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1, Jahrg.

Der Spiegel und jeine Enfwicklung.
(Fortſetzung und Schluß.)

Ich ſehe, verehrte Freundin, daß ſie die Lippen kräuſeln,
aber es war doch ganz natürlich, auf dem Wege nach dem
Gotteshauſe züchtig den Blick auf das Gebetbuch zu ſenken
und ſich überzeugen ob man ſich auch in würdiger Form ſeinem
Gotte nähere. Ein Schönpfläſterchen an falſcher Stelle würde
vielleicht das Auge des Herrn beleidigt haben.

Die kleineren Spiegel wurden in eine Anzahl von Klaſſen
eingeteilt; man unterſchied den „miroir de poche“, „miroir
„miroir de trousse“, „miroir de ceinture“, uſw.
Der „miroir de toilette“ war größer als die übrigen und
wurde am meiſten geſchätzt. Er nahm oft ein Zimmer für
ſich allein ein, und dieſes Zimmer wurde dann „chambre du
miroir“ genannt. Es gab beſondere Beamte, die beim Toilet-
tenmachen der Mitglieder des königlichen Hauſes den Spiegel
halten mußten, während 2 Diener Kerzen und Fackeln hielten,
um die Perſon nach Wunſch zu beleuchten.

Die Herſtellung der größeren mit Blei belegten Glas-
ſpiegel ſcheint eine deutſche Erfindung zu ſein; ſie ſoll in
Deutſchland ſchon im 14. Jahrhundert 1 9 ſein.
Jedenfalls ſind erſt im 16. Jahrhundert größere Glasſpiegel,
in denen man ſich in ganzer Perſon betrachten konnte, bekannt
geworden, und auch dieſe waren noch nicht in einem Stück
hergeſtellt. Einige der ſchönſten Muſeumsexemplare beſtehen
aus mehreren Teilen, die durch einen Rahmen zuſammenge-
falten werden. Bekanntlich iſt die Bleiverglaſung der alten
Fenſter, der ſchönen Glasmalereien in Kirchen uſw. auch darauf
zurückzuführen, daß man größere Glasplatten noch nicht her-
zuſtellen vermochte.

Eine ſo wichtige Erfindung verurſachte eine vollſtändige
Umwälzung der Spiegelfabriken in Frankreich. Colbert ent-
wickelte die Anfertigung der Spiegel zu einer feinen Kunſt
und wurde von dem verſchwenderiſchen König Ludwig XIV.,
dem der Spiegel „ein unentbehrlicher Schmeichler“ geworden
war, ermutigt. Es iſt authentiſch, daß König Ludwig XIV.
die größte und ſchönſte Spiegelſammlung beſaß die je exiſtiert
hat. Er hatte nicht weniger als 503 Spiegel der verſchiedenſten
Größen und Formen, von denen der kleinſte 20: 25 cm und
der größte 85: 132 em groß war.

Als ſich nun die Glasfabrikation ſo weit entwickelt hatte,
daß man Glasſpiegel in größeren Mengen auf den Markt

à main“,

bringen konnte, begann man ſie allgemein, namentlich aber in
Frankreich als Zimmerdekoration zu verwenden; was die ſchönen
Frauen früherer Zeiten entbehrt hatten, das holten ihre Enkel


belegt waren, konnte man ſich jederzeit von allen Seiten be-
trachten, und wer einmal nach Paris kommt, wird noch heute
dem Spiegel außerordentlich häufig als Wandbekleidung be-
gegnen; ſelbſt in untergeordneten, von Kleinbürgern und Arbeitern
beſuchten Kaffees und Weinſtuben wird man ſie finden. Ka-
tharina von Medici beſaß für ihren perſönlichen Gebrauch
ein „Chambre du miroir“, für welche 119 Spiegel verwendet
waren, die als Füllungen in der Holztäfelung des Zimmers
ſaßen. Dieſes Zimmer wurde ſehr bewundert und vielfach
nachgeahmt.

Spiegel waren die große Paſſion der Frauen des 17.
Jahrhunderts. Saint Simon erwähnt mit Mißbilligung die
Verſchwendung einer Schönen, die damit prahlte, ſie habe
eines ihrer Landgüter verkauft, um einen heißbegehrten Spiegel
erwerben zu können. Aber es waren nicht nur die Hofdamen,
nicht nur die Frauen der eleganten Welt, welche Spiegel als
Dekorationsmittel verwendeten; auch der Herzog von Orleans
bezahlte einmal 12000 ¼ für einen Spiegel. Eine Zeitlang
herrſchte ſogar die Mode, ſelbſt die Himmelbetten mit Spiegeln
zu ſchmücken, einmal der prächtigen Wirkung wegen, dann
aber auch, um ſich im Negligs bewundern zu können. Erſt
als einige Unfälle, Verletzungen durch herabſtürzende Spiegel-
ſcheiben vorgekommen waren, geriet dieſe unſinnige Mode
in Mißkredit.

Als man in andern Staaten dem Spiegel bereits den
rechten Platz eingeräumt hatte, indem man ihn faſt ausſchließlich
oder doch vorwiegend als Möbelſtück verwendete, war der
Mißbrauch in Frankreich noch lange nicht überwunden. Noch
im 18. Jahrhundert hatte man in Frankreich Badezimmer, in
denen nicht nur die Wände, ſondern auch der Fußboden mit
Spiegelplatten bedeckt war. Die „salle de bains“ der Marie
Antoinette war ganz mit Spiegeln ausgekleidet. Aber dieſer
Effekt mochte ihr wohl noch nicht genügt haben, denn dieſe
Spiegel waren noch mit koſtbaren Oelmalereien verziert. Spiegel
mit Malereien kann man übrigens auch heute noch öfter ſehen
und es ſoll nicht geleugnet werden, daß ſich ſehr hübſche Effekte
durch Malereien, die ſich wirkungsvoll von der glitzernden Fläche
abheben, erzielen laſſen. Der Spiegel hat dann häufig eine
 
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