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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

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Heft 9/10
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Groth, Paul von: Ueber den Bernstein von P. Groth
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https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0057
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■§- 1,03 -{■

aus der Ostsee, und beides für sich verpachtet. (86( hatte
die Firma Stantien und Becker bereits begonnen, die
vorhin schon erwähnten Anschwemmungen an: Grunde
des Kurischen Paffs bei Schwarzort durch Baggerarbeiten
zu gewinnen. Jetzt sind dort 20 Dampfbaggerschiffe thätig,
den Meeresgrund in ganz systemgemäßer weise bis zu einer
Tiefe von 7—(Om. auszuheben; die Baggereimer werfen
ihren Inhalt auf Siebe, auf denen alle größeren Stücke
liegen bleiben, aus welchen sofort auf den Baggern die-
jenigen des Bernstein ausgelefen werden, während Sand
und Schlamn: durchfallen in Prähme, welche durch kleine
Dampfer an Land geschleppt und dort geleert werden.
Auf diesem Wege wird nach und nach die ganze bernstein-
haltige Schicht durchsucht, die Fahrstraße für die Schifffahrt
vertieft und der Küste ein Zuwachs an Land zugeführt.
Schwarzort liegt auf der sogenannten Nehrung, jenen:
schmalen Streifen sandigen Dünenlandes, welches das paff
von der Ostsee trennt und das bereits in der Steinzeit von
der ersten Bevölkerung Ostpreußens bewohnt war, wie zahl-
reiche prähistorische Funde beweisen. Bon den durch jene
bearbeiteten Bernsteinstücken ist nun nach und nach, besonders
seit :nan sorgfältig daraus achtete, eine große Zahl durch
die Bagger zu Tage gefördert worden und sind diese be-
schrieben in „Klebs, der Bernsteinschmuck der Steinzeit".

Statt des früheren „Stechens" begann dieselbe Firnia
(869 bei Großdirschkeim und Brüsterort, später bei palm-
nicken durch Taucher das Mineral auf den: seichten Meeres-
boden zu gewinnen, besonders größere, durch Tang u. f. w.
festgehaltene Stücke.

Der wichtigste Schritt war der Uebergang zun: Berg-
bau. Nachdem bereits ein Staatswerk in Palmnicken an-
gelegt worden war, aber wegen zu großen Wasserandranges
nicht betrieben werden konnte, gelang es der Firma Ltantien
und Becker von einem ursprünglichen Tagebaue aus mittelst
Stollen in der blauen Erde vorzudringsn und (873 das
eigentliche Bergwerk mit einem durch besondere Vorricht-
ungen vor den: großen Andrange des Wassers, welches
mittelst großer Maschinen ausgepu:::pt wird, geschützten
Schachte zu eröffnen, und bereits sind zwei weitere Schachte
in: Betriebe. Die in wägen geförderte „blaue Erde" wird
in hölzerne Rinnen gestürzt, welche das von den Maschinen
herausgepumpte Grubenwasser zun: Meer ableiten und
treppensörnng mit Sieben abgeschlossen sind. In Folge
des starken Gefälles zcrwäscht das Wasser die lockere Masse
der blauen Erde und der Bernstein mit allen größeren
Stücken von Gestein bleibt aus den Sieben, welche nach ab-
wärts immer seiner werden.

Bei den: großen Antheil, welchen an der seitden:
außerordentlich gesteigerten Produktion der gegrabene Bern-
stein hat, gilt es nun, diesen, den „Grabstein", dem in der
See oder an: Strande gefundenen „Seestein" gleichwerthig
zu nrachen. Ersterer besitzt nämlich so, wie er aus der
Erde ko:::mt, stets eins fast undurchsichtige Verwitterungs-
rinde, während diese bein: Seestein meist dünner und durch-
sichtig ist. Abgesehen davon, daß man den Stücken nicht
ansehen kann, wie tief diese werthlose Rinde reicht, wie viel
von dem gekauften Gewichte also verloren geht, gestattet
dieselbe dem Käufer keine Beurtheilung des Inneren in
Bezug auf Farbe, Verunreinigung, feine Riffe u. s. w.
Um nun diese Nachtheile zu beseitigen, wird der auf den

vorhinerwähnten Sieben der Rinnenwäsche erhaltene und
durch Wasserstrahlen von der blauen Erde befreite Bernstein
in großen Fässern mit Wasser, in welchen sich Rohrbesen
bewegen, hin und her geworfen, bis er von den letzten
Spuren anhaftender Erde und von der lockeren Rinde
befreit ist; dann gelangt er in horizontal rotirende Be-
hälter, in denen sich Wasser und scharfer Sand befinden,
und wird hier solange gerieben, bis die letzte Rinde entfernt
ist und er dieselbe klare Oberfläche besitzt, wie der Seestein.
Man unterwirft also den Stein derselben Prozedur, welche
in der Natur der vom Wasser hin und hergespülte und
vom Sande des Meeres abgeriebene Seebernstein durch-
gemacht hat.

Nach dieser wird der Bernstein nach Königsberg in
die Sortirungssäle gebracht, durch Siebe von den ganz
kleinen Stücken getrennt, durch packen untersucht, ob ein
Stück bereits innere Sprünge
hat, nach welchen es dann
getheilt wird; ebenso werden
unreine Theile abgeschlagen, um
möglichst reine, von Sprüngen
freie Stücke zu erhalten, und
diese werden nun sortirt, und
zwar in Sorten, welche der
verschiedenen Verwendung ent-
sprechen und in Größe, Stück-
zahl auf das Pfund u. f. w.
sich genau gleich bleiben und
daher dem kaufenden Fabri-
kanten eine genaue Tonjunctur
ermöglichen.

Unter diesen Pandels-
sorten sind die sog. Fliesen,
d. h. Stücke gesunden Bern-
steins, welche :::eistens 7,5 cm Meßkännchen aus Bernstein
Dicfe und Breite und 25 cm Aus dem Nationalmuseum zu München.

Länge haben, die werthvollsten, 2,3 bcr nnrfI'd,En ®c°6e-
besonders dann, wenn ihre Flächen möglichst parallel sind.
Von diesen gehen (0—\2 auf ( Kilo, während die kleineren
nach der immer steigenden Zahl aus ( Kilo in eine Anzahl
Sorten getheilt werden (bis (70 Stück). Noch größer ist
die Zahl der Sorten bei denjenigen Fliesen, deren Gestalt
nicht so regelmäßig ist. Aus den Fliesen werden vorwiegend
Ligarrenspitzen gefertigt und zwar hauptsächlich in Wien
(Firma partnmnn u. Eidam mit (50 Arbeitern und 80
Drehbänken), welches den Welthandel beherrscht, wenn auch
in Nürnberg, Paris und in New-tzork Fabrikation stattfindet.

„Platten" nennt man flache Stücke von geringer
Dicke, nach der Zahl aufs Kilo sortirt. Nur die größeren
werden noch zu Tigarrenspitzen, die kleineren zu Ansatz-
spitzen zu Polz, Meerschaum oder Jet, verwendet und be-
sonders in Wien verarbeitet, welches außer Meerschaum-
spitzen das australische Veilchenholz verarbeitet und solche
Spitzen z. B. nach Rußland für 20,000 fi., nach Deutschland
für (2,000 fl., in Oesterreich selbst für 30,000 fl. absetzt.
Die beiden Bruycrepfeifen-Fabriken in Nürnberg (Ott;
Ziener u. Lllenberger) exportiren jährlich für 900,000 Mk.
fertige waaren nach England, Ainerika und Australien und
haben unter 2-(0 Arbeitern 90, welche allein mit Bernstein
beschäftigt sind. Außerdem Paris, New-Pork und die

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