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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 5.1909/​1910

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Heft 2
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Frimmel, Theodor von: Aus dem Palazzo Caiselli in Udine
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26

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Nr. 2

anderswoher zum Studium des unver-
gleichlichen Giov. Batt. Tiepolo zu-
sammengetragen war. Die große Kreuz-
schleppung aus Sant’ Alvise in Venedig,
die Bilder aus der Scuola der Carmini
und vieles andere war da zu sehen an
Werken des Großen selbst und an
solchen seiner Umgebung. Photographi-
sche Nachbildungen ergänzten die Rei-
hen. Und doch fehlte manches, blieb
manches unbeachtet. Das Altarbild aus
Santa Chiara in Cividale fand damals
noch keine Gnade bei den Kunstrichtern
der Ausstellung (seither als Perle der
Sammlung Crespi in Mailand bekannt
geworden) und einige verhältnismäßig
naheliegende Arbeiten Tiepolos blieben
unbeachtet. So erging es auch dem,
bis dahin noch unbeschriebenen Decken-
gemälde im Palazzo Caiselli zu
Udine. 1896 gab es noch keine Ab-
bildung dieses bedeutenden Kunst-
werkes, auf das man länger als ein
Jahrhundert wenig oder gar nicht ge-
achtet hatte. Um 1730, zwischen 1726
und 1738, muß es wohl entstanden
sein. Üm jene Zeit war Giov. Batt.
Tiepolo in Udine beschäftigt, wovon
noch eingehender gesprochen werden
soll. Damals haben es gew’iß alle Freunde
und Bekannten des Hauses gesehen, aber
man schrieb keine Feuilletons und keine
kunstgelehrten Studien über Decken-
bilder von Tiepolo. Dann kam die Zeit
des Klassizismus. Tiepolos Lebensabend
fällt schon in diese Periode des Hasses
gegen die ganze frühere Kunstweise
des 18. Jahrhunderts *). Sicherlich wurde
das Bild dann nicht mehr sonderlich

*) In der „Italienischen Reise“ Goethes
sucht man vergeblich nach einem freundlichen
Worte über Tiepolo, ja nach einer Erwähnung
des Namens. In „Winkelmann und sein Jahr-
hundert“ wird der Name geradewegs verun-
glimpft, auch wenn manche anerkennende
Bemerkung daneben zutrifft. Das Ignorieren
der Leistungen eines Tiepolo beginnt schon
bei J. J. Volkmann: „Historisch-kritische
Nachrichten von Italien“ (1771).

geschätzt, sogar ein wenig vernachlässigt;
es zeigt Spuren von Wiederherstellung;
wie man jetzt sieht, hat es gelegentlich
etwas Schaden genommen, wenn der
Bibliothekssaal, dessen Decke es ziert,
getüncht wurde. Es blieb auch lange
unbeschrieben, unbekannt. Erst die
Anregung durch die Mostra Tiepolesca
machte die Kunstfreunde Udines auf
das Bild aufmerksam, das in der „Ga-
zetta degli artisti“ vom 15. April 1897
und danach im „Friuli“ (Udine, 21. April
1897, Artikel vom Conte Alvise Zorzi)
beschrieben wurde*). Der gegenwärtige
Besitzer Conte Carlo Caiselli de
Reana, Chef der gräflichen Familie,
weiß das Bild zu würdigen und war so
freundlich, es mir photographieren zu
lassen. Vom Vorhandensein des Gemäl-
des erfuhr ich durch Se. Exzellenz Herrn
Baron Albin zu Teuffenbach, der mich
auch dazu aufmunterte, das Bild in
Udine zu besichtigen. Ich fand ein, zwar
an einzelnen Stellen beschädigtes**),
im wesentlichen aber wohl erhaltenes
Gemälde auf Leinwand vor, das ich,
auf der Galerie des Saales stehend, aus
verhältnismäßig geringer Entfernung
prüfen konnte. An manchen Stellen
schimmert die dunkelrötliche Grundie-
rung durch. Die Deutung des Bildes
wäre nach meiner Meinung die: Eine
Verherrlichung der Kunst oder der
Wissenschaft, die über Barbarei oder
Unwissenheit siegt. Die Verherrlichung
wird durch Fama, es mag auch ein
posaunenblasender Genius sein, aus-
gedrückt. Als Hauptgruppe zwei schwe-
bende Figuren: die Allegorie der Kunst
*) Die erste Beschreibung ist mir nur
nach einer Aufschreibung bekannt. Der Wieder-
abdruck im „Friuli“ hat mir für meine vor-
bereitenden Studien vorgelegen. Darin wird
Conte Fabio Beretta gewissermaßen als
Entdecker des Bildes genannt.
**) Zwei auffallende Löcher seien ange-
merkt: eines neben dem Kopf des herab-
schwebenden Engelchens, das andere im
Kleide der Hauptfigur neben dem Arme.
 
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