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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1890

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Heft 11/12
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Gmelin, L.: Die Mittelalterliche Goldschmiedekunst in den Abruzzen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6755#0078
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■h \W -4'

Das Kreuz stack schon in der Sammlung Morbio mit seinem Dorn
in einer Hülse ans vergoldetem Kupfer mit den Inschriften:

Hoc opus fecit Galeazius Vigorensis anno Domini 1553 Mediolani1 * 3)
und

Le figure de argento sono a bontä di 7 Liga, pesano oncie 27,
tari 18, grani 8.

Die gegebene Lesart der lateinischen Inschrift erscheint aus den
ersten Anblick etwas gewagt; daß zwischen den einzelnen Zahlen der
Jahreszahl 3552 Punkte stehen, darf jedoch nicht befremden, da dies
auch anderwärts vorkommt; zu dieser Zeit paßt auch der Schrift-
charakter vollkommen. Da aber die Arbeit nicht in dieser Zeit ent-
standen sein kann und ihre Marken gegen den Ursprung in Mailand
zeugen, so gehörte die Hülse offenbar zu einem anderen Kreuz, wenn
man nicht eine betrügerische Absicht darin vermuthen will. — In der
italienischen Inschrift wird gesagt, daß die Figuren ans Silber und
zwar in einer Legirung von 7/20 Feinsilber hergestellt seien im
Gewicht von 27 Unzen, ;8 Tari und s Gran?)

[6a. Pastorale, vergoldetes und emaillirtes Silber in s. panfilo,
Solmona. Abgeb. Taf. 57 (bei Bindi, Mo», nicht erwähnt). Der
netzförmig gebildete Theil des Stabes steckt in einer silbernen Hülse,
welche etwa um (600 entstanden sein mag. — Im Nodus sechs Me-
daillons mit Gravirungen (abwechselnd Heilige und ein Wappen) wahr-
scheinlich ursprünglich emaillirt; dazwischen frei getriebene und auf-
gelöthete Blättchen. In den Nischen darüber phautasiethiere in Email;
ferner sind die hinter den Wimpergen aufsteigenden Mauern und die
rhombische Flächenverzierung der Volute des Stabes mit Grubenschmelz
verziert (opak roth, blau und grün; auch die beider: letzteren Farben
fast erdig, undurchsichtig)?)

Höhe des Pastorales einschließlich des mit Netz umgebenen Stab-
theile 58 cm, ohne letzteren 26 cm. — Zweite Hälfte des XIV. Jahr-
hunderts. Ghne Marke. — Die Tradition bezeichnet das Pastorale als
ein Geschenk Innocenz VII.; im Kircheninventar v. I. ;5276) wird
dasselbe erwähnt. Das drei Mal im Nodus angebrachte Wappen ist
jedoch nicht dasjenige des Papstes?) das Pastorale wird also deshalb
auch wohl kein Geschenk desselben sein.)

7. Kelch, vergoldetes und emaillirtes Silber, Samml. Spitzer,
Paris; beschrieben in dem illustrirten Katalog derselben unter Nr. 927 8 9 10);
abgebildet ebenda.

Der Aufbau hat viel Aehnlichkeit mit dem Kelch aus 8. Panfilo,
der Fuß besitzt denselben Grundriß und ist mit sechs emaillirten Medaillons
in Sechspaßform geschmückt. Bänder umziehen letztere und setzen sich in den
Kanten des ansteigenden Fußes fort, welcher durch einige Zierglieder ab-
geschlossen wird; über denselben ein Fries mit der Widmungsinschrift:

-p 50RE - PAVLA • DE ■ CHARAMANICHO.'+s)

Die sechsseitige Schrift trägt über und unter dein Nodus Email
(Büsten und Vögel) unter Kleeblattbögen; der Nodus selbst zeigt sechs
emaillirte Medaillons, (Brustbilder von Heiligen), ebenso der die Euppa
aufnehmende Kelch, welcher bedeutend einfacher ist als Nr. —
Höhe: 2\ cm; Durchmesser des Fußes: ;3 cm. — Die Markes unter
dem Fuß. — Ende des XIV. Jahrhunderts.

[7a. Reliquienkästen in 8. Panülo, Solmona; vgl. s. ;o.

Line Marke befindet fick) — wenigstens äußerlich — nicht daran;
möglich, daß dieselbe innen angebracht ist. Der ganze Lharakter aber,
namentlich des Emails (meist Reliefschmelz) weist nächst dem Fundort
auf Solmoneser Arbeit. — Das Wappen ist nicht das des Papstes
Innocenz VII.; der Gegenstand ist also wohl kein Geschenk desselben
an die Kirche. — Ende des XIV. Jahrhunderts.)

8. vortragkreuz aus der Sammlung des Lanonicus Pirri Rom?")
vorder- und Rückseite: je fünf getriebene Silberplatten auf Holzkern;
Endigungen der Kreuzarme in Vierpässen, von denen einige noch mit
Kugeln geschmückt sind. (vgl. das Kreuz von Rosciolo. S. (^8.) —
Vorderseite: In der Mitte der Gekreuzigte mit wagerecht aus-
gestreckten Armen, das Haupt leicht geneigt, der Körper gerade, die
Füße (einwärts) übereinander genagelt. Titulus (I. X. R. Y.) und
Nimbus emaillirt; in letzterem ist das Kreuzzeichen durch Laubwerk
markirt. Die Figur ist vom Nabel bis zu den Kuieen durch ein Blech
verdeckt, welches in späterer Zeit ■— vielleicht um eine zerbrochene
Stelle zu decken — heriibergelegt und an beiden Seiten angenagelt
wurde. In den Vierpässen Engel (oben und unten), Maria und
Johannes (?); der Hintergrund ist mit gothischen Akanthusranken ge-
schmückt, unter Aussparung eines glatten vierarmigen Kreuzes für
den Lrucifixus. — Rückseite: In der Mitte der lehrende Lhristus,

') Die Auslegung des Schluffes dieser Inschrift verdanke ich 6rn. Dr. Schellhaß.

2) Die Erklärung verdanke ich Hrn. Dr. (Eorn. Desimoni in Genua.

3) Im Königreich Neapel rechnete man im Mittelalter \ Pfunfc = \2 Unzen,
eine Unze — 30 Tari, ein Tari — 20 Gran.

4) vgl. damit die Beschreibung des Restes eines Pastorales auf Montecaffino
v. I 1370—73 bei A. Caravita, I Codici e le Arti a Monte Cassino.

°) Piccirilli, Riv. Abruzz. a. a. ©. 5. Anm.

6) Bei Liacouii, Alk. .... Vitae et gestae Pontificum Romanormn etc. ist das
Mappen dieses Papstes abgebildet; Bd. II, 5. \036.

7) Tollektion Spitzer. I. vol. S. ^25-

8) Caramanico, ein ©rt am ©stabhang der Abruzzen, bei Thieti, Abr. cit.

9) Im Katalog lautet dieselbe ANS; I. Diner theilte ntir jedoch mit, daß dies
ein Irrthum sei, welcher sich leicht dadurch erklärt, daß die umgekehrte Marke SUL
so gelesen werden könne, besonders bei unklarer Stempelung.

10) ZXad} zwei Zeichnungen im Besitz von Dr. Rosenberg und nach dessen Notizen
beschrieben; das Kreuz befand sich 1(886 auf der Metallausstellung in Rom. — Laut
einer Mittheilung des Monsignore de Waal in Rom wurde die Santmlung pirri 1(889
versteigert.

in den Vierpässen die Evangelistensymbole mit Ausnahme des Engels,
an dessen Stelle (unten) eine fünftheilige, mit gravirtem Drnament
überzogene Buckelung hervortritt. Außerdem enthalten die (pnerarme
und der untere Kreuzstamm je ein Medaillon (nähere Angaben nicht
bekannt). — Höhe (ohne untere Hülse) etwa 57 cm; Länge des (Quer-
balkens circa 29 cm. — Marke (2 ?) mehrinals in den Nimben. —

Das Gruament ähnelt dem auf dem cylindrischeu Reliquiar
S. (2 11. \n; die Arbeit darf deßhalb wohl um datirt werden.

III. Arbeiten mit Marke 3.

9. Reliquiar, caffettenförmig, in 8. Annunziata, Solmona. Abgeb.:
s. ;38.— vergold. Silber; die Wandungen durchbrochen ; dicVrnamente
in den Zwickeln derselben gravirt, jene auf dem dachförmigen Deckel
getrieben; die Medaillons auf letzteren enthalten — in unbedeutendem
Email — Darstellungen von verschiedenen einfachen Kannen und einem
Trinkbecher. Der sechsseitige emaillirte Knauf enthält die Inschrift:
QUESTO ■ FANE ■ FARE • LI. SARTURI • A • LI • MILE -'CCCC.XXX

A • MEN.

Auf dieselbe beziehen sich midj die in dem obern und untern Theil des
Knaufes angebrachten Embleme der Schneiderzunft: Schcere und Tuch-
stücke (Radmäntel?). Die dazwischen befindlichen Rankenoriiamentc sind
filigranartig. •— Höhe der Lassette allein: ;s cm; Breite derselben:
22,- cm. — Marke auf der glatten Deckelfläche und auf dem Boden;
beide Male mit einem verkehrt darüber stehenden jT. (vgl. Nr. (0.)
Das einzige genau datirte Stück — ;q.zo — in Solmona.

;o. Reliquiar, cylindrisch, in S. Annunziata, Solmona. Abge-
bildet S. (2 u. — vergoldetes und emaillirtes Silber; der Fuß
hat in der Anordnung der Emails große Aehnlichkeit mit jenem an
dem Kelch zu S. panfilo (Nr. U); die Emails selbst, ebenso die
dazwischen liegenden Drnameute sind jedoch nicht ganz so gut wie dort. —
Höhe des Ganzen: 2;,- cm. — Marke auf der Unterseite des Fußes,
mit dem verkehrt darüber stehenden fö. Nr. 9. — Um ;qzg.

Kelch, aus 8. Panfilo, Solmona. Siehe Tafel 6, s. (2, ;5 und
155). — Silber, vergoldet und emaillirt. — Der Aufbau und die Einzel-
heiten find aus den Abbildungen mit genügender Deutlichkeit zu sehen,
vollständig mit Email bedeckt sind (resp. waren): der Rosettenfries am
Fuß (gelb auf blauem Grund), die Medaillons und die andern auf-
gehefteten Plättchen am Fuß, die Medaillons am Nodus und die Engel
am Kelch; in Grubenschmelz sind ausgeführt die Inschrift am Fuß
und die Thierfigureu am Schaft. — Die Inschrift am Fuß lautet:

»KV« owsö* «ait?.

Die Inschrift am Kelch (ein Distychon) enthält die Widmung:
Calix - iste • tibi • signatus • Pamphile • sancte •

Sanguine • place tibi • donum(?) • quem (?) • judicet - ante.1)

Au den Medaillons des Fußes und des Nodus sind die Emails
theilweife, an den die Kupxa umfassenden Kleeblattbogeu fast voll-
ständig ausgesprungeu; Höhe —25,1 cm. — Marke am Kelchrand und
auf der Unterseite des Fußes. — ^ .

Ueber den Meister Ciccarellus Francisci ist nichts Näheres be-
kannt; daß er ein Solmoneser Meister war, kann angesichts der Marke
nicht wohl bezweifelt werden?) Der Kelch soll, wie die Tradition
sagt,") ein Geschenk Innocenz VII. sein; dieß ist jedoch wenig wahr-
scheinlich, da dieser Papst schon am 6. November ;qo6 gestorben ist,
der Stil des Kelches auf eine etwas spätere Zeit hinweist.4 *)

[2. Paten«, zu dem vorgenannten Kelch in 8. Panfilo gehörig.
Abgebildet und beschrieben S. (5. — Die wenigen Reste des Emails zeugen
von dem hohen Geschmack und Gcschickdes Goldschmieds; trotz dem kleinen
Maaßstab vermochte er noch die Augen der Madonna durch kleine blaue
Punkte hervorzuheben. —Durchmesser 25,8 cm. — Marke auf der Rückseite.

[;2a. vortraqkreuz, ganz vergoldetes und emaillirtes Silber in
St. Annunziata, Solmona. Abgeb. auf S. (28; unten setzt sich der
Schaft in einem eisernen Dorn fort zum Aufftecken auf einen Tragstock.
Das Email in den Vierpässen ist größtentheils gut erhalten, während
dasjenige im Schaft vorn meist ausgesprungeu ist; nur auf der Rück-
seite ist das Email auch im Schaft und im (lZuerbalkeu fast ganz er-
halten. Die Gravirungen der Emailbilder sind fast so gut wie an
dem Kelch von 8. Pan6Io; die Farben sind genau dieselben. — Höhe
des Kreuzes (ohne Dorn): 20 cm; Länge des (Querbalkens (famint
den End-Walzen): 23,5. — Eine Marke ist nickst zu finden; es wäre
schon kein Platz für dieselbe vorhanden.

Da die Emails in ihrer Schönheit jener des Kelches von S.
Panfilo uahestehen, darf die Entstehung dieses Kreuzes wohl nach
Solmona und in die Zeit von ;q50 gelegt werden.)

1) Der Schluß der Inschrift ist unklar; die beiden mit Fragezeichen versehenen
Worte sind im ©riginal (mangelnden Raumes wegen) abgekürzt: DNM • QM.

2) Bindi (Mon. S. 738), scheint die Marke am Kelch ganz übersehen zu haben,
ebenso auf der zugehörigen patena; die Kelchinschrift ist dort nicht richtig gegeben.

3) Di Pietro, Uomini, S. 77.

4) Tine Urkunde (bei Faraglia, CLXXXVII) nennt zwar einen ..magistrum
Franciscum de Jordani phisicum“ von Solmona (nach di Pietro, Dom. S. 86, gab es
im Solmoneser Geschlecht „de Phisicis“), gleichzeitig mit einem Maso Ciccarelli; aber
da die Urkunde von 1(389 ist, außerdem nicht gesagt wird, was für ein „Meister"
jener Franciscus war, so wird damit Nichts anzufangen sein, ebensowenig mit dem
Paulus de Ciccarello, welcher (HH6 als siudicus siudicario vorkommt (Faraglia CCLXII).
 
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