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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 48.1913

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Heft 4
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https://doi.org/10.11588/diglit.47352#0105
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kW 4 -
Adern schießen, als wäre sie wieder jung und lebens-
stark geworden. Aber weh tat ihr das unverhoffte
Aufwallen der Lebenskräfte.
Rose hatte ihren Mann geliebt!
Und er? Er?
Das war der zweite Gedanke.
Mit zitternden Fingern riß sie die Briefe aus-
einander — alle, alle. Ein einziger war darunter,
der ihres Gatten Schrift zeigte.
Kaum hielt ihr die Brille auf der Nase, so zitterte
sie. Die ersten Worte wirbelten vor ihrem Blick.
Solch starker Erregung war sie nicht mehr gewachsen.
Doch der Brief wär harmlos. Sie erinnerte sich,
daß ihn ihr Mann einst in ihrem Auftrag an Rose
geschrieben. Ein paar nichtige Zeilen, nichtig für
damals.
Das ganze Kästchen räumte sie aus und musterte
jedes Blättchen. Nichts kam ihr zur Hand, was ihr
mehr verraten hätte.
Nein, nein — zwischen den beiden war nicht
Einverständnis noch Schuld gewesen! Ihr Mann
hatte von Roses Liebe nichts gemerkt, obwohl er
sich gut mit ihr verstanden, manchmal fast besser
als mit ihr selbst.
In Scham vor den Toten, vor dem Gatten, der
sie in warmer Neigung hochgehalten, bis er scheiden
mußte, und vor der Schwester, der sie tausendfachen
Dank schuldig war, schob sie den unreinen Verdacht
hinweg.
Das Feuer in Roses Brust war nicht überge-
sprungen auf den Mann; die Edle hatte es zu acht-
sam behütet, den Schutzmantel der Gleichgültigkeit
darübergelegt, daß nur so viel durchschimmerte, als
für verwandtschaftliche Liebe gelten konnte.
Rose hatte sicher das Haus nicht mehr betreten,
wenn sich eine Spur gezeigt hätte, daß ihre ver-
borgene Glut einen Widerschein erzeugte.
Und so, mit der mächtigen, zur Stummheit ver-
urteilten Empfindung im Herzen, die überwand,
was irdisch, schwach und niedrig war, war sie der
Schutzengel seiner Familie geworden, hatte alle
geliebt, die er liebte, hatte ihm gedient mit allen
Kräften, ohne nach Lohn zu fragen.
Das war Rose-
Die Greisin lehnte sich aufatmend in den Stuhl
zurück.
Als wäre ein Vorhang vor ihrem Blick aufgerollt
worden, so sah sie in die verflossenen Zeiten, sah
die Schwester als eine andere vor sich.
Manche kleine Begebenheit rückte in neues Licht,
manches Wort erhielt eine neue Bedeutung. Die
vergilbten Blättchen und verwelkten Blumen redeten
zu ihr. Die Rosenreste, so sorglich aufbewahrt —
es fiel ihr ein, daß einst ihr Gatte die erste Blüte
von dem Rosenstock gebrochen, den er mühsam und
liebevoll pflegte, und sie der Schwester überreicht
mit dem Scherze: „Die teuere Rose der allerteuer-
sten Rose!" — und das Sträußchen Edelweiß, das
seine Lieblingsblume gewesen, war von seiner Brust
genommen, als er aufgebahrt lag —
Denn sie hatte ihn geliebt bis zum Tode — und
darüber hinaus!
Arme Schwester!
War sie wirklich arm gewesen?

IIIIIIIIIH Va5 Luch für Nike .
Mit dieser Liebe, lebenslang und heilig, tief rind
wundergroß?! —
Als sie vor Jahrzehnten, fast vor einem halben
Jahrhundert Hochzeit feierte, hatte die Schwester
gekränkelt. Eine lange Reihe von Monaten dauerte
es an. Dann blühte sie wieder auf, nicht derart,
wie oft ein junges Weib zeitenweise in neue Blüte
kommt — es war mehr eine verklärte, feierliche
Gehobenheit an ihr, eine holde, unerschöpfliche Güte,
die sie überaus sympathisch machte, die ihr jedes
Vertrauen gewann.
Sie hatte das Wünschen überwunden und goß
ihre Herzensglut über den geliebten Mann, so leise
und achtsam, daß sie ihm die Tage erhellte und er-
wärmte und ausschmückte, ohne daß ein Fünklein
ihn erschreckte und ein Schimmer ihn blendete, der
ihn von dem rechten Weg und in die Irre geleitet
hätte.
War sie dabei arm gewesen?
E r hatte sie geliebt als Guttäterin der Seinen,
die Kinder liebten sie noch heute — seine Kinder!
Sie hatte Pflichten, zarte, seine, ideale Pflichten,
die sie sich selbst gestellt, und in deren Ausübung
sie eine reine Befriedigung fand! Sie sah den
Mann in Frieden schaffen, sah das Gedeihen der
Seinen und mußte das köstliche Bewußtsein haben:
du trägst bei mit all deinen besten Kräften, daß es
ist, wie es ist!
War sie arm gewesen mit solch reichem, über-
fließendem Herzen, das ohne Verminderung geben
und helfen konnte ein Leben lang — mit dieser
wunderbarlichen, inneren Hingabe, der höchster Lohn
aus sich selbst erwuchs?
Was hatte Rose immer für tiefe, schöne, glänzende
Augen gehabt! So glänzend, als brenne eine un-
auslöschliche Leuchte dahinter. Bis in die alten Tage
hinein bewahrten sie das blaue, sprechende Feuer.
Oh, ihre Seele muß eine Seligkeit eigener Art
gekannt haben! —
Amelie schauerte frierend zusammen. Sie fühlte,
da gab es etwas, das ihr fremd geblieben — eine
Stärke und Tiefe und Größe der Empfindung, die
das ganze Wesen durchtränkt, die sich immer neu
erzeugt, die nicht heischt, sondern gern und freudig
schenkt.
Diese hohe, köstliche, königliche Empfindung war
ihr nicht eigen gewesen — sie hatte zu viel an sich
selbst gedacht! Ach, sie hatte sich mehr lieben lassen
als selbst geliebt, mehr empfangen als gegeben,
sich auf andere gestützt, statt Stütze zu sein, sich
helfen lassen, statt zu helfen!
Nun sie alle fort waren, die sie geliebt und ver-
wöhnt, die ihr gegeben, die sie gestützt und ihr ge-
holfen, nun stand sie verarmt und entblößt da und
empfand mit Staunen und keimendem Schmerz die
tote Leere in sich und um sich, die deu Selbstsüchtigen
früher oder später straft.
Aus dem heißen Neid, der sich angesichts der
rührenden, unschuldigen Liebeserinnerungen der
Schwester in ihr entzündet hatte, rang sich das
Wünschen los, bald den Weg zu gehen, den die
Schwester vorangegangen war.
Glückliche Rose!
Arme Amelie!

97

n NI Nachdruck o-rdot-nU
Eine teure Fensterscheibe. — Im Londoner Straßen-
gedränge hat ein Ungeschickter das große Schaufenster einer
Wcinhandlung zerschlagen. Wutschnaubend stürzt der Wirt
auf den Übeltäter zu! „Das kostet fünfzig Schilling!" Der
Mann entschuldigt sich mit dem Gedränge, er habe auch nicht
so viel Geld eingesteckt, wolle aber gern dem Wirt seine Adresse
geben. Eine Stimme aus der Menge der Neugierigen ruft:
„Suchen Sie ihm doch die Taschen durch!" Richtig hat der
Wirt gleich darauf eine Brieftasche gefunden. Sieh da! — zwei
funkelnagelneue Zehnpsundnoten fallen ihm entgegen. Flugs
wird eine gewechselt und schmunzelnd dein Fremdling der
Rest ausgehändigt.
Langsam zerstreut sich die Menge. Nur in der Weinstube
wird noch eifrig diskutiert, und der und jener besieht sich den
Geldschein.
Auch ein älterer Stammgast, ein Bankier, tritt heran, be-
trachtet den Schein, dann den Wirt, und kopfschüttelnd meint er:
„So leid es mir tut, Ihnen das sagen zu müssen, aber da sind
Sie einem ganz geriebenen Burschen in die Hände gefallen!
Der hat das Fenster nur Angeschlagen, damit Sie ihm den
Schein wechseln! Der Schein ist nämlich — falsch ! O. v. B.
Eine Weltausstellung im alten Ägypten. — Bereits vor
etwa zweitausend Jahren hat die Eröffnung einer großen Welt-
ausstellung in Ägypten stattgefunden. Das genaue Datum
ist das Jahr 180 vor Christus, und der Veranstalter und Pro-
tektor war König Ptolemüus Philometor. Mit dem König
wohnte der gesamte Hofstaat und eine große Schar Eingelade-
uer der Eröffnungsfeier bei, die durch ein prächtiges Bankett
beschlossen wurde.
Die Ausstellung bot ein Bild von dem Reichtum aller dem
Pharao unterworfenen Länder und des Auslandes; unter
anderem waren ausgestellt hundertdreißig ausgesuchte äthio-
pische Widder und dreihundert, die aus Arabien stammten,
ferner fünfundzwanzig schneeweiße Stiere, die die fernsten
Provinzen von Hindostan eigens gesandt hatten, und die über
fünfzehn Monate auf der Reise gewesen waren. Der Weinbau
war durch einen großen allegorischen Aufbau repräsentiert:
er trug eine riesige Kelter, und sechzig als Satyrn verkleidete
Sklaven führten ein richtiges Winzerfest auf.
Besondere Sorgfalt war auf dis Abteilung verwendet
worden, die die Fortschritte der Gartenkunst zeigen sollte; ein
Feld fetter schwarzer Erde war übersät von den verschiedensten
Rosen-, Lilien- und Lorbeerarten. Ein großer Saal war den
schönen Künsten zugeteilt. Man konnte hier die berühmtesten
Gemälde der sikyonischen Künstlervereinigung bewundern. An
die Abteilung für Kunst schlossen sich die Säle für Literatur
und Wissenschaft; hier hatte man eine Unmenge chaldäischer
und assyrischer Inschriften zusammengetragen. Der goldene
Dreifuß aus Delphi, soll das kostbarste Stück der ganzen Aus-
stellung gewesen sein. O. v. B.
Gut gemacht. — Zur Zeit, als König Ludwig XV. re-
gierte, hatte ein zierlich gekleidetes Herrchen vor einem Un-
wetter Schutz unter der Galerie des Louvre gesucht. Ein anderer
Herr, der einen langen Stoßdegen, aber recht abgeschabte
Kleidung trug, also offenbar ein mit Glücksgütern wenig ge-
segneter Edelmann war, kam eiligen Schrittes heran und trat
versehentlich in eine Pfütze, so daß die blendend weißen Seiden-
strümpfe des Stutzers über und über bespritzt wurden. Diesem
entfuhr ein Scheltwort, und als der Edelmann lächelnd die
Achseln zuckte, eilte er nut gehobenem Stock auf ihn zu.
Sein Gegner wehrte den ihm zugedachten Schlag mit
einer raschen Bewegung ab, indem er den Arm des anderen
ergriff, und sagte: „Die hundert Louisdor, die ich zur Flucht
haben müßte, wenn ich Sie tütete, besitze ich nicht, wohl aber
diese fünf Sous für das Waschen Ihrer Strümpfe. Da, nehmen
Sie!"
Sprach's und setzte seinen Weg fort, während der junge
Mann verblüfft die ihm in die Hand gedrückte Kupfermünze
beschaute. —tt—.


68 §ibt ja über 40 Zorten!

Knonn-
8uppenwürkel

butter, Kock' 6ock alle
cüe feinen

esmilien1l8csi.
 
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