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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

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Heft 5/6
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Riehl, Berthold: Skizze der Geschichte der mittelalterlichen Plastik im bayerischen Stammlande: Vortrag, gehalten im bayer. Kunstgewerbe-Verein am 25. Februar 1890
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https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0040
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raschend zahlreich sind dagegen die über alle Dorfkirchen
ausgestreuten Statuen, in denen auch weitaus das Originellste
und Beste geleistet wird. Der Hauptfortschritt dieser Figuren
im Gegensatz zu älteren Perioden zunächst zum J^. Jahr-
hundert ist, daß jetzt in Folge des zu voller Feinheit und
Freiheit entwickelten Naturalismus einzelne Individualitäten
sicher festgehalten, bestimmte Charaktere in ihrer Eigenart
wiedergegeben werden können. Ain häufigsten begegnet nns
natürlich die Figur der Maria, ihr Charakter ist schlicht,
anmuthig, manchmal auch liebenswürdig, zuweilen aber

\2. St. Georg, lfolzstatne in Berg am Laim
(bei München).

Ende des J5. Jahrhunderts.

steigert er sich zu hoher Schönheit. Ich erwähne aus der
Frühzeit des Jahrhunderts die Madonna in Machteifing,
aus dem Ende desselben die Maria in Rottenbuch — ^85
in München gefertigt — ferner die zu Thalkirchen und
Ismaning; wegen des Gewandes sehr interessant ist die
Maria in Reichertshausen bei harmading, außerordentlich
liebenswürdig und zart aufgefaßt die Verkündigung Mariä
in Mörlbach bei Aempfenhaufen aus dein Ende des sä.
Jahrhunderts. Entgegen dieseti — mit Ausnahme der
Verkündigung — ruhig repräsentativen Andachtsbildern be-

\3. Pfingstfest, Altarrelief zu Leutstetten.

Ende des 1(3. Jahrhunderts.

Handeln erregtere Momente die herrliche Madonna, der
der Auferstandene erscheint, in Blutenburg und die ganz
hervorragende ebenso zart wie tief empfundene Maria von
einer Areuzigungsgruppe in Am-
permoching (Abb. {(). Das lieb-
liche zur Jungfrau reifende Mäd-
chen charakterisiren die Statuen der
hl. Margaretha in Mittersendling
und besonders schön die in der
Todtenkapelle zu Untersendling;
während die Anna selbdritt aus
dem Beginne des s6. Jahrhun-
derts in Staucharting bei Sauer-
lach in der Anna vorzüglich die
ernste Mutter wiedergibt.

Sprechen diese weiblichen Ge-
stalten die weichere, gemüthvolle
Seite des bayerischen Volkes aus
und gewinnt durch sie dessen Sinn
für schöne Form Ausdruck, so
zeigen dagegen die männlichen
Gestalten frisches, jugendlich kräf-
tiges Leben, energische, eigenartig
durchgebildete Eharaktere. Schöne,
jugendliche Formen, heiteres aber
doch thatkräftiges Leben zeigt vor
Allem der oft behandelte Ritter
St. Georg, sogleich in nächster
Nähe Münchens die hübsche, auch
kostümlich interessante Figur zu
Unterbiberg oder die schöne nur
aus einem Stück Eichenholz ge- ^ Ahausen'

schnitzte Statue in Laini (Abb. \2), £nbc bcs ^hundert-,

während die zu Neuried und in

der Todtenkapelle zu Untersendling, etwas allzu zierliche

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