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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 48.1913

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Heft 1
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https://doi.org/10.11588/diglit.47352#0009
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Vs5 Luch MWe
Illustrierte familienreitung
1. liest. 1913.

Frauenrechtlerinnen.
I^oman von Margarete 6räfln n. stünau.
Erstes Kapitel. m^di-uL Ed->,-n.)
v. Oertzin klopfte mit dem Griff seiner
A Reitpeitsche gegen das mit Spinnweben
S bedeckte Stallfenster.
Adv/M Der Kutscher, der sich gerade in einem
die Hände abspülte, kannte das
Zeichen schon und lief eilig hinaus, um dem jungeu
Offizier das Pferd abzunehmen.
„Ist der Herr Baron zu Hause?" fragte Oertzin,
indem er absaß. Er gab dabei dem Pferd einen
leichten Schlag auf die Kruppe, denn der Fuchs
schnaubte unmutig, weil er nicht gern in fremde
Ställe ging.
Der Kutscher schloß die Faust fester um die Trense
und bog ihm den schönen, eigensinnigen Kopf nach
unten. „Zu Befehl, Herr Leutnant, der Herr Baron
ist noch auf dem Felde. Aber die gnädige Frau
ist da."
„Schön. Zudecken den Fuchs und vor einer
Stunde nichts zu fressen! Verstanden?"
„Zu Befehl, Herr Leutnant."
„Onkel Leo! Onkel Leo!" Von rechts und links
schossen plötzlich zwei kleine Jungen aus einer dunk-
len Stallecke hervor und umklammerten Oertzins

Arm. „Papa ist fort. Hurra! Da sitzen wir im
Stall bei Karsten und spielen fein."
„Pfoten weg!" Oertzin streifte die unsauberen
Händchen von seinem hellblauen Tuchärmel ab.
„Bengels, wie seht ihr wieder aus! Wenn das
Mama merkt!"
„Ach, Mutter sagt nischt!" meinte Hans, der
ältere Junge, leichthin. „Ehe Vater kommt, sind
wir wieder rein."
„Na — na!"
„Doch. In Karstens Stalleimer waschen wir
uns schnell," zischelte der Kleine, ein bildhübscher
blonder Lockenkopf.
„Was spielt ihr denn?"
„Wir machen unseren Kaninchen eine neue
Wohnung," erzählte Hans.
Es half nichts. Oertzin mußte das Wunderwerk
anstaunen, eine große Kiste, die sorgsam und nicht
ohne ein gewisses Geschick mit dunkelblauem, silber-
besetztem Tuch ausgeschlagen war.
Oertzin sah schärfer hin und erschrak. „Aber,
das ist ja eine von eures Vaters Decken!" rief er
entsetzt. „Wie kommt ihr denn dazu, ihr Strolche?"
„Ach, die hing in der Sattelkammer," antwortete
Hans. „Vater hat ja noch eine. Diese war doch
schon ein bißchen schäbig."
„Ein bißchen schäbig war sie wirklich, Onkel,"
rief auch Mäxchen, der alles nachsprach und tat,
was sein größerer Bruder verlangte.

„Jungens, das gibt ein furchtbares Strafgericht!
Und die Hiebe, die ihr verdient und sicher auch be-
kommt, möchte ich nicht haben. — Karsten, wie
kommen die Junker an die Satteldecke des Herrn
Barons?"
„Herr Leutnant, wenn ich auch nur einen Augen-
blick den Rücken wende," klagte Karsten, „haben
die zwei da schon wieder was angestellt."
Der Blick, den er dabei auf die Übeltäter warf,
belehrte Oertzin, daß Karsten im geheimen der
willenlose Sklave der hoffnungsvollen Jungen war
und gewiß jede mögliche Ausrede ersinnen würde,
um das Strafgericht zu mildern.
„Diesmal geht's euch allen dreien schlecht,"
prophezeite Oertzin. „Laßt nur den Vater nach
Hause kommen!"
Mäxchen verzog weinerlich den Mund, und auch
seines Bruders Gesicht wurde bedenklich lang, als
er im stillen erwog, was ihm wohl bevorstand.
Aus Arreststrafen machten sie sich nicht viel, denn
sie kletterten wie die Katzen aus jeder Bodenluke.
Abendbrotentziehung tat auch nicht weiter weh, denn
Karstens Schwarzbrot, dick mit Schweineschmalz be-
strichen, stand ihnen stets zur Verfügung — ein
Genuß, der ihnen über jede Lieblingsspeise ging.
Aber mit Vaters Reitpeitsche war nicht zu spaßen.
Und daß er davon Gebrauch zu machen verstand,
hatten sie schon oft recht unliebsam erfahren.
„Sag nichts, Onkel Leo!" flehten beide aus


I. 1S1Z.

Slütereit. lisch einem Semälde von öadrini.
 
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