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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

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Heft 11/12
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Gmelin, L.: Die Mittelalterliche Goldschmiedekunst in den Abruzzen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0076
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4- \Q(2 -4'

Eine genaue Betrachtung der unten beschriebenen
Kreuze aus Solmona erweckt den Glauben, daß hier ein
Zentrum für eine gewissermaßen fabrikmäßige Herstellung
derselben gewesen sei. Die uralte, auch den: Theophilus
Presbyter (Anfang des XII. Jahrhunderts) *) bekannte
Technik „von dem Merke, welches man mit stempeln auf-
drückt" *) stand hier in hoher Blüthe; nicht nur wurden
die Kantenbleche mittelst solcher in Eisen geschnittener
Stempel im Großen fabrizirt (st d. Ab. auf S. (37 u. (<((),

3m Besitz des Konsuls Becker in Frankfurt a. M. Solrnoneser Goldschmiedearbeit.
(Nr. ^ des Verzeichnisses.)

sondern es kommen auch figürliche Darstellungen vor, welche
auf gleiche Weise hergestellt sind. An einem zu dieser
Gruppe gehörigen Kreuz (ohne Marke) kehrt z. B. ein
schwebender Engel nicht weniger als sechs Mal ganz iden-
tisch wieder, und die Evangelistensymbole sowie die andern
Darstellungen in den Bierpässen und den Medaillons (z. B.
auch die auf den Kreuzenden von Nr. () machen sehr
häufig den Eindruck, als seien sie auf diese handwerkliche
Art gefertigt, hieraus erklärt sich auch einerseits, daß
Haltung, Gebärde, Faltenwurf, Flügel rc. nur eine be-

*) CZuellenschr. f. Kunstgeschichte. Bd. VII. Einleitung S. Xl.HI.

9 Ebenda Lax. LXXIV. S. 290.

\__

schränkte Ausführung erfahren haben und darum vielfach
unbeholfen aussehen — andrerseits, weshalb sich manche
Typen so lange erhalten haben und an manchen Kreuzen
Dinge nebeneinander Vorkommen, welche stilistisch ganz
verschiedenen Zeiten angehören.

Durch diese Technik gebunden und in ihrem Fortschreiten
gelähmt überschritt die figürliche Treibarbeit selten die
Grenzen des Reliefs; erst in der Mitte des XIV. Jahr-
hunderts kommen Kruzifixe vor, bei welchen die Haupt-
figuren frei Herausgetrieben sind und sich namentlich die
Köpfe von: Hintergrund frei loslösen, wie z. B. bei Nr. 6
(Abb. auf 5. (57.)

Ein anderes dekoratives Moment, welches in seinen:
Fortschreiten verfolgt werden n:uß, ist das Email; außer
an dem einen Stücke Nr. ß, wo Email zwischen Filigran
liegt, kommt dasselbe nur als Reliefschmelz *) vor. Daß
derselbe schon im XIII. Jahrhundert in Italien in Hebung
war, ist schon durch das Inventar Bonifacius VIII.
v. I. (293 erwiesen, in welchem das Email an rnanchen
Stücken derart beschrieben ist, daß nur an den Reliefschmelz
gedacht werden kann?) An den Solmoneser Bortragkreuzen
sind Titulus und Niinbus enmillirt; in letzteren: findet sich
das Kreuzzeichen in fortschreitender Ausbildung der Schmelz-
technik. Nebenbei werden auch hin und wieder einzelne
emaillirte Medaillons mit Heiligen rc. angebracht, aus
denen hervorgeht, daß die Technik des Reliefschn:elzes
künstlerisch die der figürlichen Treibarbeit um ein Be-
deutendes überragt (z. B. bei Nr. 6); die Bermuthung liegt
nahe, daß für erstere besondere Werkstätten bestanden, deren
Emailplättchen dann von Silberschmieden auf getriebene Ar-
beiten genietet, bezw. gefaßt wurden.* 2 3)

Das mit Ausschluß der Ränder und des Kruzifixus
ganz emaillirte Kreuz aus 5. Annunziata (Nr. (2 a) be-
zeichnet mit dem Kelch und der patena aus 3. Panfilo
(Nr. (( und (2) den Höhepunkt dieser Technik in Solmona.
Die durchsichtigen Farben — tiefblau, grün, violett, gold-
gelb — wozu noch ein undurchsichtiges Zinnoberroth kommt,
spielen in allen Abstufungen der Tiefe und geben diesen
Arbeiten ein ungemein prächtiges Ansehen. Die Gravirung
ist in diesen Arbeiten vollends von ganz hervorragender
Schönheit.

Wenn man mit diesem Kelch jenen des Arditi von
Florenz 4) aus dem ersten Drittel des XIV. Jahrhunderts
vergleicht, so zeigt er sowohl in: Aufbau, wie in der An-
ordnung des Emails und in der Verbindung der letzter::
miteinander (am Fuß) mittelst eines umlaufenden Bandes
zwar manche verwandte Züge, aber doch nicht genug, um
einen Zusammenhang zwischen der Florentiner und der

9 Dr. Fr. Schneider (der Stephans-Kelch des Mainzer Domes,
Bonn :889) schlägt vor (S. 20), diesen von Bücher (Gesch. d. techn.
Künste I) eingeführten Ausdruck, den: französischen eniail de basse taille
entsprechend, durch „Schmelz in Tiefschnitt" oder Farben-
schmelz in Tief schnitt" zu ersetzen; inan könnte daraus ab-
kürzend Tiefschnittschmelz machen, was aber vielleicht besser durch
das sprachlich hübschere Wort „Tiefbild-Schmelz" ersetzt würde,

2) Bibi, des Chartes. Iahrg. ;882. S. 644. Anm.

3) Auch bei der Nicandro-Büste (Nr. -P scheinen — aus der Ab-
bildung bei Bind! zu schließen — die im Postament angebrachten
Emails die Büste selbst künstlerisch zu überragen.

4) Zur Zeit in der Sammlung Spitzer; publ, in dessen Katalog
unter Nr. s;, S. >22; ferner bei Bücher, Gesch. d. techn. Künste, Bd. II,
S. 288 und (farbig) bei Labane, Arts industriels, Text LV).)

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