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Der Einrahmer und Vergolder

(Allgemeiner Anzeiger für Bilderhandel)

Fach⸗ und Offertenblatt für Einrahmer und Dergolder, Goloͤleiſtenfabriken, Vuchbindereien, Kunſthand.
lungen, Photographen, G laſereien, Gemälöegalerien, Ruſeen, Kupferſtichſammlungen, Runſtmaler ete.

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1, Jahrg.

Das Geheimnis.
(Schluß).


Probe, ſo würde bald aus dem einmaligen Gelingen ein
häufigeres Verlangen des Gelingens, und ſo entwickle ſich
das immer weiter, bis man zuletzt die neue Art der Ver-
billigung als Syſtem für das ganze Atelier aufſtellte welchem
„Murks“ ſich dann alle Neulinge unterwerfen müßten.

So gelangt die ſchauderhafteſte Schleuderware, in die
Welt. Ein ſolches Produkt glänzt nur durch ſeine Billigkeit,
an Güte aber ſteht es dem Alten bedeutend nach. Das iſt es
nicht, was wir begünſtigen wollen; wir wollen die Veröffent-
lichungen der Erfindungen und Geheimniſſe unter dem Geſichts-
punkte betrachten, die für die Herſtellung einer guten Ware
förderlich ſein können, denn das Gute iſt für ſich ſchon billig,
und die Güte der Ware hebt die Kaufluſt des Konſumenten,
wenigſtens ſoweit ein einigermaßen vernünftiger Abnehmer in
Frage kommt, eher als das Billige. Wenn man im Laufe der
letzten Jahre unter der Herrſchaft der „Verbilligungstaktik“
dazu überging die Fabrikate der „Bronzeliga“ in allen Ab-
ſtufungen in die Welt zu ſchleudern, ſo muß zwar berück-
ſichtigt werden, daß man eine teilweiſe Brauchbarkeit dieſes
neuen Fortſchrittes in der Bearbeitung der Bronze und ihrer
vielſeitigen Verwendung anerkennen kann.

Nun könnte man nebenbei die Frage aufwerfen, um ein
anderes Thema über „Geheimnisſchutz“ anzuſchneiden, was ſoll
man denn von der Patentierung gewiſſer Miſchungen und
Fabrikate halten, wenn es keine Geheimniſſe mehr geben ſoll.
Darüber wollen wir nicht urteilen, und es gehört auch nicht
in den Rahmen dieſes Artikels, wir wollen vielmehr darauf
hinarbeiten, daß der allzugroßen, „übertriebenen“ Ge-
heimnisſucht im Vergoldergewerbe der Boden abgegraben wird.
Es könnte auch einer einwenden, der Artikelſchreiber lüſtet
vielleicht ſelbſt nach dem Ergebnis der Ausplauderung mancher
Fabrikationsgeheimniſſe Anderer. Nicht mit Unrecht, klüger
wollen wir ja alle werden und es iſt deswegen niemand zu
verurteilen, aber es geſchieht doch für die Geſamtheit, und was
der Eine weniger ausgearbeitet an das Tageslicht zaubert und
bekannt gibt, wird dem Anderen ein neuer Anlaß ſein, es
wahrſcheinlich weiter ausarbeiten zu können, um dadurch für das
Geſamtwohl fördernd zu wirken; und das, was wir Vergolder
Neues, aber chemiſch unvollſtändiges, hervorbringen, wird dann

mit Hilfe von Chemikern ſchon ſeine Löſung finden können,
ſodaß bei deſſen Bekanntgabe viele Kollegen in der Lage ſein
werden, die Brauchbarkeit dieſes Neuen zu prüfen.

Sehen wir uns nun mal näher nach den geheimnisvollen
Dunkelkammern unſerer Werkſtätten um, ſo haben wir bald
herausgefunden, daß die Goldleiſtenfabriken bezüglich der Ge-
heimniskrämerei die üppigſten Blüten treiben. Das beruht
ſchon auf der Eigenart des Großkapitalismus, denn es wäre
ja Ironie des Schickſals, wenn dieſe nicht mit ihren undurch-
dringlichſten Dunkelkammern, die den feudalen Namen tragen,
„Unſer Laboratorium“, in unſerem Gewerbe an der Spitze
marſchierten. ; }

Dann haben wir den alten ergrauten Vergoldermeiſter.
Erhaben und wichtig verkramt er ſich in das Sammelſu-
rium ſeiner erworbenen Giftmiſcherkenntniſſe und ſucht ſie mit
in das Grab zu nehmen, wiewohl manche ſeiner Geheimniſſe
längſt Allgemeingut geworden ſind.

Fragt ein Gehilfe ihn etwas, ſo iſt jener vielleicht ſo
herablaſſend, mit überlegenem oder höhniſchem Lächeln und
großem Wortſchwall, was man bei ihm noch alles lernen
könne, einige Aufklärungen zu geben, im übrigen kümmert er ſich
aber häufig recht wenig um die Ausbildung eines die Fremde
bereiſenden lernbegierigen Jünglings. Das gleiche gilt von den
älteren Gehilfen im Vergleich zu den jüngeren Zugezogenen
in einem Atelier mit mehreren Arbeitskräften. Umgekehrt aber
verhalten ſich beide der alte Meiſter und auch der ältere Ge-
hilfe wieder ſkeptiſch den mitgebrachten Neuerungen eines zu-
fällig begabten jüngeren Kollegen gegenüber. Erſterer weil er
ſyſtematiſch Neuerungen wiederſtrebt, letzterer aus Angſt, ſtatt
dem Althergebrachten ſich Verbeſſerungen unterwerfen oder
der Intelligenz ſeines jüngeren Kollegen weichen zu müſſen.
Dagegen iſt jener beſtrebt, die Kenntniſſe des andern Mitge-
hilfen ſo lange wie möglich niederzuhalten, ihn zurückzudrängen
oder hinauszubugſieren. In dieſer Beziehung kann man mit-
unter in dem eifrigſten Gewerkſchaftler den verſtockteſten Reak-
tionär antreffen, der ſo als „fortſchrittliches Kurioſum“ zwei
der extremſten Pole in ſich vereinigt. Dieſer Konſervatismus
iſt verwerflich und ſicherlich nicht fördernd für unſer Gewerbe.
Es ließen ſich hierüber viele Beiſpiele anführen, aber ich will
nur zwei herausnehmen, eins wegen ſeiner Originalität, das
andere wegen ſeiner Brutalität. In erſterem Falle hatte ich
einen Meiſter in meiner früheren Praxis kennen gelernt, der
 
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