlug ſich tapfer,
und seine Frau folgte ihm überall hin. Sie teilte alle ſeine
Gefahren, und Dank ihrer Bemühungen wurde er mehr als
starb der Prinz, nur 46 Jahre alt, und seine Witwe ließ ſich
in Tallahassee, der Hauptstadt von Florida, nieder, wo sie eine
Zuckerpflanzung besaß, die von 200 Sklaven bearbeitet wurde.
Zwanzig Jahre später, 1867, ereilte auch ſie der Tod; sie ruht
neben ihrem Gatten auf dem Friedhofe von Tallahassee in
einer gemeinſamen Gruft, die von Touriſten viel beſucht wird.
Der jüngere Bruder , Prinz Lucian Murat , ließ ſich im
Staate New Jersey nieder und beſchäftigte ſich dort im Orte
Bordentown mit Landwirtſchaſt. Seine Verhältnisse waren
anfangs nicht ungünstig; aber bei seiner Leidenschaft für das
Spiel saß er nach kurzer Zeit bis über die Ohren in Schul-
den. Die Kaufleute von Bordentown, die ihm zuerſt in Er-
wartung einer baldigen napoleoniſchen Reſtauration kreditiert
hatten, begannen, als ihre Rechnungen unbezahlt blieben,
allmählich ungeduldig zu werden, und auch die unbezahlte
Dienersſchaft nahm ein freches Benehmen an. i
Der Prinz war von rieſenhafter Gestalt, über ſechs Fuß
hoch, korpulent und ungemein kräftig. Er hatte in ſeinen
Diensten einen Stallknecht, Namens White, einen unendlich
faulen Menschen. Eines Tages erteilte ihm der Prinz, seiner
Gewohnheit gemäß sehr höflich, irgend einen Auftrag. White
gab eine unverſchämte Antwort, und Murat warf ihn zur
Thüre hinaus. Der Mann wandte ſich an den Friedensrichter
und verklagte seinen Herrn. Er behauptete, ſechs Fußtritte
bekommen zu haben, und wäre genötigt gewesen, das Bett zu
hüten. Murat, der sich selbſt verteidigte, erklärte: „Meine Herren
Geschworenen! Dieſer Menſch hat eben behauptet, ich hätte ihn
sechsmal gestoßen, sechsmal! Meine Herren Geschworenen, ich
werde Jhnen beweiſen, daß das nicht möglich sein kann."
Mit diesen Worten stellte er ſeinen Fuß auf einen Tiſch, schlug
ſich auf sein koloſſales Bein, daß der ganze Saal dröhnte,
und rief: „Hätte ich ihm damit einen einzigen Tritt ver-
setzt, dann wäre überhaupt nichts von ihm übrig geblieben."
Auf Grund dieser Verteidigung wurde Murat freigeſprochen.
Einige Jahre später gab er die Landwirtschaft auf. Das
war zu der Zeit, da er sich in eine Miß Fraser verliebte.
Trotz des Widerſtandes ihres Vaters, der ihn mehrere Tage
suchte, um ihn zu erſchießen, heiratete er ſie. Das Chepaar
stand ohne Subsiſtenzmittel da. Madame Murat errichtete
eine Schule, und mit dieser ging es auch gut bis zu dem
Tage, wo der Prinz sich mit der Sache beſchäftigte, denn vor
dieſem liefen alle Kinder davon.
Bis zur Wiederhersſtellung des Kaiſerreichs lebte nun
Munat ausſchließlich vom Pump. Als der Kaiſer ihn nach
Frankreich einlud, konnte er die Mittel zur Reiſe nur durch
Hilfe gefälliger Nachbarn aufbringen.
Die Gläubiger des Prinzen sandten, als die erwarteten
Zahlungen aus Frankreich ausblieben, einen Notar, Namens
Knight, nach Paris, um durch dieſen dem Prinzen Murat
ihre Rechnungen präſentieren zu laſſen. Knight wurde äußerſt
liebenswürdig aufgenommen und eine ganze Woche hindurch
von Jeſt zu Feſt geſchleppt, so daß er es gar nicht wagte,
die Forderungen ſeiner Auftraggeber geltend zu machen. In
einer Not wendete ſich der Notar an den Kaiser, der aber
ein Eingreifen ablehnte. Nun blieb Knight nichts übrig, als
doch beim Prinzen selbst vorſtellg zu werden, allein dieser
erklärte ihm lachend, er würde ſich herzlich freuen, seine alten
Freunde aus Bordentown in Paris zu begrüßen, er hätte
aber leider kein Geld übrig, um seine Schulden bezahlen zu
V. B.
Vie die Schnepfen ihre Wunden heilen. + Es ist be-
kannt, daß manche Tiere im Beſitee ausgesprochen chirur-
giſcher Fähigkeiten sind, indem sie die ihnen zugefügten Wun-
den und Gliederbrüche selbſt verbinden und heilen können.
Besonders geschickt hierin scheinen die Schnepfen zu sein, wo-
für wir die Beobachtungen zweier Autoritäten anführen.
Der Naturforſcher Fatio in Genf berichtet, daß sich die ver-
wundete Schnepfe aus ihren Federn vermittelst ihres Schnabels
sehr ſinnreiche Verbände anzulegen verſteht. Je nach dem
einzelnen Fall versteht sie es auch sehr gut, auf eine blutende
Wunde ein Pflaſter zu legen oder um eines der gebrochenen
Glieder einen Verband zu machen. „Ich ſchoß eines Tages,“
erzählt der genannte Gelehrte, „einen solchen Vogel, der
auf einer alten Bruſtwunde ein aus kleinen Flaumfedern,
die er ſich an anderen Stellen des Körpers herausgerissen,
zuſammengesetztes Pflaſter trug. Zweimal habe ich Schnepfen
heimgebracht, die an einem Fuße einen Verband von herum-
gewickelten Federn trugen, der von getrocknetem Blute zu-
sſammengehalten wurde. Der Verband war ganz genau an
der Stelle, wo der Knochen gebrochen war. Bei einem dieser
Vögel war das rechte Bein oberhalb der Fußwurzel mit Je-
Uhren. uur Hul rer Bemuhungen ehe Its | dern, die vom Bauche und vom Rücken stammten, start und
ganz friſch verbunden. Beim anderen trug die Fußwurzel
selbſt, die übrigens in guter Heilung begriffen war, die
Binde, welche den Knochen in seiner Stellung bewahrt hatte.
Der ſeltſamste und zugleich bemitleidenswerteſte Fall be-
gegnete mir bei einer Schnepfe, der ich beide Beine abgeschossen
hatte und die ich leider erſt am folgenden Tage auffinden
konnte. Dem armen Tier war es gelungen, an den beiden
Bruchſtellen Bandagen anzulegen. Einige vom Blute ge-
tränkte Federn waren jedoch am Schnabel hängen geblieben
und hatten den Schnabel zugeklebt. Die Schnepfe, die ihre
zerſchoſſenen Füße zum Entfernen der Federn nicht gebrauchen
konnte, war faſt verhungert und so mager wie ein Nagel.“
Ein anderer Forſcher, Herr Maguin, erzählt, wie er im
November 1859 mit zwei Herren jagte und auf einer be-
waldeten Anhöhe eine Schnepfe traf, die ſich dort lange ver-
steckt hiell. Beim Abziehen fehlte man sie, und sie konnte
entfliehen; man bemerkte jedoch, daß der eine Fuß der davon-
streichenden Schnepfe wie gebrochen herabhing. Die Jäger
ſchloſſen daraus, daß sie ſchon vorher verwundet worden war.
Als einige Zeit darauf dasselbe Tier von den nämlichen
Jägern doch geſchoſſen werden konnte, unterſuchte man die
erſte frühere Wunde. Es ergab ſich hierbei, daß das erſte Mal
das Bein des Tieres in der Mitte der Fußwurzel gebrochen
gewesen war. Indem sie sich auf die Zehen stützte, fügte
die Schnepfe die zwei Teile des gebrochenen Knochens bis
zur Kniekehle wieder zuſammen, und von Federn und Moos-
stücken war um den Bruch herum ein dicker Wulst gebildet
worden. Was aber die Beobachter dieſes Verbandkunſtſtückes
beſonders erstaunen ließ, das war eine sehr feſte Ligatur
(Unterbindung), die vermittelſt eines platten und trockenen
Grashalmes gemacht worden war. Diesſer Halm war von
der Schnepfe in Form einer Spirale um die zwei Teile des
wieder eingerichteten Knochenbruches gewickelt worden. Das
Gras, welches unter dem Wulste und dem übrigen Verbande
fast verſchwand, schien mit einer Art durchsichtigen, leimähn-
lichen Speichels befestigt zu sein. Da der oberste Punkt des
gebrochenen Fußgelenkes bis zur Kniebeuge emporragte, so
war die Bewegung so gehindert, daß das Glied vollſtändig
steif war. Der Fuß konnte nur noch vermittelst der senkrecht
auf den Fußboden gestützten Zehen als Krücke dienen. C. T.
Linné als Arzt. + Aus Holland zurückgekehrt, wo er
sich in den Jahren 1735 bis 1738 zu Studienzwecken auf-
gehalten hatte, gedachte sich der junge Linné, der ſpätere
berühmte Naturforscher, ausſchließlich der Botanik zuzuwen-
den. Doch es kan vorläufig anders –~ es war in Kopen-
hagen ~ und die Not zwang ihn damals, ſich ſein Brot durch
ärztliche Praxis zu verdienen. Nur ganz allmählich aber ge-
wann er sich als Arzt Ansehen. Der Ruf, daß er Bruſtkrank-
heiten in überraſchend kurzer Zeit heile, führte ihm die Reichs-
rätin Höpken zu, die an heftigem Huſten litt. Linné ver-
schrieb ihr ein Mittel, das sie ſo ost wie möglich einnehmen ſollte.
Eines Abends ſpielte die Reichsrätin mit der Königin Ulrike
Eleonore, der Schwesier Karls XII., Karten und griff dabei von
Zeit zu Zeit heimlich zu ihrem Huſtenmittel. „Was machen Sie
denn da!“ fragle die Königin ſchließlich, der dies auffiel.
„Ein junger, noch unbekannter Arzt, Majestät, Namens
Linné, hat mir ein Mittel gegen meinen Huſten verordnet,
das mir sehr gute Dienſte leiſtet.' Ó
Ulrike Eleonore litt gerade auch an einem hartnäckigen
Huſten. „Ei, schicken Sie mir doch einmal diesen jungen
Aeskulap, damit er mich ebenfalls von meinem Uebel befreie,"
sagte sie. Linné kam und wurde, da seine Kur gelang, da-
durch am Hofe bekannt. Nach einiger Zeit ließ ihn der
Minister des königlichen Hauſes zu ſich bitten und fragte:
„Haben Sie nicht irgend ein Anliegen? Soeben hat sich der
Reichstag versſammelt, und ich wäre gern bereit, Jhren
Wunſch demſelben vorzulegen."
„Ercellenz sind zu gütig,“ entgegnete Linné, „ich hätte
schon einen sehnlichen Wunſch, aber ich weiß, daß er mir nicht
erfüllt werden kann." U ; . ¡kn t ..
At. Hutu! huet Eu cht res. wenclene !
schon wieder an einen anderen vergeben." !
_ „Mein Wort darauf, daß nicht er, ſondern Sie die Stelle
erhalten sollen!“ Und einige Wochen darauf erhielt Linné
nicht nur das Diplom als Admiralitätsarzt, sondern auch das
eines königlichen Botanikers. D.
Humanilät auf dem Thron. + Ju allen Schilderungen
der Persönlichkeit König Humberts von Jtalien erscheint als
der hervorſtechendſte Zug der düſtere Ernst, welcher nur selten
aus seinem Antlitz weicht. „Und gäbe man ihm Triest und
das Trentino" ~ äußerte einmal sein Schwager über ihn ~
„er würde in demſelben Momente genau so trübe in die
Welt hineinschauen, wie immer." Aber von der Miene auf
seine Gemütsart zu ſchließen, wäre falſch. Mit diesem bei-
nahe finsteren Angesichte iſt der König von Italien einer der
wohlwollendſten und empfindungsvollſten Menſchen. Als am
19. November 1878 Passanante den Mordſtreich nach dem
Könige führte, und ein Kürassier der Eskorte ſich anſchickte,
dem bereits entwaffneten Verbrecher einen Säbelhieb zu ver-
seßen, rief der König: „Schämen Sie ſich nicht, einen Wehr-
loſen zu verwunden?“" und dann, als das Todesurteil über
den Mörder ausgesprochen war, und einige Mitglieder des
Kabinetts auf dessen Vollſtreckung drangen, da ſprach Humbert
die Worte, die ihn für immerdar ehren werden: ,„Meinet-
wegen soll niemals ein Tropfen Menſchenblut auf einem
Schafott fließen!“ ~ und er begnadigte den Verurteilten.
Später, als er mit seiner Gemahlin Sizilien bereiſte, er.
innerte er ſich des Unglücklichen und stellte an den Bürger-
meister von Salvia die Frage: „Jſt nicht in Ihrem Orte
Passanante geboren ?"
„Ja," entgegnete das über diese Frage zu Tod erſchrockene
Dorfoberhaupt, „aber wir verabſcheuen alle seine Thaten, und
seine Mutter iſt förmlich geächtet."
„Daran thut man ein großes Unrecht," antwortete der
König, „es iſt ohnehin entseyglich, daß ihr der Sohn für
immer entrissen iſt."
Als dann der König erfuhr, daß die Witwe in den aller-
dürftigsten Verhältnissen lebe und mit Hunger und Krantheit
ringe, gab er sofort den Auftrag, daß der unglücklichen Frau
bis an ihr Lebensende fünfhundert Franken jährlich aus seiner
Privatſchatulle gezahlt werden ſollten.
Der Fall, daß ein Monarch die Familie deſſen, der ihm
nach dem Leben getrachtet, mit einer Penſion bedenkt, iſt wohl
einzig in seiner Art. E. X.
Chineſiſche Kolonie in Europa. + Wenn man die
schmale Landzunge, die das englische Gibraltar vom ſpaniſch-
europäischen Kontinent trennt, überschritten hat, sieht man
im Osten zwei ärmliche Dörfer vor sich liegen. Das eine
derselben rechter Hand ist ausschließlich von Chineſen und
deren Sprößlingen bewohnt. Da ſpaniſche und chinesiſche
Dörfer gleich ſchmutzig und verkommen sind, so hat der ge-
nannte Ort nicht gerade ein auffallend chineſiſches Gepräge,
sofort fällt es aber auf, daß seine Bewohner, Männer und
Kinder, wenngleich sie ſpaniſch sprechen und wie Spanier ge-
kleidet ſind, entschieden aus dem Reich der Mitte stammen.
Die Leute kamen einſt von den Philippinen und wurden als
Verbrecher von Manila nach Ceuta verbannt, von wo ſie ſich nach
beendeter Strafzeit nach Gibraltar wandten. Da die ſspaniſche
Regierung den Sträflingen nach ihrer Entlaſſung keine Mittel
gewährt, um wieder in ihre Heimat zurückzukehren, so haben
die Leute es vorgezogen, ſich hier auf dem so nahen spanischen
Boden ein neues Heim zu gründen. Sie treiben Obst- und
Gemüſebau, verkaufen ihre Erzeugniſse in Gibraltar und ſind
mit ihrem Schickſal ganz zufrieden. Jhre Zahl beträgt etwa
zweihundert: mehr als ein Drittel derselben iſt mit Spanierinnen
verheiratet. Zahlreiche andaluſiſch-:chineſiſche Kinder liefern
den Beweis,, daß der Kindersſegen, dieſes höchſte Glück der
Chinesen, nicht ausgeblieben iſt. |
Keiner der Vewohner trägt einen Zopf, weil ihnen bei der
Ankunft in Ceuta diese tatariſche Kopfzier abgeſchnitten wurde.
Nunmehr ſcheinen sie es nicht mehr für nötig zu halten,
sich und ihren Kindern Zöpfe wachsen zu lassen. v. B.
Die ZRackerchen. + In ihren „Erinnerungen“ erzählt
die bekannte Schriftstellerin Thekla v. Gumpert folgende er-
götzliche Geschichte. Die Fürstin v. Radziwill beſaß zwei
grüne Papageien, die, weil sie gern das Wort „Racker“ aus-
ſprachen, die Rackerchen genannt wurden. Sie nahm dieselben
auf ihren Reiſen stets mit. Cinſt kam sie mit ihren beiden
jugendlichen Söhnen durch Schleſien, nahm die Mittagstafel
in einer kleinen Stadt ein und wurde von deren Bürger-
meister feierlich verabſchiedet, als sie wieder in ihren Wagen
stiege. Sie dankte ihm und rief dann einem Diener zu:
„Sind die Rackerchen auch im Wagen ?“ ;
Diensteifrig erwiderte der Bürgermeister mit einer tiefen
Verbeugung: „Zu Befehl, Königliche Hoheit, die jungen
Prinzen sind bereits eingestiegen." D.
T
Eine von Künltlerhand illuſtrierte Rusgabe
von
Dttilie Wildermuths Geſammelten Werken
Herausgegeben von ihrer Tochter Adelheid Wildermuth
Illuſtriert von Fritz Bergen
enlhäll: Bilder und Geſchichten aus Schwaben. 1. und 2. Teil. + Hus dem Jrauenleben. 1. und 2. Teil. - Lebensrätſel. — Die Heimat der Irau. + Im Tages-
: licht. + Zur Dämmerſtunde. – Auguſte. Beim Lampenlicht. ~ Verlen aus dem Sande.
Zu beziehcn in 10 ekegant gebundenen Bänden à 4 Mtl., in 10 elegant broſchierten Wänden à 3 Ml., in 715 Tieferungen àa 40 Ffg.
Die meisten Buchhandlungen nehmen Bestellungen auf Fltlilie Vildermuths Gesammelte Werke entgegen. Man verlange bei denſelben die erſte Lieferung oder den erſten
; Vand zur Ansicht.
f Union Denutltlſche Verlagsgeſelſchaft in Stuttgart, Berlin, Leipsiin.
Heft 23.
Da s B u <B für A lle.
565
interessierte ſich besonders lebhaft für die amerikanische Cou-
ſine und enthüllte ihr alle seine Zukunftspläne.
„Wenn ich Kaiser sein werde, Couſine Käthe, ſchenke ich
Ihnen ein Schloß, und alles, was sich Ihr Herz nur wünſchen
kann," sagte er oft zu ihr. Es blieb indeſſen beim Versprechen.
Später diente Achilles in der amerikaniſchen Armee und
kämpfte gegen die Indianer Floridas. Er ſchlug ſich tapfer,
und seine Frau folgte ihm überall hin. Sie teilte alle ſeine
Gefahren, und Dank ihrer Bemühungen wurde er mehr als
starb der Prinz, nur 46 Jahre alt, und seine Witwe ließ ſich
in Tallahassee, der Hauptstadt von Florida, nieder, wo sie eine
Zuckerpflanzung besaß, die von 200 Sklaven bearbeitet wurde.
Zwanzig Jahre später, 1867, ereilte auch ſie der Tod; sie ruht
neben ihrem Gatten auf dem Friedhofe von Tallahassee in
einer gemeinſamen Gruft, die von Touriſten viel beſucht wird.
Der jüngere Bruder , Prinz Lucian Murat , ließ ſich im
Staate New Jersey nieder und beſchäftigte ſich dort im Orte
Bordentown mit Landwirtſchaſt. Seine Verhältnisse waren
anfangs nicht ungünstig; aber bei seiner Leidenschaft für das
Spiel saß er nach kurzer Zeit bis über die Ohren in Schul-
den. Die Kaufleute von Bordentown, die ihm zuerſt in Er-
wartung einer baldigen napoleoniſchen Reſtauration kreditiert
hatten, begannen, als ihre Rechnungen unbezahlt blieben,
allmählich ungeduldig zu werden, und auch die unbezahlte
Dienersſchaft nahm ein freches Benehmen an. i
Der Prinz war von rieſenhafter Gestalt, über ſechs Fuß
hoch, korpulent und ungemein kräftig. Er hatte in ſeinen
Diensten einen Stallknecht, Namens White, einen unendlich
faulen Menschen. Eines Tages erteilte ihm der Prinz, seiner
Gewohnheit gemäß sehr höflich, irgend einen Auftrag. White
gab eine unverſchämte Antwort, und Murat warf ihn zur
Thüre hinaus. Der Mann wandte ſich an den Friedensrichter
und verklagte seinen Herrn. Er behauptete, ſechs Fußtritte
bekommen zu haben, und wäre genötigt gewesen, das Bett zu
hüten. Murat, der sich selbſt verteidigte, erklärte: „Meine Herren
Geschworenen! Dieſer Menſch hat eben behauptet, ich hätte ihn
sechsmal gestoßen, sechsmal! Meine Herren Geschworenen, ich
werde Jhnen beweiſen, daß das nicht möglich sein kann."
Mit diesen Worten stellte er ſeinen Fuß auf einen Tiſch, schlug
ſich auf sein koloſſales Bein, daß der ganze Saal dröhnte,
und rief: „Hätte ich ihm damit einen einzigen Tritt ver-
setzt, dann wäre überhaupt nichts von ihm übrig geblieben."
Auf Grund dieser Verteidigung wurde Murat freigeſprochen.
Einige Jahre später gab er die Landwirtschaft auf. Das
war zu der Zeit, da er sich in eine Miß Fraser verliebte.
Trotz des Widerſtandes ihres Vaters, der ihn mehrere Tage
suchte, um ihn zu erſchießen, heiratete er ſie. Das Chepaar
stand ohne Subsiſtenzmittel da. Madame Murat errichtete
eine Schule, und mit dieser ging es auch gut bis zu dem
Tage, wo der Prinz sich mit der Sache beſchäftigte, denn vor
dieſem liefen alle Kinder davon.
Bis zur Wiederhersſtellung des Kaiſerreichs lebte nun
Munat ausſchließlich vom Pump. Als der Kaiſer ihn nach
Frankreich einlud, konnte er die Mittel zur Reiſe nur durch
Hilfe gefälliger Nachbarn aufbringen.
Die Gläubiger des Prinzen sandten, als die erwarteten
Zahlungen aus Frankreich ausblieben, einen Notar, Namens
Knight, nach Paris, um durch dieſen dem Prinzen Murat
ihre Rechnungen präſentieren zu laſſen. Knight wurde äußerſt
liebenswürdig aufgenommen und eine ganze Woche hindurch
von Jeſt zu Feſt geſchleppt, so daß er es gar nicht wagte,
die Forderungen ſeiner Auftraggeber geltend zu machen. In
einer Not wendete ſich der Notar an den Kaiser, der aber
ein Eingreifen ablehnte. Nun blieb Knight nichts übrig, als
doch beim Prinzen selbst vorſtellg zu werden, allein dieser
erklärte ihm lachend, er würde ſich herzlich freuen, seine alten
Freunde aus Bordentown in Paris zu begrüßen, er hätte
aber leider kein Geld übrig, um seine Schulden bezahlen zu
V. B.
Vie die Schnepfen ihre Wunden heilen. + Es ist be-
kannt, daß manche Tiere im Beſitee ausgesprochen chirur-
giſcher Fähigkeiten sind, indem sie die ihnen zugefügten Wun-
den und Gliederbrüche selbſt verbinden und heilen können.
Besonders geschickt hierin scheinen die Schnepfen zu sein, wo-
für wir die Beobachtungen zweier Autoritäten anführen.
Der Naturforſcher Fatio in Genf berichtet, daß sich die ver-
wundete Schnepfe aus ihren Federn vermittelst ihres Schnabels
sehr ſinnreiche Verbände anzulegen verſteht. Je nach dem
einzelnen Fall versteht sie es auch sehr gut, auf eine blutende
Wunde ein Pflaſter zu legen oder um eines der gebrochenen
Glieder einen Verband zu machen. „Ich ſchoß eines Tages,“
erzählt der genannte Gelehrte, „einen solchen Vogel, der
auf einer alten Bruſtwunde ein aus kleinen Flaumfedern,
die er ſich an anderen Stellen des Körpers herausgerissen,
zuſammengesetztes Pflaſter trug. Zweimal habe ich Schnepfen
heimgebracht, die an einem Fuße einen Verband von herum-
gewickelten Federn trugen, der von getrocknetem Blute zu-
sſammengehalten wurde. Der Verband war ganz genau an
der Stelle, wo der Knochen gebrochen war. Bei einem dieser
Vögel war das rechte Bein oberhalb der Fußwurzel mit Je-
Uhren. uur Hul rer Bemuhungen ehe Its | dern, die vom Bauche und vom Rücken stammten, start und
ganz friſch verbunden. Beim anderen trug die Fußwurzel
selbſt, die übrigens in guter Heilung begriffen war, die
Binde, welche den Knochen in seiner Stellung bewahrt hatte.
Der ſeltſamste und zugleich bemitleidenswerteſte Fall be-
gegnete mir bei einer Schnepfe, der ich beide Beine abgeschossen
hatte und die ich leider erſt am folgenden Tage auffinden
konnte. Dem armen Tier war es gelungen, an den beiden
Bruchſtellen Bandagen anzulegen. Einige vom Blute ge-
tränkte Federn waren jedoch am Schnabel hängen geblieben
und hatten den Schnabel zugeklebt. Die Schnepfe, die ihre
zerſchoſſenen Füße zum Entfernen der Federn nicht gebrauchen
konnte, war faſt verhungert und so mager wie ein Nagel.“
Ein anderer Forſcher, Herr Maguin, erzählt, wie er im
November 1859 mit zwei Herren jagte und auf einer be-
waldeten Anhöhe eine Schnepfe traf, die ſich dort lange ver-
steckt hiell. Beim Abziehen fehlte man sie, und sie konnte
entfliehen; man bemerkte jedoch, daß der eine Fuß der davon-
streichenden Schnepfe wie gebrochen herabhing. Die Jäger
ſchloſſen daraus, daß sie ſchon vorher verwundet worden war.
Als einige Zeit darauf dasselbe Tier von den nämlichen
Jägern doch geſchoſſen werden konnte, unterſuchte man die
erſte frühere Wunde. Es ergab ſich hierbei, daß das erſte Mal
das Bein des Tieres in der Mitte der Fußwurzel gebrochen
gewesen war. Indem sie sich auf die Zehen stützte, fügte
die Schnepfe die zwei Teile des gebrochenen Knochens bis
zur Kniekehle wieder zuſammen, und von Federn und Moos-
stücken war um den Bruch herum ein dicker Wulst gebildet
worden. Was aber die Beobachter dieſes Verbandkunſtſtückes
beſonders erstaunen ließ, das war eine sehr feſte Ligatur
(Unterbindung), die vermittelſt eines platten und trockenen
Grashalmes gemacht worden war. Diesſer Halm war von
der Schnepfe in Form einer Spirale um die zwei Teile des
wieder eingerichteten Knochenbruches gewickelt worden. Das
Gras, welches unter dem Wulste und dem übrigen Verbande
fast verſchwand, schien mit einer Art durchsichtigen, leimähn-
lichen Speichels befestigt zu sein. Da der oberste Punkt des
gebrochenen Fußgelenkes bis zur Kniebeuge emporragte, so
war die Bewegung so gehindert, daß das Glied vollſtändig
steif war. Der Fuß konnte nur noch vermittelst der senkrecht
auf den Fußboden gestützten Zehen als Krücke dienen. C. T.
Linné als Arzt. + Aus Holland zurückgekehrt, wo er
sich in den Jahren 1735 bis 1738 zu Studienzwecken auf-
gehalten hatte, gedachte sich der junge Linné, der ſpätere
berühmte Naturforscher, ausſchließlich der Botanik zuzuwen-
den. Doch es kan vorläufig anders –~ es war in Kopen-
hagen ~ und die Not zwang ihn damals, ſich ſein Brot durch
ärztliche Praxis zu verdienen. Nur ganz allmählich aber ge-
wann er sich als Arzt Ansehen. Der Ruf, daß er Bruſtkrank-
heiten in überraſchend kurzer Zeit heile, führte ihm die Reichs-
rätin Höpken zu, die an heftigem Huſten litt. Linné ver-
schrieb ihr ein Mittel, das sie ſo ost wie möglich einnehmen ſollte.
Eines Abends ſpielte die Reichsrätin mit der Königin Ulrike
Eleonore, der Schwesier Karls XII., Karten und griff dabei von
Zeit zu Zeit heimlich zu ihrem Huſtenmittel. „Was machen Sie
denn da!“ fragle die Königin ſchließlich, der dies auffiel.
„Ein junger, noch unbekannter Arzt, Majestät, Namens
Linné, hat mir ein Mittel gegen meinen Huſten verordnet,
das mir sehr gute Dienſte leiſtet.' Ó
Ulrike Eleonore litt gerade auch an einem hartnäckigen
Huſten. „Ei, schicken Sie mir doch einmal diesen jungen
Aeskulap, damit er mich ebenfalls von meinem Uebel befreie,"
sagte sie. Linné kam und wurde, da seine Kur gelang, da-
durch am Hofe bekannt. Nach einiger Zeit ließ ihn der
Minister des königlichen Hauſes zu ſich bitten und fragte:
„Haben Sie nicht irgend ein Anliegen? Soeben hat sich der
Reichstag versſammelt, und ich wäre gern bereit, Jhren
Wunſch demſelben vorzulegen."
„Ercellenz sind zu gütig,“ entgegnete Linné, „ich hätte
schon einen sehnlichen Wunſch, aber ich weiß, daß er mir nicht
erfüllt werden kann." U ; . ¡kn t ..
At. Hutu! huet Eu cht res. wenclene !
schon wieder an einen anderen vergeben." !
_ „Mein Wort darauf, daß nicht er, ſondern Sie die Stelle
erhalten sollen!“ Und einige Wochen darauf erhielt Linné
nicht nur das Diplom als Admiralitätsarzt, sondern auch das
eines königlichen Botanikers. D.
Humanilät auf dem Thron. + Ju allen Schilderungen
der Persönlichkeit König Humberts von Jtalien erscheint als
der hervorſtechendſte Zug der düſtere Ernst, welcher nur selten
aus seinem Antlitz weicht. „Und gäbe man ihm Triest und
das Trentino" ~ äußerte einmal sein Schwager über ihn ~
„er würde in demſelben Momente genau so trübe in die
Welt hineinschauen, wie immer." Aber von der Miene auf
seine Gemütsart zu ſchließen, wäre falſch. Mit diesem bei-
nahe finsteren Angesichte iſt der König von Italien einer der
wohlwollendſten und empfindungsvollſten Menſchen. Als am
19. November 1878 Passanante den Mordſtreich nach dem
Könige führte, und ein Kürassier der Eskorte ſich anſchickte,
dem bereits entwaffneten Verbrecher einen Säbelhieb zu ver-
seßen, rief der König: „Schämen Sie ſich nicht, einen Wehr-
loſen zu verwunden?“" und dann, als das Todesurteil über
den Mörder ausgesprochen war, und einige Mitglieder des
Kabinetts auf dessen Vollſtreckung drangen, da ſprach Humbert
die Worte, die ihn für immerdar ehren werden: ,„Meinet-
wegen soll niemals ein Tropfen Menſchenblut auf einem
Schafott fließen!“ ~ und er begnadigte den Verurteilten.
Später, als er mit seiner Gemahlin Sizilien bereiſte, er.
innerte er ſich des Unglücklichen und stellte an den Bürger-
meister von Salvia die Frage: „Jſt nicht in Ihrem Orte
Passanante geboren ?"
„Ja," entgegnete das über diese Frage zu Tod erſchrockene
Dorfoberhaupt, „aber wir verabſcheuen alle seine Thaten, und
seine Mutter iſt förmlich geächtet."
„Daran thut man ein großes Unrecht," antwortete der
König, „es iſt ohnehin entseyglich, daß ihr der Sohn für
immer entrissen iſt."
Als dann der König erfuhr, daß die Witwe in den aller-
dürftigsten Verhältnissen lebe und mit Hunger und Krantheit
ringe, gab er sofort den Auftrag, daß der unglücklichen Frau
bis an ihr Lebensende fünfhundert Franken jährlich aus seiner
Privatſchatulle gezahlt werden ſollten.
Der Fall, daß ein Monarch die Familie deſſen, der ihm
nach dem Leben getrachtet, mit einer Penſion bedenkt, iſt wohl
einzig in seiner Art. E. X.
Chineſiſche Kolonie in Europa. + Wenn man die
schmale Landzunge, die das englische Gibraltar vom ſpaniſch-
europäischen Kontinent trennt, überschritten hat, sieht man
im Osten zwei ärmliche Dörfer vor sich liegen. Das eine
derselben rechter Hand ist ausschließlich von Chineſen und
deren Sprößlingen bewohnt. Da ſpaniſche und chinesiſche
Dörfer gleich ſchmutzig und verkommen sind, so hat der ge-
nannte Ort nicht gerade ein auffallend chineſiſches Gepräge,
sofort fällt es aber auf, daß seine Bewohner, Männer und
Kinder, wenngleich sie ſpaniſch sprechen und wie Spanier ge-
kleidet ſind, entschieden aus dem Reich der Mitte stammen.
Die Leute kamen einſt von den Philippinen und wurden als
Verbrecher von Manila nach Ceuta verbannt, von wo ſie ſich nach
beendeter Strafzeit nach Gibraltar wandten. Da die ſspaniſche
Regierung den Sträflingen nach ihrer Entlaſſung keine Mittel
gewährt, um wieder in ihre Heimat zurückzukehren, so haben
die Leute es vorgezogen, ſich hier auf dem so nahen spanischen
Boden ein neues Heim zu gründen. Sie treiben Obst- und
Gemüſebau, verkaufen ihre Erzeugniſse in Gibraltar und ſind
mit ihrem Schickſal ganz zufrieden. Jhre Zahl beträgt etwa
zweihundert: mehr als ein Drittel derselben iſt mit Spanierinnen
verheiratet. Zahlreiche andaluſiſch-:chineſiſche Kinder liefern
den Beweis,, daß der Kindersſegen, dieſes höchſte Glück der
Chinesen, nicht ausgeblieben iſt. |
Keiner der Vewohner trägt einen Zopf, weil ihnen bei der
Ankunft in Ceuta diese tatariſche Kopfzier abgeſchnitten wurde.
Nunmehr ſcheinen sie es nicht mehr für nötig zu halten,
sich und ihren Kindern Zöpfe wachsen zu lassen. v. B.
Die ZRackerchen. + In ihren „Erinnerungen“ erzählt
die bekannte Schriftstellerin Thekla v. Gumpert folgende er-
götzliche Geschichte. Die Fürstin v. Radziwill beſaß zwei
grüne Papageien, die, weil sie gern das Wort „Racker“ aus-
ſprachen, die Rackerchen genannt wurden. Sie nahm dieselben
auf ihren Reiſen stets mit. Cinſt kam sie mit ihren beiden
jugendlichen Söhnen durch Schleſien, nahm die Mittagstafel
in einer kleinen Stadt ein und wurde von deren Bürger-
meister feierlich verabſchiedet, als sie wieder in ihren Wagen
stiege. Sie dankte ihm und rief dann einem Diener zu:
„Sind die Rackerchen auch im Wagen ?“ ;
Diensteifrig erwiderte der Bürgermeister mit einer tiefen
Verbeugung: „Zu Befehl, Königliche Hoheit, die jungen
Prinzen sind bereits eingestiegen." D.
T
Eine von Künltlerhand illuſtrierte Rusgabe
von
Dttilie Wildermuths Geſammelten Werken
Herausgegeben von ihrer Tochter Adelheid Wildermuth
Illuſtriert von Fritz Bergen
enlhäll: Bilder und Geſchichten aus Schwaben. 1. und 2. Teil. + Hus dem Jrauenleben. 1. und 2. Teil. - Lebensrätſel. — Die Heimat der Irau. + Im Tages-
: licht. + Zur Dämmerſtunde. – Auguſte. Beim Lampenlicht. ~ Verlen aus dem Sande.
Zu beziehcn in 10 ekegant gebundenen Bänden à 4 Mtl., in 10 elegant broſchierten Wänden à 3 Ml., in 715 Tieferungen àa 40 Ffg.
Die meisten Buchhandlungen nehmen Bestellungen auf Fltlilie Vildermuths Gesammelte Werke entgegen. Man verlange bei denſelben die erſte Lieferung oder den erſten
; Vand zur Ansicht.
f Union Denutltlſche Verlagsgeſelſchaft in Stuttgart, Berlin, Leipsiin.