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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

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Heft 7/8
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Mayr von Gg: Das Kunstgewerbe und das tägliche Leben: Vortrag, gehalten im bayer. Kunstgewerbe-Verein am 4. März
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https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0050
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nicht gegeben werden. Auf die vorhin erwähnten, speziell
als „künstlerische Gewerbe" bezeichneten Betriebe treffen nur
2 Promille. Das ist aber, wie wir ja wissen, eine zu
niedrige Zahl; der Kurs des Kunstgewerbes steht höher
als auf nur 2 Proinille, wem: es auch ausgedehnte arbeits-
reiche Industriezweige gibt, welche nach der Natur der
Arbeit jeder Kunst unzugänglich sind.

Fassen wir diese Gewerbsgruppen zuerst ins Auge,
so finden wir nächst der gewerbsmäßigen Thierzucht, welche
doch nur mit Natur, nicht mit Kunst arbeitet, übrigens nur
5y2 Promille des gewerblichen Personals in Anspruch

nimmt, die bedeutende
Gruppe des Bergbau's,
pütten- u. Salinenwesens
und der Torfgräberei mit
fast 6 Prozent des gewerb-
lichen Personals; darauf
folgt die chemische In-
dustrie mit \ Prozent
des Personals und die
Industrie der forstwirth-
schaftlichen Nebenpro-
dukte, Leuchtstoffe, Fette,
Gele und Firnisse mit
6 Promille des Personals;
die Industrie der Nahr-
ungs- und Genußmittel
IO Proz. des Personals)
mit einem Vorbehalt für
Feinbäckerei und Kon-
ditorei ; die Versicherungs-
und Verkehrsgewerbe mit
2^ Prozent des Per-
sonals. Auch die Pandels-
gewerbe aller Art, auf
welche f p/2 Prozent des
gesammten gewerblichen
Personals entfallen, kön-
nen nicht wohl zum
Kunstgewerbe gerechnet
werden, wenn sie auch
für den Absatz der kunst-
gewerblichen Produkte

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damit auch in den Finger-
zeigen für die Gestaltung der Produktion selbst, welche
in der Bevorzugung des sogenannten Modeartikels einen
verschärften Ausdruck findet, von großer Bedeutung sind.
So wenig wie die Pandelsgewerbe sind die sog. Gewerbe
der „Beherbergung und Erquickung" kunstgewerbliche Pro-
duzenten ; mindestens sind sie es nur in beschränktem Maße
und auf dem Gebiete einer zwar nicht zu verachtenden,
aber doch vom sonstigen Kunstgewerbe etwas seitabstehenden
Kunst, nämlich der Kochkunst. Wichtiger ist die Rolle,
welche diese Gewerbebetriebe als Konsumenten kunstgewerb-
licher Artikel einnehmen. Gerade die Kochkunst bedarf in
ihren edelsten Formen, um stylgerecht zur Erscheinung zu
kommen, der Beihilfe der kunstgewerblich ausgestatteten Tafel.
And selbst da, wo der kulinarische Genuß mehr in den
pintergrund tritt und statt der getrüffelten Pastete mit

perlendem Schaumwein einfacher Kalbsbraten mit gutem
Bier kredenzt wird, verlangt man inehr kunstgewerbliche
und künstlerische Zuthat, weniger in der Zurichtung der
einfachen Speisen und Getränke — das palbekrügel behauptet
auch da sein Recht — als in der nicht unnüttelbar mit der
Beschaffenheit des Essens und Trinkens zusammenhängenden
Ausstattung der Räume. So manches kunstgewerbliche
Können, das man vor Jahrhunderten für eine Kirche oder
für ein Stadthaus verwerthet hätte, hält heute feinen Einzug
in die Räumlichkeiten der Erquickungs- und Beherbergungs-
gewerbe. Man liebt es heutzutage, sich für einige Stunden
vorzuheucheln, daß man in Palästen lebe! Ich darf nichts
dagegen sagen; denn wenn irgendwo, so gilt auch hier mit
vollstenr Rechte das non ölet der Römer. Ob aber der
Zustand des Ueberwucherns von Prunkräumen für ein-
faches nichthäusliches Essen und Trinken ein gesunder ist,
und ob er nicht, indem er den kunstgewerblichen 5inn von
dem peim abwendet, schließlich auch dem Kunstgewerbe
selbst schädlich wird, das scheint mir doch eine sehr ernste
Frage, welche allerdings heute nicht nebenbei ihre Durch-
sprechung finden kann.

Die übrigen großen Gewerbegruppen haben alle, wenn
man sie auf Kunstgewerbe prüft, einen mehr oder minder
genaschten Charakter. Doch lassen sich bei manchen der-
selben noch ganze große Zweige des Betriebes als zweifel-
los dein Kunstgewerbe unzugänglich abtrennen. Die Ge-
werbestatistik bringt in einer Gruppe die Kunst- und Pan-
delsgärtnerei und die Baumschulen. In dieser Gesammtheit
können wir die Gruppe wohl nicht zum Kunstgewerbe
rechnen — sie hat 1/„ proz. des gewerblichen Personals —
aber, indem wir uns von der Gruppe verabschieden, unter-
lassen wir nicht, jenen hervorragenden Etablissements einen
kunstgewerblichen Gruß zu senden, welche es verstanden
haben, die Kräfte der Natur bei der Pflanzenzucht so zu
bannen und Blüthen und Blättern in der Vereinigung zum
künstlichen Gewinde solche Anmuth an Form und Farbe
zu verleihen, daß wir sie mit Recht zu den duftigsten Ver-
tretern kunstgewerblichen Strebens rechnen.

Bei der Industrie der Steine und Erden scheidet die
Gewinnung des Rohmaterials ({1/2 Proz. des Personals)
aus, bei der Textilindustrie die Spinnerei (mit 21/2 proz.),
bei der Papier- und Lederindustrie die Papierfabrikation
und Gerberei (mit ( proz.); in ähnlicher Weise lassen sich
auch noch bei anderen Gewerbebetrieben einzelne Aus-
scheidungen vornehmen.

Fassen wir nun die Pauptgruppen der Gewerbebetriebe,
in welchen kunstgewerbliches Schaffen seine Stätte findet,
näher ins Auge.

Die Metallverarbeitung aller Art nimmt 6*/*
Prozent bes gewerblichen Personals in Einspruch, darunter
die von Eisen und Stahl allein 5‘/4 Prozent. Wir finden
82,332 Betriebe von Grob- und pufschmieden, 23,569
Schlossereien, 20,557 Zeug-, Sensen- und Messerschmiede.
Als Betriebsstätten zur Verfertigung von Gold-, Silber-
und Bijouteriewaaren sind 537^ aufgeführt. In diesen
summarischen Zahlen steckt neben kunstloser pandfertigkeit
aller Art so mancher unserer tüchtigsten Kunsthandwerker.

Bei der Industrie der Maschinen, Instrumente und
Apparate, welche 5 Prozent des gewerblichen Personals
beansprucht, entfällt zunächst jene des Maschinenbaues
 
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