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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

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Heft 11/12
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Gmelin, L.: Die Mittelalterliche Goldschmiedekunst in den Abruzzen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0077
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■h sH3 ^

Solmonefer Goldschiniedekunst daraus abzuleiten; dagegen
deuten die figürlichen Gravirungen in Haltung, Bewegung,
Haartracht, Rostümirung, Drapirung der Engel ic. ganz
entschieden auf die Florentiner Schule vor ^50. Man
vergleiche damit z. B. die Malereien in 3. M. Novella, in
S. Croce, S. Miniato oder die Arbeiten von Luca della
Robbia. *) Der Verfertiger des Reiches in S. panfilo,
Meister »Ciccarlus Francisci« wird also wohl in Florenz
gelernt haben. — 3n dem in der Nähe von Solniona ge-
legenen Tagliacozzo wurde der berühmte Goldschmied

Naaj Ascanio geboren; * 2) da er aber schon mit dreizehn
fahren als Schüler bei Lenveuuto Cellini eintrat, so ist
an einen Zusammenhang zwischen ihm und der „Gold-
schmiedcstadt" Solnwna schwerlich zu denken.

Die Zahl der beglaubigten Goldschmiede-
arbeiten Lolmona's ist in dieser Stadt selbst keine große;
die Bestände an Edelmetallarbciten daselbst haben natürlich
im §auf der Zeiten manchen Wechsel erfahren. Bon pro-
fanen Arbeiten ist überhaupt Nichts erhalten, und die kirch-
lichen Geräthe sind nicht mehr sehr zahlreich. Der Geschenke
der Anjous an die Rirchen der Stadt wurde schon oben
gedacht; di Pietro erzählt von Znnocenz VII., er habe

*) Kunstgesch. Bilderbogen. Nr. ;97 (3 und 4), 540 (7), mft) u. A.

2) Bin di, Art. Abr. (63.

den Rirchen seiner Vaterstadt Kreuze, silbervergoldete
Reiche u. s. w. geschenkt; ebenso habe Bischof Bottino
—63) verschiedene Rirchengeräthe und der Prälat
Larducci (fi f70s) mit seinem Wappen geschmücktes Silber-
geschirr der Rathedrale vermacht; aber von alledem ist
wenig mehr übrig und das wenige läßt sich mit jenen
Donatoren nicht in Zusainmenhang bringen. Die oben
gegebene Geschichte der Stadt erklärt die Verluste zur Genüge:
Brände der chiirchen, zerstörende Erdbeben, Rriege mit
den unvermeidlichen Brandschatzungen haben daniit ge-
waltig aufgeräumt.. Es kam auch vor, daß ein Bischof
(Prospero de Rusticis, ^99) Rirchengeräthe unterschlug;
in neuester Zeit noch sind Stücke der Schenkung Rarls II.
aus 3. Francesco an Antiquare verkauft worden! Trotz-
dem ist die Zahl der als Solinoneser Arbeiten nachweisbaren
Gegenstände keine kleine; find dieselben auch z. Th. in aller
Welt zerstreut, so ist doch der größte Theil noch in den
Abruzzen und den angrenzenden Gebieten Italiens zu finden.
Die Thatsache, daß Bindi in seinem so reichhaltigen Werk
über die Denkmäler der Abruzzen z. B. die schönen ge-
stempelten Arbeiten aus dein Rirchenschatz von 3. Annun-
ziata übersehen hat, läßt daranf schließen, daß noch manches
andere Werk aus der Goldschmicdeschule Solmona's der Ent-
deckung harrt. Rin eine nach Möglichkeit geschichtlich geordnete
Uebersicht der einzelnen Arbeiten zu bieten, folgt hier ein

VerzeLcbnLss von Arbeiten aus Lolmona.

I. Arbeiten mit Marke }.

\. vortragkreuz, aus der Sammlung Raoul Richards in Rom?)
Theilwcise abgebildct auf S. ;35. vorder- nnd Rückseite: je fünf ge-
triebene Silberplatten auf Holzkern; Endigungen der Kreuzarme ähnlich
wie bei Nr. s. Vorderseite: vgl. die Abbildung. Die Kreuz-
enden enthalten oben einen Engel (ähnlich den: auf Nr. 2), auf den
Seiten Maria und Johannes (?), unten auf besonders umrahmtem
Dreiecksfeld (mit gebogten Seiten) Adam (?) am Boden zusammen-
gekauert. -— Rückseite: In der Mitte der segnende Ehristus (die
rechte Hand ganz geöffnet) auf einem gepolsterten Sitz; der Nimbus,
welcher wie vorne aufgesetzt war, fehlt jetzt; in den Kreuzenden die
Evangelistensvmbole. — Die ;,5cm breiten Kanten des Kreuzes sind
mit heraldischen Löwen geschmückt. — Höhe des Ganzen (ohne Dorn):
45,5 cm; Länge des (Querbalkens: 35,5 cm. — Marke (wahrscheinlich die
obige) anscheinend auf jeder einzelnen Platte. — Um (250. (vgl. S. I-zo ff.)

2. vortragkreuz (Bruchstück der Rückseite), aus vergoldetem
Silbcrblech; im Besitz von Prof. E)r. A. v. Sallet-Bcrlin. Die Ab-
bildung (5. (36) mackst weitere Erklärungen über die Darstellung
überflüssig. — Höhe des Bruchstücks: 2;,8 cm, Länge des Tuerbalkens
24,7 cm, Breite des Stammes (unten) 6,8 cm.2) — Die Marke ist zur
Seite des rechten Armes des Heilandes angebracht.

3. Großes Kreuz aus Silberblech (bis Mai (889 im Besitz des
Antiquitätenhändlers Drep in München).2) — Kantenmuster abgebildet
auf S. (4P Getriebene Silberplatten auf Holzkern. Vorderseite: Der
Gekreuzigte, rechts Maria, links Johannes, oben ein Engel mit Krone,
unten auf Blättern ein übel gerathener Todtenkopf. Rückseite:
Ehristus, thronend auf einem Sitz, von den: man die Seiten —
naturalistisch gebildete Löwen als Armlehnen — sieht; rechts, links
und unten Propheten (?) in Brustbildern; in den Enden die Evan-
gelistensymbolc. — Höhe 58 cm; Länge des Querbalkens 53,5 cm,
größte Dicke von (2 cm. Marke ( und 5. Ende des XIII. Jahr-
Hunderts, (vgl. S. (3g).

Dieses Kreuz wurde anseinandergenommen und in einzelnen
Theilen verkauft; die Seitentheile, welche noch im Besitz des Herrn
Drey verblieben waren, dienten bei der oben erwähnten Untersuchung
auf Feingehalt als Versuchsobjekte. -- Ein Theil des Kreuzes —
die Mitte der Vorderseite _ gelangte in den Besitz des Antiquitäten-
händlers G. Brauer in Paris, welcher mir mittheilte, daß auf jenem
Stück sich nur die zweite Marke befinde; es stelle den Gekreuzigten
dar, Arme und Beine gestreckt, die Füße ähnlich überein andergelegt
wie bei Nr. 6; der Nimbus zeige noch Spuren von translucidem
Email; das vortragkreuz selbst Fei mit einem Kreuze belegt, dessen
vier Arme in Klceblattform endigen.

>) Nach zwei Zeichmnigen in Besitz von Dr. Rosenberg und nach dessen Notizen
beschrieben; das Areuz befand sich *886 auf der Metallausstellung in Rom.

2) Laut schriftlicher Mittheilung des Besitzers,
s) Nach Notizen von Prof. vr. Rosenberg beschrieben.

4. Idaupt des 8. Nicandro s) in der Kirche 8. Ricanckro, venafro
(bei Jscrnia, Prov. Molise).

Dieses in Silber getriebene Reliquiar zeigt das Haupt des Heiligen
in etwas starrer Auffassung, die Augen zu groß und zu nahe bei
einander, das Haar in gothifcber Meise schwach wellig, unten auf
beiden Seiten in eine kleine Locke ausgehend. Der Hals des Hauptes
steckt in einem hohen Ring, welcher den Fuß des Ganzen bildet;
dieser Ring trägt in seinem Mitteltheil runde und vierpaßförmige
Lmailtnedaillons, sowie zwischen denselben je zwei große runde Steine
— und ist unten durch einen feinprofilirten Sockel mit Perlschnnr,
oben durch ein Band umschlossen, welches die Inschrift in neugothischcn
Majuskeln trägt:

Dominus jolrannss Dpiscopus cke jocco2) Benakranus kecit üer:
lloc opus mauus magistri Barbati de Solmona. A. D. MCCCXXXX.

lieber den Magister Barbato wurde schon oben Näheres be-
richtet. Line Marke besitzt das Stück nicht.2)

II. Arbeiten mit Marke 2.

5. Kreuz aus Silber, Grtucchiosi(bei Avezzano, prov. Abruzzo Ult.II.)

Ist aus 20 Stücken zusammengesetzt, deren jedes einzelne obige Marke
trägt, ansgcnoinmcn das untere Stück der Rückseite, welches augen-
scheinlich ergänzt ist; — Höhe 50 cm, Länge des (Querbalkens 42 cm.2)

6. Vortrag- und Altar-Kreuz, ans der ehemaligen Sammlung
Morbio in Mailand, zur Zeit im Besitz des Hrn. Hofbuchhändlers
Th. Ackermann, München. — Abgebildet Seite (37). vorder- und
Rückseite aus je fünf auf Holzkern genagelten, vergoldeten Silberplatten
bestehend. Die Ausschmückung des Kreuzes besteht vorwiegend aus
getriebener Arbeit, wobei die Köpfe der Hauptfiguren frei vom Grunde
abstehen nnd bis fast 3 cm auslade». Die Ausladung der übrigen
Reliefs beträgt in: höchsten Falle ( cm. — Vorderseite: Die In-
schrift JN R Y emaillirt, ebenso der Kreuz-Nimbus (vgl. S. (4( Anin. 4).
In den (Puerarmen Maria nnd (weniger gut) Johannes, oben ein
Engel, unten ein Todtenkopf innerhalb einer Blattrankc. — Rück-
seite: Der segnende Ehristus umgeben von den EvangelistenjFmbolen.
Unten ein Medaillon mit St. Georg in buntem Email über einer vor-
züglichen Gravirnng; besonders schön ist der Kopf des Pferdes gravirt.
Höhe des Kreuzes 4; cm, Länge des (pnerarmes 53 cm. — Die Marke
neben der rechten Hüfte des gekreuzigten und neben dem rechten Ell-
bogen des segnenden Ehristus. — (550—4400. (vgl. 5. 24.)

') Abgebildct bei Bind!, Mon. Tat (35; zugehöriger Text s. 756.

2, Lei Schulz. Denkmäler !c. (ll. (30) lautet der Name des Bischofs Goreo;
Bindi (Mon. 5. 756) schreibt »Goneo o Gocco«. Die oben gegebene Lesart wurde mir
von dem Airchenvorftand zu venafro freundlichst mitgetheilt, welcher zugleich eine
Nrkundengnelle ansührt. worin der Nanie ausdrücklich foannes focons lautet.

2) Nach Mittheilung des genannten Airchenvorstandes.
r) Bindi. Mon. 5. 899* 2lnm. l.

6) Die letzter,: Angaben, sowie Abklatsche der Marken verdanke ich dein dortigen
Airchenvorstand.

2*
 
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